Weiterbildung

Bildungsgutschein: Mehr Schein als Sein

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Mit dem neuen Bildungsgutschein vom Arbeitsamt können sich Arbeitslose einen Weiterbildungskurs suchen. Doch die Beratungsqualität der Weiterbildungsfirmen leidet unter dem wirtschaftlichen Druck, den die Regelung ausgelöst hat.

Wer sich weiterbilden möchte, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen, ist derzeit nicht zu beneiden: Der neue Bildungsgutschein des Arbeitsamts hat den Markt geförderter Weiterbildungskurse kräftig aufgewirbelt. Aber nicht im Sinne des Erfinders: Die Regelung sollte helfen, den Markt übersichtlicher zu machen und die Rechte der Verbraucher zu stärken. Doch statt­dessen haben Förderberechtigte nun große Schwierigkeiten, geeignete Kurse zu finden. Das hat unser Test der Beratungsqualität von Bildungsanbietern für arbeitsamtfinanzierte Kurse ergeben.

Wir wollten wissen, wie Weiterbildungsfirmen Arbeitslose beraten, die einen mehrmonatigen Kurs zum Netzwerkspezialisten absolvieren wollen. Netzwerker arbeiten vor allem in EDV-Abteilungen großer Unternehmen. Sie planen, konstruieren und verwalten Computernetze. Die Tätigkeit ist technisch anspruchsvoll und erfordert kommunikative Fähigkeiten. Wenn der Datenstrom eines Unternehmens versiegt, gibt es für die Computernutzer meist nur einen Ansprechpartner: den Administrator. Da gilt es, kühlen Kopf zu bewahren.

Beratung könnte besser sein

Die geeigneten Köpfe für solche Aufga­ben zu finden – auch darauf kommt es im Beratungsgespräch für eine Weiterbildung an. Wir haben getestet, ob die Anbieter bei der Kurswahl helfen. Gerade im IT-Bereich ist es für den Verbraucher schwer einzu­schätzen, welcher Kurs sinnvoll ist und seine Arbeitsmarktchancen verbessert. Außerdem ist das Angebot unübersichtlich. Die Kurse tragen unterschiedliche Titel, die Inhalte und Zertifikate, die erworben werden können, variieren ebenfalls.

Der Test zeigt, dass die Beratung besser sein könnte. Oft gingen die Berater weder ausreichend auf die persönlichen Arbeitsmarktchancen nach Kursende ein, noch zeichneten sie ein realistisches Bild von der Tätigkeit eines Netzwerkspezialisten. Informationen zur Ausbildung und Praxiserfahrung ihrer Dozenten blieben ebenfalls oberflächlich. Außerdem wurden die fachlichen Voraussetzungen der Interessenten kaum geprüft; die Eignungstests waren teilweise veraltet.

Nur für 2 der 13 getesteten Beratungen konnten wir ein „Gut“ vergeben: GFN und Indisoft. Alle anderen boten graues Mittelmaß. Und das hängt maßgeblich mit den Bildungsgutscheinen zusammen: Die Frage, wie der Weiterbildungsinteressierte an einen Gutschein kommt, stand allzu oft im Mittelpunkt der Gespräche – zulasten wichtiger Informationen. Seit Januar stellen die Arbeitsämter dem anspruchsbe­rechtigten Arbeitslo­sen den Schein aus, statt ihn wie früher in eine Maßnahme zu vermitteln. Der Förderberechtigte darf den Kurs nun selber auswählen. Die Entscheidung liegt also bei ihm – zumindest theoretisch.

Knappes Gut Bildungsgutschein

Praktisch können die Arbeitsämter selbst entscheiden, in welche Bildungsziele sie ihre Mittel stecken. Und mit 5,2 Milliarden Euro fließen im laufenden Jahr 1,5 Milliarden weniger in die berufliche Weiterbildung als 2002. Das macht die Gutscheine, die den Anbietern Einnahmen und den Arbeitslosen Weiterbildung garantieren, zu einem knappen Gut. Fehlende Planungssicherheit sowohl für die Anbieter als auch die Nachfrager ist die Folge: Meist konnten die Anbieter unseren Testern noch nicht einmal sagen, ob der Kurs überhaupt stattfindet.

Seltsame Vorschläge

Die Jagd nach dem Schein trieb auch seltsame Blüten: In Hamburg wurde unseren Testern geraten, ihren Wohnsitz ins Umland zu verlegen. Dort hätten sie bessere Chancen, einen Bildungsgutschein zu ergattern, so die Begründung. In Stuttgart wollte WBS Training einen Tester zunächst nicht beraten, so lange kein Schein vorliegt. Und in Bayern empfahlen die Berater von vornherein, sich für Trainingsmaßnahmen zu bewerben, für die kein Gutschein benötigt wird. Derzeit sei es, so der Tenor, sehr schwierig, an Bildungsgutscheine zu gelangen.

Selbst die Bundesanstalt für Arbeit hat eingeräumt, dass die neue Gutscheinregelung zu „Verwerfungen“ auf dem Weiterbildungsmarkt geführt habe. Vorübergehend mag das verständlich sein. Ein Trost für Förderberechtigte, die jetzt einen Kurs brauchen, ist es nicht.

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