Urteil in Sachen Wurstwelten und Halbstrom: Anne und Alexander von Holst bleiben in Haft. Das Landgericht Augsburg hat die Kinder des in die USA geflüchteten Rainer von Holst zu 46 Monaten Haft wegen 43fachen Betrugs und zu 34 Monaten Haft wegen Beihilfe zum 80fachen Betrug verurteilt. Zahlreiche Anleger büßten Millionen Euro ein. Treibende Kraft war offenbar Vater Rainer von Holst.
Auch Vertriebsleiter hinter Gittern
Anne und Alexander von Holst sitzen bereits seit August 2018 in Untersuchungshaft. Ihre Schwester Antonia von Holst wurde ebenfalls zunächst verhaftet, kam aber wieder auf freien Fuß, als das Gericht den Verdacht auf Betrug gegen sie schwinden sah. Urteil gegen sie am Ende: Zehn Monate Haft wegen einiger Konkursstraftaten sowie Veruntreuung von Arbeitsentgelt. Sie muss zumindest vorerst nicht ins Gefängnis. Außerdem verurteilte das Gericht einen Vertriebsleiter unter anderem der betrügerischen Geldanlagen Wurstwelten und Halbstrom zu 36 Monaten Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft können Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. Grundlage des Urteils ist eine strafprozessuale Verständigung zwischen den Beteiligten. Das Gericht beschränkte das Verfahren auf bestimmte Vorwürfe und sicherte eine Obergrenze für die Bestrafung zu. Im Gegenzug legten die Angeklagten ein Geständnis ab.
Wurstwaren und Halbstrom
Rückblende: Mit Hochglanzbroschüren und dreist gefälschten Gutachten warb der von Holst-Clan für Investitionen untere anderem in eine Fleischwarenhandelskette mit einem angeblich einzigartigen Sortiment („Wurstwelten“) und eine Technologie zur Halbierung des Stromverbrauchs von Elektrogeräten („Halbstrom“). Die Geldanlagen sollten verführerisch hohe Zinsen bringen. 15 Prozent in 180 Tagen sollten die Investitionen bringen. Tausende von Anlegern fielen darauf herein. Sie steckten zum Teil sechsstellige Beträge in die Projekte.
Großangelegter Betrug
Ein groß angelegter Betrug, urteilte das Landgericht Augsburg am Ende. Insgesamt 12 Millionen Euro haben Anleger nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei an die Betrügerbande überwiesen. Als der Vertrieb für die dubiosen Geldanlagen ins Stocken geriet, brachen die Unternehmen hinter den Wurstwelten und dem Konzept Halbstrom zusammen. Der größte Teil der Anlegermillionen dürfte verloren sein. Ein Teil des Geldes steckt wohl in Rainer von Holsts Villa in den USA, sagte der Vorsitzende bei der Urteilsbegründung. Er habe seine Kinder und den Vertriebsleiter manipuliert und so im Hintergrund die Fäden gezogen. Die Angeklagten selbst profitierten offenbar nicht direkt von den ergaunerten Millionen, sondern erhielten nur vergleichsweise bescheidene Gehälter.
Vater von Holst flüchtete in die USA
Vor Gericht belasteten seine Kinder und der Vertriebsleiter den Vater Rainer von Holst. Der hatte sich rechtzeitig in die USA abgesetzt und lebt dort bisher unbehelligt. Von Holst hat bereits eine lange kriminelle Karriere hinter sich. test.de berichtet bereits seit Jahren immer wieder über seine Machenschaften und warnte Anleger vor den Projekten. Auch von den USA aus betreibt Rainer von Holst seine krummen Geschäfte weiter. Mit dem Onlinedienst Gerlachreport erpresst er Unternehmensvorstände, Politiker und Prominente. Er kassiert dafür, dass er keine negativen Berichte mehr über sie im Gerlachreport veröffentlicht. Viele Erpresste zahlen, weil sie sich anders gegen die rufschädigenden Artikel nicht wehren können. Denn der Gerlachreport nennt im Impressum keine ladungsfähige Adresse und kann deshalb kaum auf Unterlassung verklagt werden.
Weitere Einzelheiten: Abzocke, Drohungen, Rufmord - Rainer von Holst und der Gerlachreport
Jetzt bessere Chance auf Schadenersatz
Opfern des Wurstwelten- und Halbstrom-Skandals kann das Strafurteil zumindest indirekt etwas weiterhelfen: Sie können gegen gegen Anne und Alexander von Holst sowie den Wurstwelten-Vertriebsleiter jetzt gestützt auf die Feststellungen des Landgerichts Augsburg Schadenersatz wegen Betrugs oder wegen Beihilfe zum Betrug fordern (Landgericht Augsburg, Urteil vom 14.10.2019, Aktenzeichen: 9 KLs 510 Js 102146/19 [nicht rechtskräftig]).
Die Verurteilten haften jeweils mit ihrem ganzen Vermögen. Geschädigte haben damit eine Chance, doch noch etwas von ihrem Geld zurück zu bekommen. Allerdings: Um alle Ansprüche auszugleichen, wird das Vermögen der drei wohl kaum ausreichen. Ob Rainer von Holst jemals persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann, ist weiter offen. Die Staatsanwaltschaft in Augsburg hat die Auslieferung beantragt. Wann die Behörden in den USA darüber entscheiden, ist unklar. Immerhin: Wenn Rainer von Holst ausgeliefert wird, dürfte es eng für ihn werden. Die gerichtlichen Aussagen seiner Kinder gegen ihn sind auch dann verwertbar, wenn diese sich später auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige berufen sollten.
[Update 04.11.2019] Trotz des auf einer Verständigung zwischen Angeklagten, Gericht und Staatsanwaltschaft beruhenden Urteils haben Tochter Anne und Sohn Alexander Haftbeschwerde und Revision eingelegt. Beide saßen bei Urteilsverkündung seit über einem Jahr in Untersuchungshaft.Mit der Haftbeschwerde wollen sie erreichen, zumindest bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revision auf freien Fuß gesetzt zu werden. Auch Vertriebsleiter Cosimo T., der kurz nach seiner Verhaftung im Sommer 2018 wieder frei kam, hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Über die Haftbeschwerden ist noch nicht entschieden. [Ende Update]
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