Vorsorgende Brust­amputation Der radikale Schritt bei Brust­krebs-Angst

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Die Schauspielerin Angelina Jolie hat sich vorsorglich beide Brüste amputieren lassen. Sie fürchtet, sonst aufgrund eines Gendefekts an Brust­krebs zu erkranken. Damit ging Jolie in der New York Times an die Öffent­lich­keit. Das Thema wirft bei vielen Frauen Fragen auf. test.de gibt Antworten und erklärt, welche Gene für familiär bedingten Brust­krebs verantwort­lich sind, was bei einer Brust­amputation geschieht und wie Frauen dem eigenen Risiko auf die Spur kommen.

Wie hoch ist das Risiko für familiären Brust­krebs?

Jedes Jahr erkranken in Deutsch­land mehr als 70 000 Frauen an Brust­krebs. Das sogenannte Mammakarzinom ist die häufigste Krebs­erkrankung bei Frauen. Brust­krebs tritt wesentlich früher auf als die meisten anderen Krebs­arten. Laut Robert-Koch-Institut erkrankt die Hälfte der betroffenen Frauen vor dem 65. Lebens­jahr, jede zehnte ist bei Diagnose­stellung jünger als 45 Jahre. Allerdings nur etwa 5 bis 10 Prozent aller bösartigen Brust­krebs­erkrankungen sind – wie im Falle von Angelina Jolie – familiär bedingt. Für die Hälfte dieser erblichen Erkrankungs­fälle sind Mutationen zweier Gene verantwort­lich: BRCA1 und BRCA2. BRCA steht für breast-cancer, das eng­lische Wort für Brust­krebs. Mediziner gehen davon aus, dass acht von zehn Frauen mit genetischer Veranlagung im Laufe ihres Lebens an Brust­krebs erkranken. Auch das Risiko für Eier­stock­krebs gilt bei solch einer Genmutation als erhöht. Ein Gentest kann klären, ob eine Frau betroffen ist.

Für wen kann ein Gentest sinn­voll sein?

Bei bestimmten Familien­konstellationen kommt eine genetische Unter­suchung in Betracht. Ein familiäres Risiko besteht, wenn in einer Linie der Familie:

  • mindestens 3 Frauen an Brust­krebs erkrankt sind
  • mindestens 2 Frauen an Brust­krebs erkrankt sind, davon eine vor dem 51. Lebens­jahr
  • mindestens 1 Frau an Brust­krebs und 1 Frau an Eier­stock­krebs erkrankt sind
  • mindestens 2 Frauen an Eier­stock­krebs erkrankt sind
  • mindestens 1 Frau an Brust- und zugleich Eier­stock­krebs erkrankt ist
  • mindestens 1 Frau mit 35 Jahren oder junger an Brust­krebs erkrankt ist
  • mindestens 1 Frau mit 50 Jahren oder jünger an beidseitigem Brust­krebs erkrankt ist
  • mindestens 1 Mann an Brust­krebs und eine Frau an Brust- oder Eier­stock­krebs erkrankt sind.

So funk­tioniert die genetische Analyse

Die genetische Analyse wird anhand einer Blut­probe durch­geführt. Dazu wird – wenn möglich – zunächst das Blut eines bereits erkrankten Familien­mitglieds untersucht. Wird eine genetische Veränderung in einem der beiden BRCA-Gene gefunden, kann auch bei den Angehörigen nach dieser Mutation gesucht werden. Eine solche genetische Analyse bei gesunden Verwandten wird nur nach umfassenden Beratungs­gesprächen gemacht. In Deutsch­land gibt es 15 interdisziplinäre Zentren, bei denen sich Frauen beraten und testen lassen können. Molekulargenetische Unter­suchungen sind sehr aufwendig und dauern mehrere Monate.

Was können Hoch­risiko-Patientinnen tun?

Für Frauen mit hohem Krebs­risiko ist eine intensive und eng getaktete Früh­erkennung essenziell wichtig. Nach dem Leitlinienprogramm Onkologie umfassen diese Maßnahmen ärzt­liche Tast- und Ultra­schall­unter­suchungen alle sechs Monate, ab dem Alter von 25 Jahren. Empfohlen ab 25 Jahren werden außerdem eine jähr­liche Kern­spintomografie der Brust sowie ab 30 Jahren einmal pro Jahr eine Mammografie. Diese präventiven Maßnahmen werden an den Zentren durch­geführt, die auf die Behand­lung von familiärem Brust­krebs spezialisiert sind, und können das Risiko für Brust­krebs erheblich senken.

Eine Operation birgt auch Risiken

Eine deutlich radikalere Art der Prävention sind die vorbeugenden Operationen. Laut dem AOK Bundesverband werden in Deutsch­land weniger als zwei Prozent der Brust­entfernungen (Mast­ektomie) vorsorglich gemacht. Angelina Jolie hat sich für diesen Eingriff unter Voll­narkose entschieden. Auch eine solche Brust­amputation bietet keinen hundert­prozentigen Schutz vor Brust­krebs. Nach der OP soll das Risiko der Hoch­risiko-Patientinnen noch bei 5 Prozent liegen. Hinzu kommt, dass es bei jeder Operation unter Voll­narkose zu Komplikationen wie Blutungen, Infektionen, Herz- und Kreis­lauf-Störungen kommen kann.

Wie funk­tionieren Amputation und Aufbau der Brüste?

Bei der vorsorglichen Brust­amputation entfernen Spezialisten den Drüsenkörper der Brust­drüse, in dem Brust­krebs entstehen könnte. Die Brust­warze und die Haut über dem Drüsenkörper können erhalten bleiben. Das Rest­risiko für Brust­krebs hängt offen­bar davon ab, wie gut das Brust­drüsengewebe weggenommen wurde. Bei einigen Patientinnen bauen die Ärzte die Brust noch in derselben Operation wieder auf, bei anderen geschieht das in einer Folge-OP. Es hängt von der jeweiligen Patientin ab, welcher Weg sinn­voller ist. Auch die Auswahl des Aufbau-Materials ist individuell.

Silikonimplantate. Solche Implantate lassen sich vergleichs­weise einfach einsetzen und die aufgebaute Brust recht natürlich aussehen. Dabei wird – ähnlich wie bei einer Schönheitsoperation – ein Sili­konkissen über oder unter die Brust­muskeln gesetzt. Mögliche Risiken: Der Körper reagiert auf das fremde Material und kapselt es in eine Bindegewebs­hülle ein, was unter anderem Schmerzen verursachen kann.

Körper­eigenes Gewebe. Die Brüste lassen sich auch mit körper­eigenem Gewebe der Patientin aus Rücken, Bauch oder Beinen rekon­struieren. Der Körper muss sich nicht mit Fremdgewebe auseinander­setzen. Der Nachteil: Der Eingriff gilt als chirurgisch kompliziert.

Prothesen. Prothesen eignen sich für Frauen, die weitere chirurgische Eingriffe ablehnen. Die Prothesen kommen normaler­weise direkt nach der OP in den BH. Sie bestehen über­wiegend aus Silikon, sind haut­farben und rutsch­fest. Es gibt sowohl Modelle, die in Büstenhalter und Bikini einge­näht sind als auch heraus­nehm­bare. Die Krankenkassen zahlen die Prothesen sowie Zuschüsse für spezielle Wäsche. Der Nachteil: Der kosmetische Effekt ist nur mit Bekleidung vorhanden.

Diese Kosten tragen die Krankenkassen

Die Krankenkassen über­nehmen nach Auskunft des Spitzen­verbands der gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Genanalyse per Bluttest dann, wenn bestimmte Voraus­setzungen wie eine familiäre Vorbelastung bestehen. Wenn die Genanalyse einer Frau bestätigt, dass sie zur Hoch­risikogruppe zählt und sie sich nach intensiver Beratung sowie Unter­suchung durch Spezialisten zu einer vorsorglichen Brust­amputation entscheidet, tragen die Krankenkassen normaler­weise auch diese Kosten. Es handelt sich dabei aber um Einzel­fall­entscheidungen. Das betrifft auch die finanzielle Über­nahme für den anschließenden Brust­aufbau. Einige Krankenkassen bestehen vorab auf ein medizi­nisches Gutachten, etwa von einem zertifizierten Brust­krebs­zentrum, und einen Kosten­vor­anschlag.

Sollten Risikopatientinnen sich auch die Eier­stöcke entfernen lassen?

Einige Frauen, die ein genetisch erhöhtes Brust­risiko haben, lassen sich nach Abschluss ihrer Familien­planung unter Voll­narkose auch die Eier­stöcke entfernen. Das verringert das Risiko für Eier­stock­krebs um 95 Prozent. Weil die Eier­stöcke danach keine Hormone mehr produzieren, sinkt als Folge auch das Risiko für Brust­krebs um 50 Prozent. Nach einer Entfernung der Eier­stöcke sind jüngere Frauen aber unfrucht­bar, sie kommen schlag­artig in die Wechsel­jahre. Das kann negative Folgen für den Hormon­haushalt haben.

Diese Angebote zur Früh­erkennung gibt es in Deutsch­land

Zum gesetzlichen Früh­erkennungs­programm in Deutsch­land gehört für Frauen ab dem Alter von 30 Jahren die jähr­liche Unter­suchung durch einen Frauen­arzt. Der Arzt tastet dabei Brust und Achselhöhlen auf Veränderungen ab. Bei dieser Unter­suchung soll der Arzt außerdem zur Selbst­unter­suchung der Brust anleiten. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren erhalten außerdem alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung zur Mammografie. Die Teil­nahme am gesetzlichen Früh­erkennungs­programm ist freiwil­lig. Ultra­schall­unter­suchungen von Eier­stöcken bei gesunden Frauen zählen nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, weil Eier­stock­krebs durch diese Methode weder zuver­lässig entdeckt noch sicher ausgeschlossen werden kann. Frauen könnten durch Fehl­alarm beunruhigt werden. Die Kosten für den Ultra­schall der Eier­stöcke werden über­nommen, wenn Frauen über Unterleibs­beschwerden klagen oder bei auffälligem Tastbefund im Rahmen der Krebs­früh­erkennungs­unter­suchung.

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chatwin10 am 23.05.2013 um 10:03 Uhr

Kommentar vom Administrator gelöscht.

chatwin10 am 23.05.2013 um 10:02 Uhr

Kommentar vom Administrator gelöscht.

chatwin10 am 23.05.2013 um 10:02 Uhr

Kommentar vom Administrator gelöscht.

Justin66 am 20.05.2013 um 00:55 Uhr
Alternativen

Es wird hier nicht die Früherkennung durch Thermographie erwähnt. Mit dieser Methode kann man eine entstehende Krebserkrankung schon im viel früheren Stadium erkennen und hat dann meist noch genug Zeit, sich eine sanfte Heilmethode auszuwählen. Wenn man sich Thermographien von Brustkrebserkrankten ansieht, kann man in aller Regel erkennen, daß ein Zusammenhang zu einem Entzündungsherd im Zahnbereich (Wurzelkanal) besteht, den man durch einen Spezialisten behandeln lassen sollte.

cornyman am 18.05.2013 um 20:07 Uhr
Wenn jemand alles nur wegen Geld macht... schade!

Schaut euch mal die Nachrichten an, die im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Angelina's Jolie Artikel in der New York Times stehen.
Übrigens, ist das nicht komisch, dass Nachrichten einer Hollywood-Schauspielerin plötzlich zuerst in der New York Times erscheinen und NICHT in der sonst üblichen Regenbogenpresse... wie z.B. PEOPLE-Magazin.
Dies soll wohl den Eindruck einer seriösen und glaubhafteren Berichterstattung für die dahinterstehenden Unternehmen erwecken.
http://recentr.com/2013/05/angelina-jolie-soll-der-industrie-milliardenprofite-und-brca-genpatente-sichern/