
Eine Vorsorgevollmacht ist schon ab 18 Jahren wichtig. Dennoch kümmern sich Menschen oft erst ab 50plus darum. Warum das so ist, erklärt die Juristin Verena Querling.
Frau Querling, Sie sprechen mit vielen Menschen über die Vorsorgevollmacht. Worum geht es dabei?
Ich stelle immer wieder fest: Viele machen keine Vorsorgevollmacht, weil sie zu wenig darüber wissen. Oft höre ich auch: So alt bin ich noch nicht. Überwiegend sind es die ab 50- bis 60-Jährigen, die nicht für sich selbst, sondern für ihre Eltern etwas regeln wollen. Sie sind beunruhigt, wenn diese schwer erkranken oder dement werden. Meist ist absehbar, dass die Eltern auf Dauer Unterstützung brauchen. Irrtümlicherweise ist die Vorsorgevollmacht häufig mit den Themen Alter und Tod verknüpft.
Jede und jeder ab 18 Jahren sollte sich kümmern?
Ja, unbedingt. Es ist jedoch nicht leicht, jungen Menschen zu vermitteln, warum eine Vorsorgevollmacht wichtig ist. Wer ab 18 gemütlich zu Hause wohnt, als Student oder in Ausbildung, hat in der Regel ein eigenes Konto und einen Handyvertrag. Der Rest läuft automatisch. Dass ab Volljährigkeit die Eltern in Gesundheitsfragen nicht mehr „automatisch“ für einen entscheiden dürfen, erscheint unerheblich.
Woran liegt das?
Junge Leute blenden die Themen Krankheit und Unfall eher aus. Das Risikobewusstsein ist nicht so ausgeprägt. Plötzlich infolge eines Sport- oder Verkehrsunfalls auf der Intensivstation zu liegen und in einen Zustand irreversibler Bewusstseinsstörung zu gelangen, stellt hohe Anforderungen an die Vorstellungskraft eines Menschen. Viele erkennen nicht die Notwendigkeit, für solch eine extreme Krankheitssituation jemanden zu bevollmächtigen, der dann für einen spricht – ob Mutter, Vater, Freund oder Ehepartnerin.
Haben Sie ein Beispiel?
Kürzlich hatte ich mit einer Familie zu tun, in der der Ehemann und Vater mit 41 Jahren beim Radfahren schwer verunglückte. Er lag mehrere Wochen im Koma, bevor er verstarb. Es gab keine Vorsorgevollmacht. Die Ehefrau durfte daher weder mit Ärzten, der Krankenkasse oder Versicherungen etwas regeln. Sie hatte auch keine Bankvollmacht oder Kontozugriff. Die Passwörter für das Onlinebanking kannte sie nicht. In einer emotional extrem belastenden Situation musste sie zuerst Rechtliches klären.
Wie gelang ihr das?
Die Ehefrau wandte sich selbst an das Betreuungsgericht, um als Betreuerin für ihren Mann alles regeln zu können. Das Gericht setzte sie als ehrenamtliche Betreuerin ein. Sie bekam einen Betreuerausweis und konnte diesen ihren Ansprechpartnern vorzeigen. Mit einer Vorsorgevollmacht wäre ihr dieser bürokratische Aufwand erspart geblieben.
Was ist, wenn keine Angehörigen zur Stelle sind?
Gibt es keine Person, die für einen Patienten da ist, wenden sich in der Regel die Klinikärzte an das Gericht. Das Gericht kann dann eine fremde Person beauftragen, etwa eine Berufsbetreuerin.
Und wenn es keine Vertrauensperson gibt?
Wer keine Vertrauensperson hat, sollte eine Betreuungsverfügung ausfüllen. Das ist ein interessantes Konstrukt. Darin kann jemand eine Person vorschlagen, die als Betreuer geeignet ist, vielleicht eine Nachbarin oder einen Verwandten. Auch Wünsche können formuliert werden. Eine Betreuerin oder ein Betreuer wird vom Gericht kontrolliert und hat nicht so viel Entscheidungsfreiheit wie eine bevollmächtigte Person. Wer keinen Namen nennen möchte, kann auch einen Betreuungsverein einsetzen. Es gibt sie in vielen Städten. Betreuungsbehörden helfen bei der Suche.
Tipp. Ihre zuständige Betreuungsbehörde finden Sie nach Eingabe der Postleitzahl.
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@MarkRad: Wir haben zwar an verschiedenen Stellen Verdeutlichungen vorgenommen und in der 5. Auflage die Texte aktualisiert. Wir sprechen hier von einer Aktualisierung der statistischen Zahlen, Zitate, Links, Grafiken, … . Daraus ergibt sich kein Grund, ältere Vorsorgevollmachten zu verwerfen. Die Formulare und Ausführungen aus den alten Auflagen sind nach wie vor aktuell. Die Formulare entsprechen nach wie vor den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wir senden Ihnen Anmerkungen zu den Änderungen per Mail zu. (TK)
Die Vorlagen sind großartig. Es wäre hilfreich, wenn Sie die wesentlichen Unterschiede in den Auflagen kenntlich machen würden oder schreiben, dass es ggf. keine wesentlichen Neuerungen in der Auflage 5 gibt. Ich habe beim Vergleich nichts Wesentliches gefunden - es sind meist nur Formierungsunterschiede oder Felder, die statt 2 in einer Zeile Platz finden. Leider haben Sie in Auflage 5 einige Felder im PDF weggelassen, so dass man sie nicht vor dem Ausdruck ausfüllen kann.
@sunshine2021: Um Rechtsgeschäfte für die Vollmachtgebenden vornehmen zu können, muss sich die Vorsorgevollmacht in den Händen der bevollmächtigten Person befinden.
Das Risiko einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der Vollmacht besteht ab dem Moment der Unterschrift / Aushändigung der Vollmacht an die Bevollmächtigte. Deswegen sollte eine solche Vollmacht nur erteilt werden, wenn unter den Beteiligten ein sehr großes Vertrauensverhältnis besteht.
Sollten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Bevollmächtigten bestehen, erteilt man keine Generalvollmacht und überlässt im Zweifel die Entscheidung der Beauftragung dem Gericht. In der Betreuungsverfügung kann man dann festlegen, wem nicht vertraut wird, bzw. wem man nicht als gesetzlichen Betreuer wünscht.
Auch die Betreuungsvollmacht kann der Beauftragten übergeben werden.
Bei der Patientenverfügung kann es Sinn machen, diese selbst oder durch den Ehepartner dem behandelnden Rettungsarzt / Krankenhaus zu übergeben. (maa)
Hallo,
ich habe für meine Eltern und mich eine Vorsorgevollmacht inkl. Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht ausgefüllt. Alles unterschrieben und unter Dach und Fach.
Nun stellen sich aber weitere praktische Fragen:
Ist es sinnvoll, dass es die Vollmachten/Patienverfügungen meiner Eltern in doppelter Ausführung gibt (komplett unterschrieben- einmal in ihrer Wohnung, einmal bei mir)?
Da ich nicht bei meinen Eltern wohnen, hätte ich, sollte Ihnen etwas zustoßen, die Vorsorgevollmacht bei mir und wäre sofort handlungsfähig. Im Falle eines Brands bei Ihnen gingen die wichtigen Dokumente nicht verloren, da es quasi 2 "Originale" gäbe.
Allerdings: ist es nicht auch ein Sicherheitsrisiko für meine Eltern da ich allein durch "räumlichen Besitz" der Vollmachten damit Mißbrauch betreiben könnte?
Was also tun?
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