
Die Patientenverfügung einer 75-jährigen Frau, die seit Jahren im Koma liegt, war nicht konkret genug, urteilte der Bundesgerichtshof.
Streit über Patientenverfügung
Herr Putz, Sie haben als Rechtsanwalt eine Angehörige in einem Streit über eine Patientenverfügung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) vertreten. Worum ging es?
Eine 75-jährige Frau ist Mutter von drei Töchtern und hat in einer Vorsorgevollmacht einer Tochter die Gesundheitsfürsorge übertragen. Seit über vier Jahren liegt die Mutter in einem Pflegeheim im Koma. Sie hatte einen Hirnschlag – weitere epileptische Anfälle führten zum Verlust des gesamten Bewusstseins. Sie kann weder kommunizieren, noch ist sie fähig, sich zu bewegen. Es besteht keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins. Über eine PEG-Magensonde (PEG: perkutane endoskopische Gastrostomie) wird sie künstlich ernährt.
Worüber streiten die Angehörigen?
Die bevollmächtigte Tochter hat mit den Ärzten entschieden, die künstliche Ernährung nicht zu beenden, obwohl keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Eine andere Tochter lehnt die weitere künstliche Ernährung ihrer Mutter ab.
BGH: „lebensverlängernde Maßnahmen“ zu unbestimmt
Die Mutter hat eine Patientenverfügung. Warum hilft diese nicht weiter?
Die Mutter hat in ihrer Patientenverfügung gewünscht, dass „lebensverlängernde Maßnahmen“ unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, dass zum Beispiel keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt. Die Verfügung war mit einem Notar erstellt worden. Die bevollmächtigte Tochter hat Zweifel, ob damit auch die künstliche Ernährung gemeint ist. Für eine andere Tochter ist klar, dass ihre Mutter genau das gemeint hat. Deshalb kam es zum Prozess.
Der BGH hat entschieden: Die vorliegende Patientenverfügung ist zu unbestimmt und reicht nicht aus, um die künstliche Ernährung einzustellen (BGH, Az. XII ZB 61/16). Das hat viele verunsichert. Wie sehen Sie das?
Ich begrüße die Entscheidung. Sie schafft Klarheit und mehr Rechtssicherheit für die Zukunft. Viele müssen ihre Patientenverfügungen im Hinblick auf die Formulierungen überprüfen. Im vorliegenden Fall hätte für die Behandlungssituation „bei Hirnschädigung“ geholfen, wenn sich die Verfügende zu der konkreten Maßnahme „künstliche Ernährung“ geäußert hätte.
Musterformulare verwenden
Wie gehen Laien ohne medizinische Kenntnisse vor, wenn sie eine Patientenverfügung erstellen?
Ich empfehle: keine eigenen Formulierungsversuche. Es gibt sehr gute Musterformulare, die den Anforderungen des BGH entsprechen. Im Fall einer schweren Erkrankung sollten Patienten gemeinsam mit dem Arzt ihre Behandlungswünsche in einer speziellen Patientenverfügung festlegen.
Was ist noch wichtig?
Es muss eine Person geben, die eine Patientenverfügung auch durchsetzt. Deshalb sollte die Wahl des Bevollmächtigten für die Gesundheitsfürsorge gut überlegt sein. Manche Menschen sind nicht in der Lage, die emotionale Last und Verantwortung für den endgültigen Tod eines nahestehenden Menschen zu tragen. Das zeigt der aktuelle Fall.
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@MarkRad: Wir haben zwar an verschiedenen Stellen Verdeutlichungen vorgenommen und in der 5. Auflage die Texte aktualisiert. Wir sprechen hier von einer Aktualisierung der statistischen Zahlen, Zitate, Links, Grafiken, … . Daraus ergibt sich kein Grund, ältere Vorsorgevollmachten zu verwerfen. Die Formulare und Ausführungen aus den alten Auflagen sind nach wie vor aktuell. Die Formulare entsprechen nach wie vor den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wir senden Ihnen Anmerkungen zu den Änderungen per Mail zu. (TK)
Die Vorlagen sind großartig. Es wäre hilfreich, wenn Sie die wesentlichen Unterschiede in den Auflagen kenntlich machen würden oder schreiben, dass es ggf. keine wesentlichen Neuerungen in der Auflage 5 gibt. Ich habe beim Vergleich nichts Wesentliches gefunden - es sind meist nur Formierungsunterschiede oder Felder, die statt 2 in einer Zeile Platz finden. Leider haben Sie in Auflage 5 einige Felder im PDF weggelassen, so dass man sie nicht vor dem Ausdruck ausfüllen kann.
@sunshine2021: Um Rechtsgeschäfte für die Vollmachtgebenden vornehmen zu können, muss sich die Vorsorgevollmacht in den Händen der bevollmächtigten Person befinden.
Das Risiko einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der Vollmacht besteht ab dem Moment der Unterschrift / Aushändigung der Vollmacht an die Bevollmächtigte. Deswegen sollte eine solche Vollmacht nur erteilt werden, wenn unter den Beteiligten ein sehr großes Vertrauensverhältnis besteht.
Sollten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Bevollmächtigten bestehen, erteilt man keine Generalvollmacht und überlässt im Zweifel die Entscheidung der Beauftragung dem Gericht. In der Betreuungsverfügung kann man dann festlegen, wem nicht vertraut wird, bzw. wem man nicht als gesetzlichen Betreuer wünscht.
Auch die Betreuungsvollmacht kann der Beauftragten übergeben werden.
Bei der Patientenverfügung kann es Sinn machen, diese selbst oder durch den Ehepartner dem behandelnden Rettungsarzt / Krankenhaus zu übergeben. (maa)
Hallo,
ich habe für meine Eltern und mich eine Vorsorgevollmacht inkl. Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht ausgefüllt. Alles unterschrieben und unter Dach und Fach.
Nun stellen sich aber weitere praktische Fragen:
Ist es sinnvoll, dass es die Vollmachten/Patienverfügungen meiner Eltern in doppelter Ausführung gibt (komplett unterschrieben- einmal in ihrer Wohnung, einmal bei mir)?
Da ich nicht bei meinen Eltern wohnen, hätte ich, sollte Ihnen etwas zustoßen, die Vorsorgevollmacht bei mir und wäre sofort handlungsfähig. Im Falle eines Brands bei Ihnen gingen die wichtigen Dokumente nicht verloren, da es quasi 2 "Originale" gäbe.
Allerdings: ist es nicht auch ein Sicherheitsrisiko für meine Eltern da ich allein durch "räumlichen Besitz" der Vollmachten damit Mißbrauch betreiben könnte?
Was also tun?
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