Der Fachverband Matratzen-Industrie hat in einer Pressemitteilung vom 27. September 2018 Vorwürfe gegen die Matratzentests der Stiftung Warentest erhoben. Sie schadeten „dem Markt und der Angebotsvielfalt“ und würden „zu wenig den individuellen Schlafkomfort“ berücksichtigen. Hier die Antworten von Dr. Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen bei der Stiftung Warentest, auf die Vorwürfe des Verbandes.
[Update 26.10.2018] Inzwischen hat das Landgericht Köln per Einstweiliger Verfügung dem Matratzenverband zahlreiche in der Pressemitteilung vom 27. September 2018 getroffenen Aussagen untersagt. [Ende Update]
Alle Fragen im Überblick
- Wie setzt sich das test-Qualitätsurteil der Stiftung Warentest zusammen?
- Können unterschiedlich schwere und große Menschen auf ein und derselben Matratze gut schlafen, gibt es also eine „Eine-für-alle-Matratze“?
- Warum hat die Stiftung Warentest bei einigen Matratzen-Tests auf die bett1.de-Matratze verwiesen, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht geprüft wurde?
- Macht die Stiftung Warentest Werbung für die bett1.de-Matratze?
- Aber hat die Stiftung Warentest nicht extra wegen bett1.de die Werbemöglichkeit für Matratzen auf drei Jahre verlängert?
- Warum wurde der Antrag bewilligt, wo doch Anfang 2017 ein neues Prüfprogramm eingeführt wurde?
- Profitiert die Stiftung Warentest davon, wenn sie die Matratze eines bestimmten Anbieters immer wieder mit „Gut“ bewertet?
Produktauswahl
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Nach welchen Kriterien wählt die Stiftung Warentest die Produkte für einen Test oder Schnelltest aus?
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Üblicherweise orientiert sich die Stiftung an der Marktbedeutung der Produkte. Das ist bei Matratzen leider nicht so einfach möglich, da kein unabhängiges Marktforschungsinstitut entsprechende Daten erhebt. Auch die Befragung der Anbieter hat leider in der Vergangenheit keine verlässlichen Informationen erbracht. Deshalb recherchieren wir die Angebote im stationären und im Online-Handel und wählen in wechselnden Produktsegmenten (wie zum Beispiel Schaumstoff oder Latex) marktrelevante Matratzen aus. Diese werden dann von Mitarbeitern der Stiftung Warentest anonym im Handel eingekauft.
Prüfprogramm
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Wie transparent sind die Prüfkriterien der Stiftung Warentest?
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Wir erklären in „Über uns“ sehr detailliert, wie wir Produkte testen und wie ein Test abläuft. Wie bei allen anderen Tests beschreiben wir auch bei den Matratzen unser Testverfahren im Artikel So testet die Stiftung Warentest. Bei den Matratzen gibt es dazu zusätzlich auch noch ein Video.
Darüber hinaus erhält jeder Anbieter, dessen Matratzen wir untersuchen, ein genaues Prüfprogramm. Das wurde zuvor in einem Fachbeirat zur Diskussion gestellt, zu dem wir Vertreter von Herstellern, des Handels, von Prüfinstituten und Verbraucherverbänden eingeladen haben.
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Kritisieren die Hersteller Ihr Prüfprogramm für Matratzen?
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In den Sitzungen des Fachbeirats Matratzen haben wir das Prüfprogramm in den letzten Jahren immer zur Diskussion gestellt. Dabei gab es keine grundsätzliche Kritik an unserem Vorgehen; geschweige denn einen alternativen Vorschlag, wie Matratzen geprüft werden sollen. Unser Eindruck ist vielmehr, dass die Hersteller unsere Prüfungen möglichst genau verstehen wollen, vermutlich um sie dann selbst nachzustellen. Deshalb können wir auch nicht nachvollziehen, dass der Fachverband Matratzen-Industrie unsere Testkriterien als „wenig sinnvoll“ bewertet.
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Ist der Preis ein Kriterium für die Bewertung?
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Nein, grundsätzlich stellt die Stiftung Warentest Preis und Qualitätsurteil unabhängig voneinander dar, so dass Verbraucher nach ihren Wünschen und Möglichkeiten eine Auswahl treffen können. Die Matratzenuntersuchungen der letzten Jahre zeigen übrigens eindeutig, dass Preis und Qualität nicht in einem direkten Zusammenhang stehen. Relativ preiswerte Matratzen stehen in den Qualitätsurteilen häufig gut da.
Testdurchführung
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Wie garantiert die Stiftung Warentest ihre Neutralität bei Matratzentests?
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Die Prüfungen werden von einem Prüfinstitut durchgeführt, das unabhängig von Matratzenherstellern ist. Es untersucht übrigens auch für viele andere ausländische Verbraucherorganisationen die Matratzen. Die ermittelten Daten wertet bei der Stiftung Warentest ein Projektleiter aus – das Bewertungsverfahren ist für alle Matratzen gleich und wurde im Laufe der vergangenen Jahre nur in einigen wenigen Punkten verändert. Die Auswertung wird anschließend unabhängig vom Projektleiter noch einmal in einer internen Verifikation kontrolliert. Und schließlich erhalten die Anbieter vor der Veröffentlichung auch alle objektiv ermittelten Messdaten, um uns auf eventuelle Fehler aufmerksam machen zu können. Bestehen Zweifel, führen wir Nachtests durch.
Testergebnisse
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Wie setzt sich das test-Qualitätsurteil der Stiftung Warentest zusammen?
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Eine gute Matratze muss ganz unterschiedliche Eigenschaften mitbringen. Bei uns stehen an erster Stelle die Liegeeigenschaften, die sich auch nach jahrelanger Benutzung nicht verschlechtern sollten. Das prüfen wir mit unterschiedlichen Prüfpersonen sowie mit einem Haltbarkeitstest. Diese beiden Prüfpunkte machen 60 % unseres Qualitätsurteils aus. Darüber hinaus untersuchen wir noch auf Schadstoffe und Raumluftbelastung sowie die Waschbarkeit und Verarbeitung des Bezugs. Wir bewerten aber auch die Deklaration, denn schließlich ist es wichtig, dass der Verbraucher im Handel aufgrund dieser Angaben eine passende Matratze finden kann. Und schließlich ist die Handhabung von Bedeutung, da eine Matratze regelmäßig gewendet werden soll.
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Können unterschiedlich schwere und große Menschen auf ein und derselben Matratze gut schlafen, gibt es also eine „Eine-für-alle-Matratze“?
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In Abhängigkeit von ihrem Körperbau müssen Matratzen die Schläfer so unterstützen, dass die Wirbelsäule die gleiche Ausrichtung hat wie beim Stehen. Die Stiftung Warentest untersucht diese Liegeeigenschaften mit vier unterschiedlich gebauten Menschen. Diese Prüfpersonen repräsentieren etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung. Einige Matratzen schaffen es tatsächlich, alle Prüfpersonen gleich gut abzustützen. Im Handel finden die Verbraucher übrigens nur sehr selten Angaben, welche Matratze sich für welchen Körperbau und für welches Gewicht besonders gut eignen soll.
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Warum hat die Stiftung Warentest bei einigen Matratzen-Tests auf die bett1.de-Matratze verwiesen, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht geprüft wurde?
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Es ist ein ganz übliches Vorgehen der Stiftung, auf Produkte aus vorherigen Tests hinzuweisen, die noch im Handel sind, denn schließlich will der Verbraucher nicht unbedingt das neueste Produkt kaufen, sondern vielleicht das beste oder eins mit besonders gutem Preis-Leistungsverhältnis. Die Bodyguard-Matratze von bett1.de hat nun einmal das beste Testergebnis erzielt und kostet nicht viel. Wenn wir ein solches Ergebnis „unter den Tisch fallen“ lassen würden, könnte man uns zu Recht den Vorwurf machen, unsere Leser und Internetnutzer unvollständig informiert zu haben.
Werbung mit Testergebnissen
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Macht die Stiftung Warentest Werbung für die bett1.de-Matratze?
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Natürlich nicht. Die Bodyguard-Matratze von bett1.de ist jedoch die beste bisher von uns untersuchte Matratze. Und wir haben das Ergebnis inzwischen auch mehrmals überprüft; dafür wurde die Matratze immer neu anonym eingekauft. Wir sehen uns hier gegenüber unseren Lesern und Internetnutzern in der Pflicht, auf dieses Produkt immer wieder hinzuweisen, zumal es mit etwa 200 Euro eher im unteren Preisbereich angesiedelt ist.
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Aber hat die Stiftung Warentest nicht extra wegen bett1.de die Werbemöglichkeit für Matratzen auf drei Jahre verlängert?
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Nein. Jeder Anbieter, dessen Produkt wir in einen Test einbeziehen, hat die Möglichkeit, nach der Veröffentlichung des Ergebnisses bei der RAL gGmbH einen Vertrag abzuschließen, um unsere Markenzeichen in seiner Werbung zu verwenden. Die normale Vertragslaufzeit beträgt zwei Jahre innerhalb eines Zeitraums von 2 ½ Jahren nach Testveröffentlichung. Auf Antrag besteht die Möglichkeit, diese Zeitdauer um ein Jahr zu verlängern. Natürlich nicht nur bei Matratzen. Voraussetzung für die Bewilligung des Antrages ist, dass die Stiftung Warentest das Produkt inzwischen nicht anders testet und bewertet als zum Zeitpunkt der ursprünglichen Testveröffentlichung. Das Produkt darf auch in der Zwischenzeit nicht verändert worden sein. Den Antrag darf jeder Anbieter stellen, der einen Lizenzvertrag abgeschlossen hat. Wird dem Antrag zugestimmt, können alle Anbieter, die verlängerte Werbemöglichkeit nutzen.
Für Matratzen, deren Testergebnisse wir im Jahr 2015 veröffentlicht haben, wurde ein solcher Verlängerungsantrag im Herbst 2016 gestellt und bewilligt. Der Antragsteller war übrigens nicht bett1.de, sondern ein anderer Hersteller.
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Warum wurde der Antrag bewilligt, wo doch Anfang 2017 ein neues Prüfprogramm eingeführt wurde?
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Es ist korrekt, dass alle ab 2017 veröffentlichten Matratzentestergebnisse nach einem veränderten Prüfprogramm ermittelt wurden. Die Änderungen betrafen jedoch nur einen einzigen Punkt: Die Prüfung des Schlafklimas wurde gestrichen, da wir mit unserem Prüfansatz keine Unterschiede zwischen den Produkten ermitteln konnten. Nennenswerte Änderungen auf das test-Qualitätsurteil der Produkte brachte diese Änderung nicht mit sich. Das haben wir natürlich zuvor an Beispielfällen durchgerechnet. Auf die Spitzenposition der bett1.de-Matratze hatte diese Änderung keinen Einfluss.
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Profitiert die Stiftung Warentest davon, wenn sie die Matratze eines bestimmten Anbieters immer wieder mit „Gut“ bewertet?
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Anbieter, die mit ihrem Produkt gut abschneiden, haben die Möglichkeit, für zwei, in bestimmten Fällen auch drei Jahre mit unserem Qualitätsurteil zu werben. Dafür müssen sie Lizenzgebühren zahlen, die weit unter den Preisen liegen, die beispielsweise ausländische Verbraucherorganisationen verlangen. Die Einnahmen durch das Logo-Lizenz-System betragen 8,1 Prozent unserer Erträge. Bei 698 Lizenzverträgen im Jahr 2017 spielt die mehrfache Vergabe eines guten Qualitätsurteils an ein Produkt finanziell keine Rolle.
Dass wir Produkte mehrmals untersuchen, ist übrigens bei vielen Finanzdienstleistungen durchaus die Regel. Bei Waren ist es eher die Ausnahme, da nur wenige Produkte über so lange Zeiträume unverändert am Markt angeboten werden.
Matratzen sind genau eine solche Ausnahme. Sie finden sich teils über viele Jahre unverändert am Markt. Ein Grund, weshalb wir in test 10/2018 gezielt die besten, nach Herstellerangaben unveränderten Matratzen aus den Tests der letzten 10 Jahren ausgewählt haben. Da sind immerhin 28 Matratzen zusammengekommen. Soweit sie 2016 und früher erstmals im Test waren, haben wir sie komplett neu geprüft. Übrigens mit einem sehr erfreulichen Ergebnis: Bei den allermeisten Produkten haben wir nur – wenn überhaupt – geringfügige Änderungen festgestellt.
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ich bin Verkäufer bei Matratzen Concord (teile ich auf Wunsch von Stiftung Warentest bei jeden meiner Beiträge mit) die Beiträge sind meine Meinung und nicht die meines Arbeitgebers.
die Vorwürfe des Fachverband sind richtig, meiner Meinung nach sehr milde, aber ich denke die reagieren so vorsichtig, weil man selbst bei nachweisbarer Kritik, sehr schnell in die neidische Konkurrenz-Ecke gestellt wird.
aber die Fakten bleiben halt, hier nur ein paar Beispiele fehlender Neutralität:
*STIWA behauptet nur Schlaraffia verschlechtert sich, die Verschlechterung der Bett1 Matratze um eine ganze Note im wichtigen Bereich Haltbarkeit, wird nicht erwähnt.
*das beste jemals getestete Logo, das nur Bett1 bekommen hat (ob wohl STIWA sagt das Label ist nicht von Ihnen , lassen Sie den Händler damit werben.
*beim Test der besten..10 Jahren, werden online 9 Hersteller erwähnt, bei acht davon wird die getestete Matratze nicht erwähnt, bei einen Bett1 mit seiner Bodyguard Matratze wird sie erwähnt.
@alle: Die Lizenzbestimmungen regeln, dass ein Anbieter die Qualität seines Produktes nicht verändern darf, wenn er dafür mit einem Testurteil werben möchte. Das kommt immer wieder vor und in solchen Fällen hat die RAL in der Vergangenheit bereits mehreren Unternehmen die Lizenz entzogen (www.test.de/Nachtests-Diese-Produkte-duerfen-das-Testsiegel-nicht-mehr-tragen-5022611-0/).
Wenn hingegen ein Anbieter unsere Testergebnisse auf Produkte überträgt, die gar nicht getestet worden sind, geht der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Absprache mit uns gegen die Werbung vor. (maa)
Die Matratzen-Industrie zeigt die erwartbare Reaktion, denn der Test hat mal wieder bewiesen, dass Preis gerade bei Matratzen keinerlei Anhaltspunkt für Qualität ist. Dass das einer Industrie, die mit extrem großen Margen arbeitet, nicht gefallen kann, ist klar.
Und wenn einem dann die sachlichen Argumente fehlen, argumentiert man mit "Sie schadeten „dem Markt und der Angebotsvielfalt“ und würden „zu wenig den individuellen Schlafkomfort“ berücksichtigen" - Argumente, mit denen man jeden Test in Frage stellen könnte und dann wären alle Tests nutzlos (weil wohl bei keinem Test die exakt die individuellen Präferenzen jedes einzelnen Kunden berücksichtigt werden kann).
Ebenso wurde Bett1 bereits im April vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 13.04.2018 - Az.: 6 U 166/17) verurteilt ihre irreführende Werbung mit dem StiWa Siegel auf Matratzen die nicht getestet wurden zu stoppen. Ihre RAL Regeln sagen folgendes:
"Lizenz gilt nur für geprüftes Produkt"
Und ebenso:
"Bei Vertragsbruch folgt Lizenzentzug"
"Die meisten Unternehmen bleiben bei der Wahrheit. Gegen Verstöße geht das Ral juristisch vor. Seither ist es seltener geworden, dass Verbraucher mit veralteten oder falschen Testurteilen in die Irre geführt werden. Bei einem Vertragsbruch entzieht das Ral die Lizenz – Geld zurück gibt es nicht."
Warum erfolgte in diesem Fall kein Lizenzentzug?
(hier mehr Infos): https://www.onlinehaendler-news.de/recht/aktuelle-urteile/32410-matrazentest-olg-koeln-werbung-testergebnissen.html
Sie verstehen bestimmt, dass es für Verbraucher verwirrend ist, wenn Herr Primus als Chef eines Verbrauchermagazins am 23.5.2018 im Interview mit dem Tagesspiegel Bett1 als „beste jemals getestete Matratze“ adelt, gleichzeitig aber sagen Sie:
"Die Stiftung Warentest passt die Testmethoden regelmäßig an die technische Entwicklung an. Aus diesem Grund sind nicht alle Testurteile vollständig miteinander vergleichbar".
Ich würde dies sehr gerne verstehen.