
Selten war es so teuer, einen Baukredit früh zu kündigen. Außerdem verlangen manche Banken immer noch zu viel Entschädigung.
Die Ehe ist aus. Der Exmann ist ausgezogen, die gemeinsame Wohnung in Pulheim bei Köln will Irmgard R.* nun verkaufen. Mit dem Erlös muss die Seniorin das Baudarlehen der Deutschen Bank zurückbezahlen, denn ohne die Wohnung fehlt der Bank die Sicherheit.

Doch der Ausstieg aus dem Darlehen wird teuer. Denn anders als vorgesehen zahlen Kunden wie Irmgard R. die Restschuld auf einen Schlag zurück und entrichten künftig keine Zinsen mehr. Für den Zinsverlust verlangt die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung, oft etliche tausend Euro.
Einen Teil ihres Verlusts kann die Bank zwar ausgleichen, indem sie den zurückgezahlten Betrag in sicheren Wertpapieren anlegt. Doch je weiter die Zinsen für die Papiere unter dem vereinbarten Kreditzins liegen, desto mehr Entschädigung verlangt das Institut noch vom Kunden.
Die meisten Banken ziehen die Renditen für Pfandbriefe heran, wenn sie ihren Verlust berechnen. Weil die Renditen der Papiere aber so stark gefallen sind, verlangen sie immer höhere Entschädigungen, zum Beispiel 14 000 Euro für die Kündigung unseres Beispielkredits mit einer Restschuld von 100 000 Euro.
Ähnlich hohe Forderungen stehen allen bevor, die vor wenigen Jahren einen Kredit aufgenommen haben und nun vorzeitig kündigen müssen. In den Verbraucherzentralen häufen sich die Anfragen. Die Verbraucherzentrale Bremen, die in Sachen Vorfälligkeitsentschädigung berät, berichtet von rund 300 Anfragen im ersten Quartal 2012 – üblich sind 150 bis 200 Anfragen pro Quartal.
Der Ausstieg rechnet sich nicht
Der frühe Verkauf der Immobilie und der Ausstieg aus dem Kredit rechnen sich fast nie, weil die Bank so viel Entschädigung verlangt. Wie die Nebenkosten, die beim Erwerb der Immobilie angefallen sind, ist das Geld verloren.
Doch viele haben keine Wahl. Immer wieder hören wir von Lesern wie Irmgard R., dass sie sich von ihrem Partner getrennt haben und die Finanzierung nicht mehr stemmen können. Auch Arbeitslosigkeit oder der Tod eines Eigentümers können Gründe sein.
Die Bank muss den Kunden aus dem Vertrag entlassen, wenn er die Immobilie verkauft. Behält er die Immobilie, bleibt er aber innerhalb der ersten zehn Jahre oder bis Ablauf der Zinsbindung an den Vertrag gebunden. Lässt die Bank den Kunden freiwillig aus dem Vertrag, darf sie sogar eine fast doppelt so hohe Entschädigung verlangen.
Daher lohnt es sich fast nie, einen neuen Kredit auszuwählen und den alten Vertrag zu kündigen – auch wenn günstige Anbieter zurzeit Zinssätze unter 3 Prozent verlangen. In Ausnahmefällen, wenn die Bank eine Entschädigung in üblicher Höhe verlangt, kann sich der Ausstieg aber rechnen. Das sei manchmal bei Forward-Darlehen der Fall, berichtet die Verbraucherzentrale Bremen. Forward-Darlehen heißen Kredite, die Kunden wenige Jahre vor Ende der Zinsbindung für die Anschlussfinanzierung abschließen.
Nicht immer entschädigen
Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als zehn Jahren können Kunden ohne eine Entschädigung kündigen, wenn seit der vollen Auszahlung des Kredits bereits zehn Jahre vergangen sind. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
Aus Krediten mit variablen Zinsen können Kunden sogar von Anfang an mit einer Frist von drei Monaten aussteigen. Solche Darlehen sind aber riskant, weil sie keinen Schutz vor steigenden Zinsen bieten.
Für Kredite ohne Grundbuchsicherung fällt keine Entschädigung an, sofern der Vertrag schon älter ist. Für Kreditverträge ab dem 10. Juni 2010 liegt die Entschädigung bei maximal 1 Prozent des zurückgezahlten Betrags. Ohne Grundbuchsicherung sind Kredite aber meist teurer.
Die Vorfälligkeitsentschädigung können Kunden auch umgehen, wenn sie ihren Immobilienkredit nicht zurückzahlen, sondern ihn für die Finanzierung einer anderen Immobilie nutzen, die so viel wert ist wie die alte. Das haben die Richter des Bundesgerichtshofs entschieden (Az. XI ZR 398/ 02).
Wenn eine Bank ihre Entschädigung ausrechnet, muss sie so tun, als ob der Kunde sonst seinen Kredit künftig so schnell wie möglich abbezahlt hätte.
Dürfte unser Kunde mit der Restschuld von 100 000 Euro seine Tilgung zum Beispiel auf 10 Prozent der anfänglichen Kreditsumme erhöhen, müsste er der Bank nur rund 10 800 Euro statt 14 000 Euro erstatten – 3 200 Euro weniger.
In der Fachliteratur vertreten Experten überwiegend die Ansicht, dass Banken diese Sondertilgungsrechte im vollen Umfang berücksichtigen müssen. So steht es zum Beispiel im Münchener und Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Anderer Meinung sind die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Sie fordern, der Kunde müsse glaubhaft machen, dass er zusätzliche Tilgungsrechte wirklich genutzt hätte (Az. 16 U 182/99). Auf das Urteil berufen sich einige Banken.
Streit mit der Bank lohnt sich
Immerhin: Wenn Kunden die Banken auffordern, alle Tilgungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, lenken die Institute meist ein. Das berichten die Verbraucherzentralen Hamburg und Bremen, die für Bankkunden die Höhe der Entschädigung überprüfen.
Solange sich der Kunde nicht rührt, rechnen manche Institute aber ohne Tilgungsrechte. Auch die ING-Diba berücksichtigte die Rechte vielfach erst, nachdem die Verbraucherschützer sie darauf aufmerksam gemacht hatten. Inzwischen kalkuliere die Bank regelmäßig alle Tilgungsoptionen ein, heißt es in den Verbraucherzentralen Hamburg und Bremen.
Das Institut bestreitet, falsch gerechnet zu haben. Aus „Kulanz“ habe man aber eingelenkt, teilt ein Sprecher mit.
Einige Anbieter wollen auch in Zukunft nicht nachgeben. Sie schreiben in den Vertrag, dass Tilgungsrechte für die Berechnung der Entschädigung keine Rolle spielen.
In den Verträgen der Allianz heißt es zum Beispiel: „Noch nicht ausgeübte Sondertilgungsrechte entfallen bei einer vorzeitigen Voll- oder Teilrückzahlung des Darlehens, die den Betrag des Sondertilgungsrechts übersteigt.“ Die Verbraucherzentrale Hamburg hält das für rechtswidrig und will die Allianz nun verklagen.
Richter bremsen Banken
Viele Leser schreiben uns, dass sie die Angaben der Bank nicht nachvollziehen können. Auch wenn alle Zahlen vorliegen, können sie nicht erkennen, ob die Höhe der Entschädigung angemessen ist.
Beispiel Deutsche Bank: Die Bank rechnet nicht mit den Pfandbriefrenditen, sondern kalkuliert, wie viel sie erzielen könnte, wenn sie das zurückgezahlte Geld erneut verleiht. Von dem zugrunde gelegten Zinssatz zieht sie eine Marge von 0,5 Prozentpunkten ab.
Das ist zulässig, schließlich stecken in dem Zinssatz auch Kosten für Kreditrisiko und Verwaltung, die für die Berechnung der Entschädigung keine Rolle spielen. Der Haken: Welche Werte angemessen sind, können Kunden schwer nachvollziehen.
Immerhin setzen Gerichte den Banken Grenzen. Das Amtsgericht Laufen stoppte die Volksbank Raiffeisenbank Oberbayern Südost. Das Institut rechnete ähnlich wie die Deutsche Bank, verlangte aber in einem Fall eine Marge von 1,46 Prozentpunkten. Zu viel, fanden die Richter (Az. 2 C 25/11).
Beispiel Commerzbank: Allein für die Berechnung der Entschädigung verlangt das Institut pauschal 300 Euro. Worin der Aufwand der Berechnung besteht, wollte uns das Institut nicht mitteilen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hält den Pauschalpreis der Commerzbank für unzulässig, weil er sich nicht am Einzelfall orientiert (Az. 2-21 O 324/11). Die Commerzbank hat Berufung eingelegt.
EU-Richtlinie könnte Wende bringen
Solange die Pfandbriefrenditen sinken, müssen Kunden in Deutschland viel mehr Entschädigung bezahlen als in anderen Ländern in Europa. Das stellt das Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg fest. Die Wissenschaftler haben die Entschädigung in verschiedenen Ländern verglichen.
In Frankreich zahlen Kunden maximal 3 Prozent der Restschuld oder sechs Monatszinsbeiträge. In Belgien sind es sogar nur die Zinsen für drei Monate. Unser Modellkunde müsste in Frankreich 2 500 Euro, in Belgien rund 1 200 Euro bezahlen – statt 14 000 Euro in Deutschland.
Die Vorfälligkeitsentschädigung beschäftigt mittlerweile die Europäische Union. In einem Richtlinienentwurf spricht die Europäische Kommission davon, dass die Rückzahlung eines Baukredits für den Kunden „keine übermäßigen Kosten“ verursachen dürfe. Das Europäische Parlament berät den Entwurf derzeit.
*Name der Redaktion bekannt.
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