
Versicherungsvermittler müssen Kunden schriftlich über alle Risiken und Nachteile informieren, wenn sie die vorzeitige Kündigung von Kapitallebensversicherungsverträgen und den Abschluss eines neuen Vertrags empfehlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Vermittler die Beweislast für die korrekte Beratung trägt, wenn es an schriftlichen Hinweisen fehlt. Betroffene haben jetzt gute Chancen auf Schadenersatz. test.de erklärt die Rechtslage.
Provisionsritter im Einsatz
So lief das: Versicherungsvermittler wie die von der Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) boten an, bestehende Versicherungsverträge zu prüfen. Das Ergebnis einer solchen Beratung lautete oft: Der bestehende Lebensversicherungsvertrag sei ungünstig. Die Vermittler empfahlen zu kündigen und einen neuen Vertrag abzuschließen. Doch meist war das ein schlechter Rat: Kapitallebensversicherungsverträge bringen einen Großteil ihrer Rendite erst in den letzten Jahren der Laufzeit. Außerdem sind neue Verträgen wegen der gesunkenen Garantieverzinsung meist schlechter als alte. Der einzige, dem ein solcher Wechsel in der Regel nutzt, ist der Versicherungsvermittler. Er kassiert die Provision für den Abschluss des neuen Vertrags.
Beweis für Beratung
Im Fall, über den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, merkte der Kunde selbst, dass der DVAG-Vermittler ihn schlecht beraten hatte. Er widerrief den neuen Vertrag. Doch der alte war endgültig verloren; die Kündigung ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Der Kunde schaltete Rechtsanwalt Thomas Brett aus Kirchheim/Teck ein und forderte Schadenersatz. Das Landgericht Ulm und das Oberlandesgericht Stuttgart wiesen seine Klage ab. Doch der BGH hob das Berufungsurteil auf. Über wesentliche Punkte der Beratung müssen Versicherungsvermittler ihre Kunden schriftlich informieren, bevor diese bei ihnen neue Verträge abschließen, argumentierten die Bundesrichter. Wenn Vermittler das versäumen, müssen sie beweisen, dass sie Kunden zumindest mündlich korrekt und vollständig informiert haben. Das Oberlandesgericht Stuttgart muss den Fall jetzt unter Beachtung der Vorgaben des BGH neu aufrollen.
Chance auf Schadenersatz
Das BGH-Urteil verbessert die Chancen auf Schadenersatz erheblich, erklärt Rechtsanwalt Thomas Brett. Er kenne keinen Fall, in dem ein Versicherungsvermittler seine Kunden korrekt über alle wesentliche Risiken und Nachteile informiert habe, bevor er die vorzeitige Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags empfahl, berichtet der Rechtsanwalt. Wer sich ab 1.1.2012 von einem Versicherungsvermittler überreden ließ, eine Lebensversicherung vorzeitig zu kündigen, kann von diesem Schadenersatz fordern. Brett vermutet: Auch in älteren Fällen können Opfer von Versicherungsvermittlern noch Ersatzansprüche durchsetzen. Es spreche viel dafür, dass der Bundesgerichtshof – wie bei Forderungen auf Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren – die Klageerhebung bis zur Verkündung seiner aktuellen Entscheidung für unzumutbar halten und die Verjährung so verlängern wird.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2014
Aktenzeichen: III ZR 544/13
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Brett, Kirchheim/Teck
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Bestandteil der Best-Advice-Beratung sollte daher stets sein, den Kunden, wenn er grundsätzlich an der Auflösung seines Vertrages interessiert sein sollte, über geeignete Kündigungsalternativen zu informieren. Hier bieten sich zahlreiche Alternativen an, darunter der Verkauf auf dem Zweitmarkt, wo Ankaufsfirmen, wie Cash.Life oder Policen Direkt Kaufpreise über dem Rückkaufswert auszahlen und damit die zukünftige Wertentwicklung der Police bereits vorausnehmen. Entscheidend ist bei einem Verkauf auf dem Zweitmarkt vor allem, dass hier die Police in der Regel weitergeführt wird, was dem Versicherten auch nach Verkauf noch einen beitragsfreien Rest-Versicherungsschutz sichert. Über den Zweitmarkt hatte Finanztest bereits in der Ausgabe 4/2012 informiert: http://www.test.de/lv-zweitmarkt/