
„Gebt älteren Frauen Hormone“, lautete früher die Devise. Die Mittel sollten nicht nur Wechseljahresbeschwerden lindern, sondern auch vor Alterserkrankungen schützen. Dann wurden Risiken bekannt, und der Einsatz der sogenannten Hormon- beziehungsweise Hormonersatztherapie ging stark zurück. Nun ist von einer „Renaissance“ zu hören. Doch dafür gibt es keine wissenschaftliche Grundlage.
Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren
Im Alter zwischen 40 und 60 endet die zyklische Hormonproduktion der Eierstöcke und damit die Fruchtbarkeit jeder Frau. Wie lange diese „Wechseljahre“, dauern, ist individuell verschieden. Mehr als ein Drittel der Frauen durchlebt diese Zeit ohne Beschwerden, bei den übrigen können sich Symptome wie Hitzewallungen und manchmal auch Schweißausbrüche bemerkbar machen. Nur etwa 20 Prozent der Frauen in den Wechseljahren finden solche Beschwerden so belastend, etwa weil sie wegen nächtlicher Schweißattacken nicht mehr erholsam schlafen können, dass sie sich eine Behandlung wünschen.
Hormone machten Karriere
Die übliche Therapie: Hormonpräparate, meist mit einer Kombination aus Östrogen und Gestagen. Das Gestagen darf nur bei den Frauen entfallen, deren Gebärmutter bereits entfernt wurde. Die Präparate führen dem Körper künstlich Hormone zu, die er selbst immer weniger bildet. Dass das gegen Wechseljahresbeschwerden hilft, ist wissenschaftlich bewiesen. Und lange hieß es, Hormonpräparate könnten noch viel mehr: vor Alterserkrankungen wie Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und sogar das Leben verlängern. Millionen von Frauen nahmen die Mittel ein.
WHI-Studie zeigte Risiken der Hormontherapie
Doch seit 2002 ist der Absatz der Präparate stark gesunken – in Deutschland laut Arzneiverordnungsreport um etwa zwei Drittel. Mit gutem Grund: Damals erschien die „Women`s Health Initiative“ (WHI)-Studie, die 16 608 Teilnehmerinnen umfasste und deutlich zeigte, dass eine Hormontherapie aus Östrogen und Gestagen mehr schadet als nützt. Bei den behandelten Frauen gab es mehr Herzinfarkte, Schlaganfälle und Brustkrebserkrankungen als in der Kontrollgruppe, die Scheinmedikamente bekam. Auch Thrombosen in den Beinvenen, Lungenembolien und Gallenwegerkrankungen traten bei Frauen, die Hormone nahmen, häufiger auf. Zudem erkrankten über 65-jährige Anwenderinnen öfter an Demenz. Die Studie, die zum Schutz der Teilnehmerinnen vorzeitig abgebrochen wurde, hat einen hohen beweisenden Charakter, sorgte für ein enormes Medienecho und ein Umdenken bei den Ärzten. In den seither veröffentlichten medizinischen Leitlinien steht klar und deutlich: Hormone sollen nicht zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Krankheiten zum Einsatz kommen.
Neue Studie verheißt positive Effekte
2013, gut zehn Jahre später, wird die Hormontherapie wieder auf Ärztekongressen und in der Presse wieder diskutiert. Manche sprechen von einer „Renaissance“ und einer neuen Datenlage zugunsten der Präparate. Als Beleg dient vor allem eine klinische Studie, die dänische Forscher 2012 im „British Medical Journal“ veröffentlichten. Die 1 006 Teilnehmerinnen waren zu Beginn 45 bis 58 Jahre, also deutlich jünger als die bei der WHI-Studie; ihre letzte Regelblutung lag höchstens zwei Jahre zurück. Die Hälfte bekam zehn Jahre lang Hormonpräparate. In dieser Gruppe gab es weniger Todesfälle und Klinikeinweisungen wegen Herzinfarkt und Herzschwäche als bei den übrigen Teilnehmerinnen ohne Hormontherapie. Gleichzeitig scheinen die Medikamente das Risiko für Krebs, Thrombosen und Schlaganfall nicht zu erhöhen, schreiben die Autoren. Sie schlussfolgern, dass die Einnahme jungen, neu in die Wechseljahre gekommenen Frauen wohl nützt.
Viele Kritikpunkte bei neuer Studie
Aber: Die Daten sind wissenschaftlich nicht beweiskräftig. Es gibt bei der Untersuchung eine ganze Reihe methodischer Mängel: Die Studie lief zu kurz, um Auswirkungen auf Brustkrebserkrankungen, die sich langsam entwickeln, zu erkennen. Zudem war die Teilnehmerzahl zu gering, und die Frauen wussten, ob sie Hormone bekamen oder nicht – was Ergebnisse beeinflusst. Der wichtigste Kritikpunkt: Die Studie beschäftigte sich ursprünglich mit einer ganz anderen Fragestellung: ob Hormone Osteoporose vorbeugen. Erst im Nachhinein beschlossen die Autoren, auch das Thema „Tod und Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinfarkt oder Herzschwäche“ auszuwerten. Die Studie war allerdings methodisch und statistisch so geplant, dass sie nur die Fragestellung bezüglich Osteoporose aussagekräftig beantworten kann.
Renaissance ohne wissenschaftliche Grundlage
Die Ergebnisse liefern also keinen Anlass, die bestehenden Therapieempfehlungen zu ändern. Solange keine soliden Daten vorliegen, sollte die Hormontherapie auch bei jüngeren Frauen zu Beginn der Wechseljahre nur vorsichtig zum Einsatz kommen – und nicht zum Vorbeugen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für eine „Renaissance“ der Mittel als Präventions- und Lifestyle-Medikamente gibt es vielleicht wirtschaftliche Interessen seitens der Pharmaindustrie – aber keine wissenschaftliche Grundlage.
Hormone sind nur in wenigen Fällen gerechtfertigt
Das Einsatzgebiet der Präparate ist und bleibt also sehr beschränkt. Die Mittel können nachweislich vor Osteoporose schützen – sollen aber nur verordnet werden, wenn Frauen ein hohes Risiko für Knochenbrüche haben und besser geeignete Medikamente, allen voran Bisphosphonate wie Alendron- und Risedronsäure, nicht vertragen. Daneben können Hormonpräparate bei belastenden Wechseljahresbeschwerden zum Einsatz kommen. Die Mittel bessern bei 75 von 100 Frauen die körperlichen Symptome wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche – zeigen aber laut bisherigen Studien keinen Einfluss auf psychische Wechseljahresbeschwerden oder das sexuelle Befinden.
Einsatz bei Wechseljahren möglichst kurz
Wichtig: Vor jeder Behandlung sollte der Arzt mit seiner Patientin eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen. Wenn er Hormonpräparate verordnet, sollte er die Dosis möglichst niedrig wählen und die Therapiedauer begrenzen. Als angemessen gelten ein bis zwei Jahre – mehr als fünf Jahre sollten es möglichst nicht sein. Es ist also von Zeit zu Zeit sinnvoll, das Mittel nach ärztlicher Rücksprache schrittweise abzusetzen, um zu prüfen, ob noch Beschwerden bestehen. Auch die längsten Wechseljahre dauern nicht ewig.
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