Eine Alternative zum iPad sollte es sein: Das WeTab, ein flacher Tablet-Computer aus deutschen Landen. Im März angekündigt, Ende September endlich ausgeliefert und Mitte Oktober immer noch nicht recht im Gang. Der Schnelltest zeigt: Im WeTab steckt der Wurm.
Wie eine unreife Frucht
Es ist kein Computervirus, der das WeTab behindert. Es ist die fehlende Reife. Software und Betriebssystem laufen nicht rund, das Gerät stürzt oft ab, und es gibt kaum echte Programme. 450 Euro kostet das WeTab in der günstigsten Version. Im Test: Das WeTab mit mobilem Internet, Satellitenortung und 32 GB Speicher, Preis: 570 Euro. Außer Surfen ist aber noch nicht viel drin. Der Tablet-Computer wirkt wie eine unreife Frucht. Eine Alternative zum Apfel sollte es werden. Stattdessen veräppelt WeTab seine Kunden. Doch beginnen wir von vorn.
Die Idee ist gut ...
Im März kündigte Neofonie, eine kleine Berliner IT-Firma, einen Tablet-Computer an. Das Konzept schien bestechend: Eine offene Alternative zu Apples iPad. Ein Tablet-Computer mit Standardanschlüssen: USB, HDMI und Kartenleser. Kein exotischer Dock-Port wie bei Apple. Ein Betriebssystem auf Linux-Basis. Offen für Erweiterungen und die Basis für freie Software. Die Fachwelt lobte: Die Idee ist gut. Die beiden Firmen Neofonie (Berlin) und 4tiitoo (München) gründeten für das Projekt die WeTab GmbH.
... aber das Gerät noch nicht soweit
Im April präsentierten die Macher den Prototyp des WeTab - damals noch WePad genannt. Der Name zielt auf Apple: Gegen das ichbezogene iPad sollte Wirgefühl stehen. Seltsam schon damals: Geschäftsführer Helmut Hoffer von Ankershoffen gab das Gerät nicht aus der Hand. Echtes Wirgefühl geht anders. Die Präsentation endete mit einer Täuschung: Auf dem WePad lief nur ein Video des neuen Betriebssystems WeTab OS, nicht das Betriebssystem selbst. Eine Windows-Fehlermeldung enttarnte den Schwindel.
Seit September im Beta-Test
Im Juli sollten die ersten Seriengeräte kommen. Dann im August. Schließlich wurde es September. Ende September. Die Stiftung Warentest kaufte das WeTabs ein. Inkognito versteht sich. Pressemuster oder Prototypen testet die Stiftung Warentest nicht. Eigentlich nicht. In diesem Fall fühlten sich die Tester allerdings wie Beta-Tester.
Start ohne Funktion
Das frisch gekaufte WeTab startet fast ohne Funktion: Webbrowser und Dateimanager, mehr gibt es nicht. Zunächst muss ein WLAN her - eine drahtlose Verbindung ins Internet. Dann folgt eine Registrierung mit vollständiger Adresse. Die Registrierung ist Pflicht. Anschließend zieht das WeTab automatisch Updates und Firmware aus dem Netz. Nach 20 bis 30 Minuten Ladezeit – je nach Internetverbindung – ist das WeTab dann einsatzbereit. Zur Grundausstattung gehören zunächst ein kleines E-Mail-Programm, eine Mediengalerie zum Abspielen von Musik und Video, Webradio, Fotoalbum, Kalender, Adressbuch, Spiele und ein eBook-Reader. Fehlt eines der Programme, lässt es sich aus dem WeTab Market laden. Seit Mitte Oktober installiert das WeTab automatisch Open Office.
Software enttäuscht
Klingt viel, bringt aber wenig. Bis auf den Webbrowser und Open Office machen die Programme keine gute Figur. Das E-Mail-Programm ist spartanisch und bietet null Komfort. Nicht zu vergleichen mit Thunderbird oder ähnlichen Programmen. Der eBook-Reader zeigt nur freie Inhalte, die nicht mit Rechtemanagment geschützt sind (DRM-frei). Als Muster gibt es ein einziges Dokument mit einer Seite! Auch die Mediengalerie bringt wenig: Das WeTab rechnet Fotos auf seine Bildschirmauflösung um. Dieses Resampling gerät zum Desaster. Die Software verfälscht die Farben und zeigt Schatten, wo keine hingehören. Obendrein dreht der Lüfter bei der rechenintensiven Arbeit auf, um den Prozessor zu kühlen. Das Geräusch nervt.
WeTab spielt leise
Beim Abspielen von Videos fehlt es dem WeTab dagegen an Power. Die Lautstärke ist gering. Das iPad ist lauter. Volle Lautstärke beim WeTab entspricht etwa 60 Prozent Lautstärke beim iPad. Obendrein klingen die beiden Lautsprecher des WeTabs höhenlastig und dünn.
Start ohne Multi-Touch
Ein Tablet-Computer lebt von der intuitiven Bedienung. Das Gerät reagiert auf Fingerzeig und Haltung. WeTab verspricht ein Produkt, das der Nutzer ohne jegliche Vorkenntnisse intuitiv bedienen kann. Dreht der Anwender das Gerät, wandert die Anzeige mit. Steht das Gerät im Hochformat, zeigt auch das Display das Hochformat. Ein Bewegungssensor machts möglich. Der funktioniert soweit. Doch intuitiv heißt mehr: Multi-Touch. Bilder mit den Fingern großziehen, zusammenschieben und Texte scrollen. Bis Mitte Oktober funktioniert Multi-Touch beim WeTab nicht recht. Trotz zahlreicher Updates.
WeTab stürzt ab
Ob Drehen oder Fingerspreizen: Immer wieder stürzt das WeTab dabei ab. Volle Multi-Touch-Funktion bringt erst das Update am 19. Oktober, Version 2.0. Endlich funktionieren die längst versprochenen Funktionen, die vorher fehlten oder hakelten. Ganz aus der Welt ist das Problem durch das Update aber noch nicht. Auch nach dem Update stürzte das WeTab bei der Multi-Touch-Bedienung vereinzelt noch ab.
Bildschirm enttäuscht
Ein Tablet-Computer ist Bildschirm pur. Ob Anzeige oder Steuerung: Alles läuft über den Bildschirm. Ausgerechnet hier enttäuscht das WeTab. Der Bildschirm spiegelt – im Sonnenlicht extrem. Der Blickwinkel ist miserabel. Nur wer frontal auf den Bildschirm schaut, bekommt ein ansehnliches Bild. Ein paar Grad von der Seite nur und das Bild wird stumpf. Die Farben verblassen. Buchstaben werden unlesbar. Selbst auf dem Schoß lässt sich die virtuelle Tastatur kaum sinnvoll bedienen. Sie ist aus diesem Blickwinkel schon schlecht zu erkennen. Auch liegend auf dem Schreibtisch wird das Bild nicht besser. Wer das WeTab stattdessen in der Hand hält, trägt rund ein Kilo. Zum Tippen bleibt dann nur die zweite Hand. Unpraktisch, nervig, ermüdend.
Akku enttäuscht
Ein Tablet-Computer soll frei und unabhängig machen. Surfen vom Sofa, Video im Zug und mailen aus dem Café. Das macht der Akku des WeTabs nicht lange mit. Beim Surfen hält er gerade dreieinhalb Stunden. Videos spielt das WeTab nur für zwei bis drei Stunden, dann ist der Akku leer. Apples iPad unterhält auch auf längeren Reisen: Bis zu 10 Stunden Video oder Surfen sind drin.
App-Store enttäuscht
Software fürs WeTab gibt es – wie beim iPad – über den Store. Der heißt beim WeTab Market. Während der App-Store von Apple über tausend Apps für das iPad listet, sind es im WeTab Market keine 80. Am 20. Oktober 2010 listet der Store von WeTab gerade 31 Apps, 13 Mini-Apps und 32 Bookmarks (Links auf Webapplikationen). Die versprochene Anbindung an den Android-Store (Google) fehlt. Ein Bezahlsystem gibt es im WeTab-Store noch nicht. Kein Anreiz für Programmierer von neuen Programmen.
Falsches Zeugnis
Fazit: Das WeTab ist keine Alternative zu Apples iPad. Die Hardware überzeugt nicht. Die Software ist unfertig. Die Programmierer von WeTab sind nicht zu beneiden. Sie haben viel Arbeit, wenn sie dieses Projekt noch richten wollen. Ihr Geschäftsführer, Helmut Hoffer von Ankershoffen, hat sie inzwischen verlassen. Er veräppelte einmal zuviel: "Das WeTab ist nicht gut, sondern sehr, sehr gut" lautete sein Kommentar im Onlineshop von Amazon. Leider benutzte Hoffer von Ankershoffen dabei den Namen Peter Glaser und nicht seinen eigenen. Ein Verstoß gegen das achte Gebot: "Du sollst kein falsches Zeugnis geben". Das war seiner Firma zu heftig: Hoffer von Ankershoffen musste gehen.
Testkommentar: Nicht ausgereift
Tabelle: WeTab - im Vergleich zu iPad und Netbook