
Kein anderes Land kommt so häufig in europäischen Nachrichtensendungen vor wie Belgien. Als Sitz von EU-Verwaltung und NATO ist Brüssel seit jeher von internationaler Bedeutung. Auch die Fußballnationalmannschaft genießt wieder Weltrang. Als Geheimfavorit wurden die „Roten Teufel“ im Vorfeld der WM-Endrunde gar gehandelt. Ökonomisch ist das Land ebenfalls gut vernetzt auf dem Globus. test.de zeigt jeden Tag einen WM-Teilnehmer von seiner wirtschaftlichen Seite.
Belgien in Zahlen*
- Einwohner: 10,4 Millionen
- Hauptstadt: Brüssel
- Währung: Euro
Euroländer sind Haupthandelspartner
Was die Wirtschaftsleistung je Einwohner betrifft, spielt Belgien ungefähr in einer Liga mit seinen großen Nachbarn Deutschland und Frankreich. Die Niederlande sind ein bisschen besser. Mit diesen dreien sind gleich auch die wichtigsten Handelspartner genannt. Drei Viertel der belgischen Exporte gehen in die EU. Treibende Kraft der belgischen Wirtschaft ist der Dienstleistungssektor, die Industrie hat am Bruttoinlandsprodukt (BIP) einen Anteil von ungefähr 25 Prozent, die Landwirtschaft spielt so gut wie keine Rolle mehr. Nach Angaben der EU-Statistik-Behörde Eurostat ist das BIP im vergangenen Jahr leicht um 0,2 Prozent gewachsen.
Finanzkrise macht Sparanstrengung zunichte
Belgiens Schulden sind so hoch wie die Wirtschaftsleistung eines Jahres. Im Vergleich der Euroländer liegen die Belgier damit im unteren Drittel. Einen Großteil seiner hohen Schulden hat Belgien in den 1970er Jahren infolge der Stahlkrise aufgehäuft. In den 90er Jahren begann dann die Konsolidierung: Bis ungefähr 2007 hatten die Belgier den Berg von mehr als 130 Prozent des BIP bis auf fast 80 Prozent des BIP abgetragen. Dann schlug die Finanzkrise zu. Die belgisch-französische Bank Dexia musste verstaatlicht, die KBC Bank ebenfalls mit Milliarden unterstützt werden. Auch die belgisch-niederländische Fortis-Gruppe brauchte Milliardenhilfen und ist inzwischen aufgespalten worden. Bald überschritten im belgischen Staatshaushalt die Schulden wieder die 100-Prozent-Marke. Von der Rating-Agentur Standard & Poor’s wird Belgien derzeit mit AA bewertet – nach AAA die zweitbeste Note.
Exportschlager Bier
Die belgische Börse hat sich von der Krise noch nicht wieder erholt. Der Leitindex Bel 20 lag zuletzt bei rund 3 200 Punkten, das ist deutlich unter dem Höchststand von 4 750 Punkten aus dem Jahr 2007. Einen börsengehandelten Indexfonds (ETF) auf den belgischen Index Bel 20 gibt es hierzulande nicht. Anleger, die sich für den belgischen Markt interessieren, können gemanagte Fonds kaufen – beispielsweise von Candriam (ehemals Dexia), KBC, und Petercam. Wer ganz eigene Akzente setzen will, kann es auch mit einzelnen Aktien versuchen – was allerdings riskant ist und gute Marktkenntnisse voraussetzt. Die meisten der im Bel 20 gelisteten Unternehmen dürften nur Profis geläufig sein. Einem breiteren Publikum bekannt ist wohl Anheuser-Busch InBev, der weltgrößte Brauerei-Konzern. Deren Marken – Stella Artois, Budweiser, Beck’s – sind nicht nur Biertrinkern ein Begriff. Letztere bevorzugen allerdings oft konzernunabhängige einheimische Spezialbiere wie Gueuze oder Lambic.
Bei den Comics sind sie Spitze...
Ein ganz anderer belgischer Exportschlager sind die Abenteuer von Tim und Struppi, gezeichnet von Hergé, an denen sich Groß und Klein weltweit erfreuen. Auch Lucky Luke, der arme einsame Cowboy brachte seinem Erfinder Morris internationalen Erfolg. Gaston (André Franquin) kommt gleichfalls aus Belgien, ebenso wie die blauen Schlümpfe (Peyo). Klingt fast, als wären die Roten Teufel auch der Fantasie eines Comiczeichners entsprungen, doch die Nationalmannschaft verdankt ihren Spitznamen der Farbe ihrer Trikots.
...und auch beim Fußball war ein Belgier Pionier
Auch wenn die Belgier mit dem Erreichen des Viertelfinales zwar eines ihrer besten Ergebnisse erzielt haben – die ersehnte Sensation blieb aus. Fußballgeschichte haben die Belgier dennoch geschrieben: Dass Vereinstrainer in der EU mittlerweile so viele ausländische Spieler aufstellen dürfen, wie sie wollen, ist auf den belgischen Profi Jean-Marc Bosman zurückzuführen. Er hatte gegen seinen Verein geklagt, der ihn nicht ablösefrei ziehen lassen wollte. Seine Klage erreichte schließlich den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der 1995 zu dem Urteil kam, dass für Fußballspieler dieselben Rechte gelten wie für andere Arbeitnehmer. Das hieß erstens, dass der abgebende Verein nach Vertragsende keine Ablösesumme für einen wechselwilligen Spieler kassieren, und zweitens, dass die Zahl der ausländischen Spieler in den Vereinen nicht beschränkt werden durfte. Mit anderen Worten: Ohne den wackeren Belgier Bosman würden nicht so viele internationale Superstars in der Bundesliga oder der Champions League spielen – kein Dante womöglich, vielleicht auch kein Messi, kein James Rodriguez, kein Didier Drogba. Das einzige, was die Belgier nicht so gut können, ist einen funktionierenden föderalen Staat hinzubekommen. In diesem lustigen Youtube-Video kann man sich anschauen, woran das liegen könnte.
* Quellen: The World Factbook, Thomson Reuters