
Mit der Patientenverfügung können Erwachsene festlegen, welche medizinischen Maßnahmen sie in einer aussichtslosen Krankheitssituation wünschen oder ablehnen.
Patient bei klarem Bewusstsein: Verfügung kommt nicht zum Einsatz
Die Patientenverfügung soll sicherstellen, dass der Wille und die Vorstellung vom Lebensende zählen, wenn es unwiederbringlich nicht mehr möglich ist, sich in einer aussichtslosen Krankheitssituation bewusst zu äußern. Ist ein Mensch bei klarem Bewusstsein, spielt die Verfügung keine Rolle. Solange der Patient selbst mit Ärzten sprechen oder sich äußern kann, etwa durch Kopfschütteln oder Nicken, kann er selbst in eine medizinische Behandlung einwilligen oder diese ablehnen.
Patientenverfügung ist für Ärzte bindend
Ist ein Mensch dauerhaft nicht mehr einwilligungsfähig und müssen Ärzte eine Entscheidung über eine lebenserhaltende Maßnahme treffen – zum Beispiel künstliche Ernährung, künstliche Beatmung oder eine Wiederbelebung – kommt es auf den in einer Patientenverfügung festgelegten Willen an. Ein Arzt muss sich daran halten. Das gilt selbst dann, wenn er der Überzeugung ist, dass eine bestimmte Behandlung medizinisch angezeigt wäre.
Sinnvoll ist es, wenn der Verfasser der Patientenverfügung gleichzeitig eine Vorsorgevollmacht hat: Der Bevollmächtigte setzt sich dann dafür ein, dass der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille umgesetzt wird. Gibt es keine Vorsorgevollmacht, muss ein Betreuer bestellt werden, um die Vorgaben der Patientenverfügung umzusetzen (Gericht ordnet Betreuung an). Die Vorlage der Patientenverfügung allein genügt nicht.
Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen
In einer Patientenverfügung bringt der Verfasser möglichst detailliert zum Ausdruck, welche medizinischen Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Konkret geht es zum Beispiel darum, ob der Patient im Endstadium einer unheilbaren Krankheit, die aller Wahrscheinlichkeit nach tödlich endet, bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand wiederbelebt werden möchte.
Patientenverfügungen unterscheiden nicht nur nach den Formen der medizinischen Behandlung, sondern auch nach Krankheitssituationen, in denen sich der Verfasser befinden kann – zum Beispiel in Todesnähe oder im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung.
Corona, Covid-19 und Patientenverfügung
Die Behandlung wegen Covid-19 ist grundsätzlich kein Anwendungsfall für eine Patientenverfügung – auch nicht bei einer Langzeitnarkose, oft „künstliches Koma“ genannt. Sie ist die Voraussetzung für eine maschinelle Beatmung. Die maschinelle Beatmung ist das letzte Mittel bei einem sehr schweren Krankheitsverlauf, wenn andere Sauerstofftherapien nicht weiterhelfen. In die Behandlung hat der Patient nach Aufklärung in der Regel selbst eingewilligt.
Die Behandlung ist darauf ausgerichtet, dass der Patient wieder erwacht und entscheidungsfähig ist. Petra Vetter, Fachanwältin für Medizinrecht aus Stuttgart, erklärt: „Mit der dauerhaften Entscheidungsunfähigkeit, die Voraussetzung dafür ist, dass eine Patientenverfügung überhaupt zu beachten ist, hat das ,künstliche Koma‘ nichts zu tun.“ Dennoch kann eine Patientenverfügung bei einer Covid-19-Behandlung wichtig werden, zum Beispiel wenn sich im Verlauf einer Behandlung herausstellt, dass der Behandlungserfolg nicht eintritt und der Patient sein Bewusstsein aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wieder erlangt. Ärzte müssen dann für eine Weiterbehandlung ein neues Therapieziel festlegen.
„Gibt es für den Patienten aller Wahrscheinlichkeit nach keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins, können Ärzte dann auf Grundlage der Patientenverfügung über einen Therapieverzicht entscheiden“, so Fachanwältin Vetter.
Tipp: Mehr Informationen und ein Interview mit dem Lungenfacharzt Dr. Thomas Voshaaar über Therapien bei schwerem Covid-19-Verlauf in unserem Special Patientenverfügung in Corona-Zeiten.
Den eigenen Willen präzise formulieren
Die Patientenverfügung muss klar, verständlich und genau formuliert sein. Anhand des schriftlich festgelegten Willens in der Patientenverfügung entscheiden Ärzte schließlich unter Umständen über Leben oder Tod – etwa darüber, ob sie auf eine Therapie verzichten oder abbrechen. Zweifelsfrei muss aus der Patientenverfügung hervorgehen, ob der Patient in der vorliegenden Situation beispielsweise wünscht, dass Ärzte versuchen, ihn wiederzubeleben, und ob er künstlich beatmet werden möchte – oder eben nicht. Ist ein Arzt unsicher, was der Patient wollte, entscheidet er sich für den Lebenserhalt, wenn es eine medizinische Indikation zur Behandlung und eine realistische Chance gibt, das Ziel zu erreichen.
Patientenverfügung entlastet Angehörige
Eine Patientenverfügung kann Angehörige entlasten. Nicht sie müssen sich darüber Gedanken machen, was der Verfasser der Verfügung gewollt hätte, er hat es selbst getan.
Vordruck unterschreiben
Für eine Patientenverfügung gibt es kaum Formvorschriften. Sie kann handschriftlich verfasst, am Computer geschrieben oder als Vordruck ausgefüllt sein. Mit Datum und Unterschrift ist eine Patientenverfügung gültig. Doch eigene Formulierungen von medizinischen Laien helfen Ärzten oft nicht weiter, deshalb ist die Verwendung eines Formulars oder Vordrucks sinnvoll. Es verschafft mehr Rechtssicherheit.
Vordrucke gibt es in Papierform oder online. Es gibt sie von der Stiftung Warentest, dem Bundesjustizministerium, Verlagen, Ärzten, Notaren oder Betreuungsvereinen. Manche Angebote sind kostenlos, andere kostenpflichtig. Trotz der Vielfalt: Experten am Uniklinikum Jena stellten in einer Studie fest, dass sich die Standardformulare inhaltlich oft gleichen. Wer bei der Auswahl des Formulars unsicher ist, sollte vergleichen und sich für die Variante entscheiden, die für ihn verständlich und passend ist.
Tipp: Nutzen Sie das Formular für die Patientenverfügung aus unserem Vorsorge-Set.
Ethikkonsil bei kritischen Entscheidungen
Es kommt vor, dass eine Patientenverfügung nicht konkret genug formuliert ist und Ärzte oder Bevollmächtigte bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens im Zweifel sind. Ebenso gibt es viele Menschen, die gar keine Patientenverfügung haben. Für solch eine Situationen bieten manche Kliniken und Krankenhäuser ein Ethikkonsil oder -komitee an. In einer gemeinsamen Runde ermittelt dann ein Ethikbeauftragter mit den behandelnden Ärzte, dem Pflegepersonal und mit den Angehörigen des Patienten – Betreuer oder Bevollmächtigte –, was der Patient wollte oder gewollt hätte. Der getroffene Konsens wird rechtssicher dokumentiert.
Patientenverfügung – Streit vor Gericht
Formulierungen in Patientenverfügungen wie „ich möchte nicht an Schläuchen hängen“, „ich möchte friedlich sterben“ oder „ich wünsche keine lebensverlängernden Maßnahmen“ sind für Ärzte meist nicht konkret genug. Ist eine Patientenverfügungen nicht eindeutig, kann es sein, dass Gerichte darüber entscheiden. Über die Auslegung von Formulierungen gibt es hin und wieder rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Bevollmächtigten und Ärzten. Im Interview mit test.de erklärt Rechtsanwalt Wolfgang Putz, was seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XII ZB 61/16) für Patientenverfügungen gilt.
Verfügung gut auffindbar aufbewahren
Die Patientenverfügung sollte gut auffindbar verwahrt werden, zu Hause in der Schublade oder dem Ordner mit wichtigen Dokumenten, bei Angehörigen oder demjenigen, dem die Vorsorgevollmacht übertragen wurde. Außerdem sollte sie der Aussteller beim zentralen Vorsorgeregister melden, da niemand seine Dokumente für die rechtliche Vorsorge im Alltag dabei hat, sie aber von einem Moment auf den anderen wichtig werden können.
Beim zentralen Vorsorgeregister sind die Daten immer verfügbar. Rund 20 000 Mal im Monat fragen Gerichte aus dem ganzen Bundesgebiet beim Vorsorgeregister nach, ob ein Patient Daten gemeldet hat. Ergibt die Abfrage, dass keine Daten hinterlegt sind und ist kein Bevollmächtigter oder Betreuer auffindbar, beauftragt das Betreuungsgericht eine „fremde“ Person als Betreuer. Er entscheidet in einem medizinischen Notfall mit den Ärzten im Interesse des Patienten.
Patientenverfügung aktuell halten
Medizinische und rechtliche Entwicklungen beachten. Es ist ratsam, regelmäßig zu prüfen, ob die Patientenverfügung noch dem eigenen Willen entspricht und sie gegebenenfalls zu aktualisieren. Was vor zehn Jahren medizinischer Standard war, muss heute nicht mehr gelten. Neue medizinische Entwicklungen und Erkenntnisse könnten sich auf die in der Patientenverfügung getroffenen Regelungen auswirken. Auch neue Urteile und rechtliche Entwicklungen sollten beachtet werden. Je aktueller eine Patientenverfügung ist, umso klarer ist es für Ärzte, dass sie dem derzeitigen Willen des Patienten entspricht.
Spätestens nach fünf Jahren aktualisieren. Experten geben unterschiedliche Ratschläge: Manche empfehlen, alle drei bis fünf Jahre zu aktualisieren, andere jährlich. Der Verfasser der Patientenverfügung sollte mit seiner Unterschrift und einen neuerem Datum dokumentieren, dass er sich mit seinem Notfalldokument auseinandergesetzt hat. Oft gibt es dafür Extrazeilen auf den Formularen. Patientenverfügungen, die zehn Jahre oder länger zurückliegend unterschrieben wurden, sind jedoch für Ärzte genauso bindend wie Verfügungen jüngeren Datums.
Fürs Ausfüllen ärztlichen Rat einholen
Für viele Menschen ist es schwer, eine Patientenverfügung zu erstellen, weil Formulare oft schwer verständliche medizinische Begriffe enthalten. Wer Fragen zu Patientenverfügung hat, kann sich zum Beispiel an seinen Hausarzt, Facharzt oder einen Palliativmediziner wenden, der auf Behandlungssituationen und Therapien am Lebensende spezialisiert ist. Die Krankenkasse erstattet allerdings keine Beratungskosten. Manche Ärzte rechnen eine solche Leistung privat ab. Für 30 Minuten empfehlen etwa Ärztekammern eine Gebühr von rund 61 Euro.
Was ohne Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht gilt
Gibt es keine Patientenverfügung, kommt es darauf an, ob der Patient jemanden in einer Vorsorgevollmacht mit der Gesundheitsfürsorge betraut hat. Ist das der Fall und sind die Ärzte dem Bevollmächtigten gegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden, kann dieser den Vollmachtgeber gegenüber Ärzten, Praxen und Krankenhäusern vertreten. Der Bevollmächtigter ist stets an den „mutmaßlichen Willen“ des Vollmachtgebers gebunden. Er muss sich fragen, wie der Vollmachtgeber wohl entscheiden würde, wenn er dazu in der Lage wäre. Außerdem muss er die früheren mündlichen oder schriftlichen Äußerungen sowie die ethischen oder religiösen Überzeugungen des Vollmachtgeber und seine sonstigen Wertvorstellungen berücksichtigen und den Ärzten mitteilen.
Gibt es weder Vorsorgevollmacht und noch Patientenverfügung, informieren die Ärzte das Betreuungsgericht. Das Gericht stellt dem Betroffenen dann einen Betreuer zur Seite, der in seinem Sinne und an seiner Stelle entscheiden soll.
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@MarkRad: Wir haben zwar an verschiedenen Stellen Verdeutlichungen vorgenommen und in der 5. Auflage die Texte aktualisiert. Wir sprechen hier von einer Aktualisierung der statistischen Zahlen, Zitate, Links, Grafiken, … . Daraus ergibt sich kein Grund, ältere Vorsorgevollmachten zu verwerfen. Die Formulare und Ausführungen aus den alten Auflagen sind nach wie vor aktuell. Die Formulare entsprechen nach wie vor den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wir senden Ihnen Anmerkungen zu den Änderungen per Mail zu. (TK)
Die Vorlagen sind großartig. Es wäre hilfreich, wenn Sie die wesentlichen Unterschiede in den Auflagen kenntlich machen würden oder schreiben, dass es ggf. keine wesentlichen Neuerungen in der Auflage 5 gibt. Ich habe beim Vergleich nichts Wesentliches gefunden - es sind meist nur Formierungsunterschiede oder Felder, die statt 2 in einer Zeile Platz finden. Leider haben Sie in Auflage 5 einige Felder im PDF weggelassen, so dass man sie nicht vor dem Ausdruck ausfüllen kann.
@sunshine2021: Um Rechtsgeschäfte für die Vollmachtgebenden vornehmen zu können, muss sich die Vorsorgevollmacht in den Händen der bevollmächtigten Person befinden.
Das Risiko einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der Vollmacht besteht ab dem Moment der Unterschrift / Aushändigung der Vollmacht an die Bevollmächtigte. Deswegen sollte eine solche Vollmacht nur erteilt werden, wenn unter den Beteiligten ein sehr großes Vertrauensverhältnis besteht.
Sollten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Bevollmächtigten bestehen, erteilt man keine Generalvollmacht und überlässt im Zweifel die Entscheidung der Beauftragung dem Gericht. In der Betreuungsverfügung kann man dann festlegen, wem nicht vertraut wird, bzw. wem man nicht als gesetzlichen Betreuer wünscht.
Auch die Betreuungsvollmacht kann der Beauftragten übergeben werden.
Bei der Patientenverfügung kann es Sinn machen, diese selbst oder durch den Ehepartner dem behandelnden Rettungsarzt / Krankenhaus zu übergeben. (maa)
Hallo,
ich habe für meine Eltern und mich eine Vorsorgevollmacht inkl. Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht ausgefüllt. Alles unterschrieben und unter Dach und Fach.
Nun stellen sich aber weitere praktische Fragen:
Ist es sinnvoll, dass es die Vollmachten/Patienverfügungen meiner Eltern in doppelter Ausführung gibt (komplett unterschrieben- einmal in ihrer Wohnung, einmal bei mir)?
Da ich nicht bei meinen Eltern wohnen, hätte ich, sollte Ihnen etwas zustoßen, die Vorsorgevollmacht bei mir und wäre sofort handlungsfähig. Im Falle eines Brands bei Ihnen gingen die wichtigen Dokumente nicht verloren, da es quasi 2 "Originale" gäbe.
Allerdings: ist es nicht auch ein Sicherheitsrisiko für meine Eltern da ich allein durch "räumlichen Besitz" der Vollmachten damit Mißbrauch betreiben könnte?
Was also tun?
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