
Privatgespräche. Plaudereien unter Kollegen zählen streng genommen nicht zur Arbeitszeit. © Stiftung Warentest / Lia Kurowski
Bezahlt wird, wer für seinen Arbeitgeber tätig ist. Kleine Ausflüge ins Private sind während der Arbeitszeit aber erlaubt – auch im Homeoffice.
Mal eben die Waschmaschine anstellen oder ein paar gymnastische Übungen am Bildschirm machen, um am heimischen Schreibtisch beweglich zu bleiben? Im Homeoffice ergeben sich neue Möglichkeiten, ein bisschen Arbeitszeit zu vertrödeln. Dafür fallen oft die Plauderei mit Kollegen und die gemeinsame Zigarettenpause weg. Doch was zählt zur Arbeitszeit und wird vergütet – und was müssen Arbeitnehmer streng genommen nacharbeiten? Wir erklären, was zu Hause und am Arbeitsplatz gilt.
Privatgespräche: Plaudern fürs Betriebsklima
Ob im Büro oder per Video-Chat: Genau genommen zählen private Gespräche unter Kollegen nicht zur Arbeitszeit. Gibt es hierzu keine Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer anderen betrieblichen Vereinbarung, müssen Mitarbeitende davon ausgehen, dass privates Plaudern generell verboten ist. Dennoch akzeptieren Vorgesetzte Small Talks unter Kollegen in der Regel. Denn wenn sich Mitarbeitende nicht nur beruflich austauschen, trägt das oft zu einem guten Betriebsklima bei. In einer gesetzlich vorgeschriebenen Pause über Privates zu sprechen, ist ohnehin erlaubt. Außerhalb dieser Pausen dürfen die Gespräche nicht ausufern, damit die Arbeit nicht darunter leidet.
Privatgespräche müssen kurz gehalten werden
Private Gespräche ergeben sich aber nicht nur unter Kollegen. Was, wenn im Homeoffice das Kind mit einer dringenden Frage im Türrahmen steht oder eine Mitarbeiterin einen Arzttermin vereinbaren muss? Auch solche Privatgespräche sind in Ordnung, wenn sie kurz gehalten werden. Dasselbe gilt für unaufschiebbare Kommunikation per Messenger-App, SMS oder E-Mail.
Ist privates Plaudern Arbeitszeitbetrug?
Wer aber unerlaubt privat plaudert und den Zeitraum später als Arbeitszeit angibt, begeht streng genommen Arbeitszeitbetrug, für den sie oder er eine Abmahnung und sogar eine fristlose Kündigung erhalten kann. Etwas anderes kann gelten, wenn auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen privat kommunizieren – untereinander oder mit anderen. Wenn der Arbeitgeber davon weiß, aber nicht dagegen vorgeht, kann das Verhalten zur „betrieblichen Übung“ werden: Indem der Arbeitgeber nicht eingreift, gestattet er private Telefonate, E-Mails und Co. Dazu müssen etwa zwei bis drei Jahre vergangen sein, in denen die Chefetage das Verhalten duldet. Dann drohen Mitarbeitenden keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie während der Arbeitszeit privat plaudern.
Tipp: Ob und wie Chefs ihre Mitarbeiter überwachen dürfen, lesen Sie in unserem Special Überwachung am Arbeitsplatz.
Der Arztbesuch: Termin in Sachen Gesundheit
Angaben dazu, ob Arztbesuche zur bezahlten Arbeitszeit zählen oder nicht, finden Beschäftigte in ihrem Arbeits- oder dem Tarifvertrag. Ist dort nichts geregelt, gilt das Gesetz: Arztbesuche sollen in der Freizeit stattfinden. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme. Ist der Arztbesuch dringend, mit den Worten des Bundesarbeitsgerichts „notwendig“, werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt freigestellt. Das gilt für drei Fallgruppen: medizinische, zeitliche und terminliche Notwendigkeit.
Wann Arztbesuche als notwendig gelten
Akute gesundheitliche Probleme wie ein Unfall oder ein schmerzender Blinddarm machen einen Arztbesuch medizinisch notwendig. Untersuchungen, die zu bestimmten Uhrzeiten stattfinden müssen – etwa eine Blutabnahme auf nüchternen Magen –, sind zeitlich notwendig. Von terminlicher Notwendigkeit ist die Rede, wenn die Arztpraxis keine Termine außerhalb der Arbeitszeiten anbietet. Mitarbeitende müssen sich aber darum bemühen, einen Termin außerhalb oder am Rande der Arbeitszeiten zu finden. Damit der Gang zum Arzt vergütet wird, müssen sie ihn nachweisen können.
Das gilt für Mitarbeitende in Teilzeit und Gleitzeit
Mitarbeitende in Teilzeit haben es schwerer, für Arzttermine bezahlt freigestellt zu werden. Denn sie können leichter Termine finden, die außerhalb der Arbeitszeit liegen. Ähnliches gilt für Menschen, die in Gleitzeit arbeiten: Wer seine Arbeitszeit flexibel gestalten darf, muss diese Freiräume auch für Arztbesuche nutzen und früher mit der Arbeit beginnen oder die Zeit nacharbeiten.
Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere
Schwangere haben einen Anspruch darauf, für notwendige Vorsorgeuntersuchungen bezahlt freigestellt zu werden. Doch auch für sie gilt: Können sie die Termine in ihrer Freizeit wahrnehmen, sind sie dazu angehalten.
Tipp: Wird Ihr Kind krank, dürfen Sie zur Betreuung zu Hause bleiben. Lesen Sie in unserem Special Sonderurlaub, wann Ihnen außerdem freie Tage zustehen.
Kleiderwechsel: Rein in die Berufsbekleidung
Läuft die Arbeitszeit schon, wenn jemand Overall oder Kittel überstreift? Das tut sie, wenn Mitarbeitende verpflichtet sind, im Unternehmen Schutz- oder Dienstkleidung zu tragen und diese erst am Arbeitsplatz anziehen dürfen. Das Umziehen vor Ort wird dann vergütet. Gibt es Umkleideräume, gehören auch der Weg dorthin und zurück zur bezahlten Arbeitszeit (Bundesarbeitsgericht, Az. 5 AZR 678/11). Das Umziehen am Arbeitsplatz gehört ebenfalls zur Arbeitszeit, wenn die Kleidung zwar mit nach Hause genommen werden darf, aber besonders auffällig ist und der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran hat, sie nicht schon auf dem Arbeitsweg zu tragen (Bundesarbeitsgericht, Az. 1 ABR 76/13).
Nicht jeder Kleiderwechsel gehört zur Arbeitszeit
Zieht sich ein Mitarbeiter zu Hause um, obwohl er das auch am Arbeitsplatz könnte, gilt das Umkleiden nicht als Arbeitszeit. Und wer freiwillig Dienstkleidung trägt und sie erst im Betrieb anlegt, bekommt den Kleiderwechsel ebenso wenig vergütet (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az. 3 Sa 499/16). Wenn es nicht um vorgeschriebene Kleidung geht, ist das Umziehen im Unternehmen keine bezahlte Arbeitszeit. Ein Beispiel: Jemand kommt in Sportkleidung ins Büro geradelt und zieht sich dort frische Sachen an.
Tipp: Ob auch das Duschen im Betrieb von der Arbeitszeit umfasst ist, lesen Sie in unserem Special Arbeitsrecht.
Die Mittagspause: Zur Halbzeit Energie tanken
Die Mittagspause gehört nicht zur bezahlten Arbeitszeit. Aber sie ist im Arbeitszeitgesetz vorgesehen, sofern Mitarbeitende mehr als sechs Stunden arbeiten. Die Pause muss dann mindestens 30 Minuten lang sein. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden erhöht sich die Pausenzeit auf 45 Minuten. Mitarbeitende können sich ihre Pause auch aufteilen: in Blöcke von mindestens 15 Minuten. Die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Regelungen sind Mindestanforderungen. Arbeitgeber können Pausenzeiten noch genauer bestimmen, etwa im Arbeitsvertrag.
Pausen sind Pflicht
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nicht nur einen Anspruch auf Pause, sondern auch die Pflicht, sie zu nehmen. Niemand darf ohne Pause durcharbeiten, um nachmittags früher in den Feierabend zu starten.
Bezahlte Pausen bei bestimmten Arbeiten
Für bestimmte Arbeiten – Nacht-, Schicht- und Fließbandarbeiten zum Beispiel – gibt es zusätzlich zu den beschriebenen Pausen noch Kurzpausen. Sie gelten als zu vergütende Arbeit, müssen mindestens fünf Minuten lang sein und dürfen nicht zu einer längeren Pause zusammengezogen werden. Die Kurzpausen sollen dabei helfen, Unfälle und Gefahren zu verhindern. Darüber hinaus gibt es bezahlte Pausen nur in bestimmten Bereichen, zum Beispiel im Bergbau, oder wenn dies arbeits- oder tarifvertraglich vereinbart ist.
Der Bereitschaftsdienst: Immer auf Abruf
Beim Bereitschaftsdienst hält sich der Arbeitnehmer an einer vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Stelle innerhalb oder auch außerhalb des Betriebes auf. Falls die Arbeit ruft, ist er jederzeit voll einsatzbereit. Bereitschaftsdienste sind zum Beispiel in Krankenhäusern notwendig, bei der Feuerwehr, Polizei, Justiz, bei Energieversorgern, der Eisenbahn und Bestattern. Bereitschaftsdienst ist vergütete Arbeitszeit. In Tarifverträgen oder Dienstvereinbarungen sind hierfür oft Pauschalen festgelegt.
Wann Rufbereitschaft vergütet wird
Vom Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden. Mitarbeitende müssen während ihrer Freizeit auf Abruf bereitstehen. Wo sie sich aufhalten, können sie – im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst – selbst bestimmen. Oft müssen sie aber dafür sorgen, dass sie im Notfall schnell am Arbeitsplatz eintreffen können. Wenn der Mitarbeitende seine Zeit deshalb nicht frei gestalten kann, zählt auch Rufbereitschaft zur Arbeitszeit (Europäischer Gerichtshof, Az. C-580/19).
Ansonsten gilt: Solange sich niemand meldet, wird die Rufbereitschaft in der Regel nicht vergütet. Erreicht den Mitarbeiter ein Anruf oder muss er E-Mails beantworten oder verschicken, ist das hingegen Arbeitszeit. Manche Arbeitgeber sehen für Rufbereitschaft Freizeitausgleich oder Pauschalen vor.
Bürogymnastik: Fit im Job
Im Internet wimmelt es nur so von Videos und Anleitungen mit Übungen, die Rücken, Nacken und Augen guttun. Bei dem Nutzen, den sie versprechen, könnten Mitarbeitende fast meinen, das Sporteln gehört zur Arbeitszeit. So ist es aber nicht, die Zeit für Kräftigungs- und Dehnübungen muss streng genommen nachgearbeitet werden – es sei denn, der Arbeitsvertrag oder eine betriebliche Vereinbarung erlauben Fitnessübungen ausdrücklich.
Gegen ein kurzes Dehnen und Strecken am Bildschirm oder ein paar Übungen für die Augen wird aber kaum eine Arbeitgeberin etwas sagen. Das gilt auch für die Arbeit im Homeoffice. Schließlich dienen die Übungen dazu, die Arbeitskraft zu erhalten. Es sollte nur eben kein ausgedehntes Work-out daraus werden.
Bildschirmarbeit regelmäßig unterbrechen
Kurze Bildschirmpausen sind übrigens nicht nur erlaubt, sondern bei Arbeiten, die ununterbrochen am Bildschirm stattfinden, sogar gesetzlich vorgeschrieben. Damit sind aber keine Sporteinheiten gemeint, sondern andere berufliche Tätigkeiten wie der Gang zum Drucker, Aktenablage oder berufliche Telefonate. Diese sollen die Bildschirmarbeit regelmäßig unterbrechen.
Die Dienstreise: Unterwegs für den Arbeitgeber
Viele Arbeitgeber haben für Arbeitszeit und Überstunden auf Dienstreisen eigene Regeln. Der Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag beantwortet also oft die Frage, ob die Dienstreise vollumfänglich als Arbeitszeit vergütet wird oder nicht. Das Gesetz macht hierzu wenig Angaben. Reisezeit ist jedenfalls dann Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer während Fahrt oder Flug dienstlich beschäftigt ist: zum Beispiel mit Vor- oder Nachbereitungen einer Sitzung oder mit Besprechungen mit der Chefin oder einem Kollegen. Zur Arbeitszeit zählt es auch, wenn jemand auf Anordnung des Chefs das Auto selbst zum auswärtigen Termin lenkt – obwohl er oder sie in dieser Zeit nicht arbeiten kann.
Bestimmte Berufsgruppen im Vorteil
Für Beschäftigte in bestimmten Berufsgruppen kann Reisezeit auch dann vergütungspflichtig sein, wenn sie währenddessen nicht dienstlich beschäftigt sind. Das gilt zum Beispiel für Vertreter und Reiseleiter. Vor Ort gilt die normale Arbeitszeit, Überstunden werden in der Regel angerechnet.
Der Gang zur Toilette: Ein unaufschiebbares Bedürfnis
Niemand muss sich für den Gang zur Toilette ausstempeln. Er zählt zur vertraglich geschuldeten Arbeitszeit und gilt als kurzfristige Unterbrechung der Arbeit, nicht als Arbeitspause – ähnlich wie der Gang in die Büroküche, um schnell etwas zu trinken zu holen. Solche kurzen Unterbrechungen dürfen nicht durch Betriebsvereinbarungen oder andere vertragliche Regelungen ausgeschlossen oder von vorneherein auf eine maximale Dauer oder Häufigkeit beschränkt werden. Hierdurch würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt.
Kontrolle durch Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen
Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber auch nicht kontrollieren, wie oft und wie lange ihre Mitarbeiter die Toilette aufsuchen. Solche Maßnahmen verstoßen ebenso wie vertragliche Vorgaben gegen das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter. Extrem häufige oder lange Toilettengänge, die nicht etwa krankheitsbedingt sind, können beim Arbeitgeber jedoch den Verdacht begründen, dass sich der Mitarbeiter nicht korrekt verhält: beispielsweise privat telefoniert, E-Mails auf dem Smartphone checkt oder Smartphone-Spiele spielt. Das ist nicht erlaubt und kann als Arbeitsverweigerung gelten. Besteht ein Missbrauchsverdacht, dürfen Chefinnen und Chefs Nachforschungen anstellen, um den Missbrauch zu beweisen. Allerdings nicht mit einer geheimen Überwachung der Toilette! Das gilt als schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters und ist verboten.
So absurd es klingt: Möglich wäre es, ein Protokoll über die Toilettenzeiten zu führen, was in der Praxis auch schon vorgekommen ist. Das Arbeitsgericht Köln hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Mitarbeiter über einen Zeitraum von 19 Tagen insgesamt 384 Minuten auf der Toilette verbracht hat. Nach Ansicht des Gerichts durfte der Lohn jedoch nicht gekürzt werden (Az. 6 Ca 3846/09).
Außendienst und Dienstgang: Wege zu Kunden und Terminen
Wegezeit gleich Arbeitszeit? Das hängt für Beschäftige im Außendienst von verschiedenen Faktoren ab. Wer morgens regelmäßig von seinem Wohnort zum ersten Kunden fährt, arbeitet bereits bei Beginn der Fahrt und bekommt die Dauer als Arbeitszeit vergütet. Dasselbe gilt für alle, die keinen festen Arbeitsort haben. Fahrten, die diese zwischen ihrem Zuhause und dem ersten und dem letzten Einsatzort des Tages zurücklegen, zählen zur Arbeitszeit (Europäischer Gerichtshof, Az. C-266/14). Wer einen Arbeitsplatz beim Unternehmen hat und nur gelegentlich Kunden auswärts betreut, kann nur einen Teil der Fahrt als Arbeitszeit deklarieren, wenn er oder sie ausnahmsweise von zu Hause aus zum ersten Kunden startet – nämlich den, der über die Fahrtzeit zum Arbeitsplatz hinausgeht.
Sind Dienstgänge Privatvergnügen?
Dienstgänge sind kurze Wege, die Mitarbeitende im Rahmen der Arbeit wahrnehmen. Sie zählen grundsätzlich nicht zur bezahlten Arbeitszeit, Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die Zigarettenpause: Ein Zug zur Entspannung
Dürfen Mitarbeiter eine Raucherpause machen und gehört diese zur Arbeitszeit?Einen rechtlichen Anspruch darauf, eine Zigarettenlänge zu pausieren, gibt es nicht. Die Firma entscheidet, ob die Pause erlaubt ist – allein oder mit dem Betriebsrat. Sieht der Arbeitsvertrag oder die Betriebsvereinbarung keine Raucherpausen vor, hat der Arbeitgeber sie aber bisher toleriert, ergibt sich auch daraus kein Rechtsanspruch für Mitarbeitende. Beschließt der Arbeitgeber von heute auf morgen einen anderen Umgang mit Zigarettenpausen, müssen sich alle daran halten.
Raucherpausen werden meist nicht vergütet
Wenn Raucherpausen erlaubt sind, gehören sie normalerweise nicht zur Arbeits-, sondern zur Freizeit. Mitarbeitende müssen die Zeit streng genommen nacharbeiten. Es kann aber auch sein, dass der Arbeitgeber etwas anderes geregelt hat und Raucherpausen als Arbeitszeit wertet – oder aber einfach ein Auge zudrückt.
Tipp: Sie wollen wissen, was am Arbeitsplatz erlaubt ist und was nicht? Ob Sie am Bildschirm essen, Musik hören und im Internet surfen dürfen, lesen Sie in unserem Special Arbeitsrecht.
Was im Homeoffice gilt

Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sabine Reichert-Hafemeister ist in Berlin tätig. © privat
Die Arbeit im Homeoffice stellt Mitarbeitende vor besondere Herausforderungen. Sabine Reichert-Hafemeister ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin. Sie erklärt, welche Tücken es gibt – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Arbeitszeit im Homeoffice
Wer im Homeoffice nicht jederzeit erreichbar ist, bekommt schnell ein schlechtes Gewissen – zu Recht?
Ich denke, das ist das größte Problem bei der Arbeit zu Hause: das Gefühl ständig erreichbar sein zu müssen. Für viele Arbeitnehmer ist das eine echte Belastung, insbesondere, wenn für das Homeoffice keine festen Arbeitszeiten, sondern Vertrauensarbeitszeit vereinbart wurde. Dabei gilt im Homeoffice ebenso wie am „richtigen“ Arbeitsplatz das Arbeitszeitgesetz.
Was heißt das? Was ist darin geregelt?
Die werktägliche Höchstarbeitszeit beträgt acht Stunden. Sie darf zwar auf zehn Stunden pro Arbeitstag erhöht werden, das aber nur, wenn sich diese Differenz bezogen auf einen Zeitraum von sechs Monaten auf durchschnittlich acht Stunden pro Arbeitstag einpendelt. Auch Pausenzeiten müssen im Homeoffice eingehalten werden und zwischen den Arbeitstagen muss eine Ruhezeit von elf Stunden liegen. Wenn der Chef um 22 Uhr noch anruft, darf der nächste Arbeitstag erst um 9 Uhr beginnen, es sei denn, es war ein ganz kurzes Telefonat.
Was im Homeoffice erlaubt ist – und was verboten
Den Bildschirm kurz zu verlassen, ist doch erlaubt, oder? Im Büro sind Arbeitnehmer schließlich auch nicht die ganze Zeit an ihrem Platz…
Es kommt darauf an, wohin sie gehen. Der Gang zur Toilette oder in die Küche, um kurz etwas zu trinken zu holen, ist natürlich erlaubt – ebenso wie im Büro.
Und sonst? Darf jemand im Homeoffice mal eben die Waschmaschine anstellen oder muss er das streng genommen später nacharbeiten?
Das müssen Arbeitnehmer nacharbeiten. Wenn der Arbeitsvertrag vorsieht, dass jemand am Tag zum Beispiel 7,5 Stunden arbeitet, dann ist er auch dazu verpflichtet, diese 7,5 Stunden abzuleisten. Alles, was nicht zur Arbeit gehört, ist eben auch keine Arbeitszeit. Im Büro kann ja auch niemand seine Waschmaschine anstellen.
Gehört es zur Arbeitszeit, wenn Kollegen per Videochat oder Telefon auch mal privat plaudern?
Grundsätzlich nein. Aber manchmal lässt es sich nicht immer ganz scharf trennen: Was ist ein berufliches Gespräch, wo wird es privat? Gespräche unter Kollegen, die sich nicht nur auf die Arbeit beziehen, tragen ja oft auch zu einem guten Betriebsklima bei. Manchmal eignet sich zum Beispiel ein kurzer Small Talk um den Weg für ein ernsteres berufliches, also sachbezogenes Gespräch zu ebnen. Entscheidend ist aus meiner Sicht: Private Gespräche dürfen – genauso wie am Arbeitsplatz im Büro – definitiv nicht ausufern und zulasten der zu erledigenden Arbeit gehen. Ein kurzer privater Plausch mit den Kollegen dürfte somit erlaubt sein.
Was droht Arbeitnehmern, wenn sie „unerlaubte“ Pausen als Arbeitszeit deklarieren, etwa während der Arbeitszeit Computer spielen?
Das ist Arbeitszeitbetrug und eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Je nach Einzelfall riskieren Arbeitnehmer auch ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden. Allerdings dürfte es für Arbeitgeber schwierig sein, dem Arbeitnehmer einen solchen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen.
Umgang mit ungewollten Pausen
Was ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht entsprechend seiner Arbeitszeit beschäftigen kann, er weniger zu tun hat und ihm „ungewollt“ Pausen entstehen?
Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit entsprechend beschäftigt zu werden. Wenn jemand nichts zu tun hat, weil er mit seiner Arbeit fertig ist, darf er aber nicht einfach den Rechner herunterfahren. Gerade im Homeoffice ist es für Arbeitgeber schwer zu kontrollieren, woran jemand arbeitet, wann er eine Aufgabe fertiggestellt hat und ob er die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit abgearbeitet hat. Wer nichts mehr zu tun hat, muss seinem Arbeitgeber seine Arbeitskraft anbieten, ihm zum Beispiel eine E-Mail schreiben, um das später dokumentieren zu können. Der Arbeitnehmer ist dann auf der sicheren Seite, kann sich mit etwas anderem beschäftigen und wird dennoch vergütet.
Zeiterfassung und Überstunden im Homeoffice
Wie muss im Homeoffice die Arbeitszeit erfasst werden?
Es gelten die gleichen Regeln wie am „richtigen“ Arbeitsplatz: Arbeitgeber sind verpflichtet, Überstunden zu erfassen. Das ist im Arbeitszeitgesetz geregelt. Diese Aufgabe können sie jedoch auf die Arbeitnehmer delegieren. Was die „normale“ Arbeitszeit angeht, so gelten seit dem 13. September 2022 neue Regeln. Das Bundesarbeitsgericht entschied nämlich am 13. September 2022, dass für Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz die Pflicht besteht, die „normale“ Arbeitszeit ebenfalls zu erfassen. Wie das genau von den Arbeitgebern umzusetzen ist, wird das Bundesarbeitsgericht möglicherweise in den Entscheidungsgründen darstellen. Derzeit liegt nur die Pressemitteilung vor. Bis dahin gilt: Wie die Arbeitszeit erfasst werden soll, müssen Arbeitgeber vorgeben, also zum Beispiel elektronisch, und die Möglichkeiten dafür einräumen.
Wie wird mit Überstunden umgegangen?
Auch hier gelten die gleichen Regeln wie am „richtigen“ Arbeitsplatz: Nur wenn es im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt ist, muss der Arbeitnehmer Überstunden machen. Der Vertrag enthält oft auch Regelungen dazu, wie diese abgegolten werden. Entweder werden Überstunden in Freizeit ausgeglichen oder ausbezahlt. Arbeitnehmer haben grundsätzlich aber selbst dann einen Anspruch, dass die Überstunden bezahlt werden, wenn es im Arbeitsvertrag keine Regelungen hierzu gibt.
Wie können Arbeitnehmer anzeigen, dass sie Überstunden gemacht haben?
Der Arbeitnehmer muss nachweisen können, dass er Überstunden geleistet hat, zum Beispiel mithilfe von elektronischer Zeiterfassung oder per handschriftlicher Notiz. Wer Überstunden macht, sollte dokumentieren, was er genau gearbeitet hat, wann er gearbeitet hat und wer die Überstunden angeordnet oder geduldet hat.
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