
Extra-Wärmelieferungsverträge können Wohnungskäufer und Mieter teuer zu stehen kommen – sogar wenn sie nicht unterschrieben sind. Das hat der Bundesgerichtshof zum so genannten „Contracting“ entschieden. test.de erklärt die Hintergründe und gibt Tipps.
Sondervertrag über Wärmelieferung
Da müssen Mieter und Wohnungskäufer hellhörig werden: Wenn im Miet- oder Kaufvertrag eine Verpflichtung zum Abschluss eines Wärmelieferungsvertrags mit einem bestimmten Anbieter steht, drohen hohe Kosten. Zahlen müssen die Bewohner sogar dann, wenn sie den Wärmelieferungsvertrag gar nicht unterschreiben. Sobald sie heizen, gelten laut Verordnung über Fernwärmeverträge: Fällig sind die Preise, wie sie auch die Nachbarn für die Heizung vergleichbarer Wohnungen zahlen.
Widerstand durch alle Instanzen
Von Anfang an lag der Käufer einer Wohnung im von der Gagfah gebauten Neuen Schweizer Viertel in Berlin mit verschiedenen Tochterunternehmen im Clinch. Er sollte einen separaten Vertrag über die Wärmelieferung mit einem anderen Gagfah-Tochterunternehmen unterzeichnen. „Contracting“ nennt das die Immobilienbranche. Doch er verweigerte die Unterschrift. Dennoch präsentierte das Unternehmen im eine stolze Rechnung: Insgesamt fast 7 000 Euro sollte er am Ende für drei Jahre zahlen, obwohl er eine nach damaligen Maßstäben gut gedämmte Neubauwohnung gekauft hatte.
Gleicher Preis für alle Nachbarn
Als sich der Wohnungskäufer weigerte zu zahlen, zog die Gagfah vor Gericht. Durch alle Instanzen hindurch versuchte der Wohnungseigentümer die Rechnung zu drücken. Doch ohne Erfolg: Er muss die gleichen Preise zahlen wie seine Nachbarn. Möglich macht das die „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“, kurz: AVBFernwärmeV. Ein Vertrag kommt auch zustande, wenn Kunden zwar nicht unterschreiben, aber Wärme entnehmen, heißt es dort. „Die Versorgung erfolgt zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen“, so die Verordnung wörtlich.
Keine Billigkeitskontrolle
Der Wohnungseigentümer hatte sich bis zuletzt gesträubt. Die für die Wärmelieferung zuständige Gagfah-Tochter diktiere allen Betroffenen einseitig überhöhte Preise, hatte er argumentiert. Doch ohne Erfolg. Auch wenn sich sowohl Mieter als auch Wohnungskäufer bei Vertragsschluss verpflichten müssten, einen Extra-Vertrag über die Wärmelieferung abzuschließen, beruhten die Preise letztlich auf einer Vereinbarung und nicht dem Missbrauch einer Monopolstellung, argumentierten die Richter am Bundesgerichtshof. Für eine Billigkeitskontrolle der Preise ist nur Raum, wenn das Unternehmen das Recht zu Preiserhöhungen habe. Doch bei Fernwärmeverträgen ist der Preis in der Regel fest vereinbart. Er errechnet sich ausgehend vom Startpreis anhand einer ziemlich komplizierten Formel unter Berücksichtigung der Öl- und Gaspreise, eines Lohnkostenindex und oft noch weiterer Faktoren.
Wenig Verbraucherschutz
Der Berliner Mieterverein hatte schon vor Jahren schlechte Erfahrungen im Streit um die teure Gagfah-Wärme im Neuen Schweizer Viertel gesammelt. „Die Streitigkeiten sind damals komplett verloren gegangen“, erinnert sich Geschäftsführer Reiner Wild. Mieter müssten sich genauso wie Wohnungskäufer klarmachen: Das Mietrecht und die Regeln für die Nebenkostenabrechnung gelten für die extra vereinbarte Wärmelieferung gar nicht, und die Regeln über Fernwärmeversorgung sind wenig verbraucherfreundlich.
Abzug wegen falsch montierter Zähler
Immerhin einen kleinen Erfolg konnte der Käufer in seinem Prozessmarathon gegen die Gagfah noch verbuchen. Im Laufe der Auseinandersetzung stellte sich heraus, dass die Wärmemengenzähler verkehrt herum eingebaut waren und deshalb nicht richtig funktionierten. Die Gagfah musste neu abrechnen, die Kosten für die Wärme nach Wohnfläche verteilen und alle Beträge um 15 Prozent reduzieren. So sieht es die Heizkostenverordnung vor, wenn nicht nach Verbrauch abgerechnet werden kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2012
Aktenzeichen: VIII ZR 292/11
-
- Eine Betriebskostenabrechnung kann an vielen Stellen falsch sein. Wie Mieter die Abrechnung prüfen und wann sie sich gegen Nachzahlungen wehren können – mit Musterbrief.
-
- Was darf im Mietvertrag stehen? Welche Rechte und Pflichten haben Mieter und Vermieter? Sind Haustiere erlaubt? Was gilt bei Kaution und Kündigung? Wir liefern Antworten.
-
- Die Wohnfläche beeinflusst den Umfang einer Mieterhöhung und die Höhe der Betriebskosten. Nachmessen lohnt! Ist die Wohnung kleiner als vereinbart, kann die Miete sinken.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.