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In Apotheken, Drogerien und Online-Shops sind viele hochdosierte Vitamin-D-Präparate im Angebot. Aber leisten sie mehr als Tabletten und Tropfen mit Standarddosierung? Die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest haben eine aktuelle Studie ausgewertet, die den Nutzen unterschiedlich dosierter Präparate für ältere Menschen vergleicht. Unser Artikel verrät, ob die Einnahme von sehr viel Vitamin D Vorteile bringt.
Viel Werbung fürs „Sonnenvitamin D“
„Sonnenvitamin“, „Multitalent für Ihre Gesundheit“, „für Knochen, Zähne, Muskeln und das Immunsystem“, so bewerben die Anbieter von Vitamin-D-Präparaten ihre Pillen und Tropfen. In Apotheken, Drogerien und im Online-Handel finden sich auch viele hoch dosierte Vitamin-D-Präparate. Sie enthalten beispielsweise eine Vitamin-D3-Tagesdosis in Höhe von 1 000 oder auch 2 000 I.E. – wobei eine I.E. (Internationale Einheit) 0,025 Mikrogramm entspricht. Die Standarddosis für Vitamin-D-Präparate liegt niedriger – bei 800 I.E, also 20 Mikrogramm. Genau so viel Vitamin D sollten ältere Menschen nach einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu sich nehmen. Bisweilen verordnen Mediziner höhere Dosen, weil sie einen bestimmten Vitamin-D-Spiegel im Blut des Patienten erreichen wollen.
Stärkt Vitamin D die Beinfunktion?
Aber ist es überhaupt sinnvoll, einen bestimmten Wert anzustreben – oder schadet das am Ende gar? Ein Team aus Schweizer und US-Forschern hat den Nutzen hoch konzentrierter Vitamin-D-Präparate untersucht und die Ergebnisse ihrer Studie im Februar 2016 im Fachmagazin Jama Internal Medicine veröffentlicht. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Vitamin-D-Präparate und ein bestimmter Vitamin-D-Spiegel die Funktionsfähigkeit der Beine bei älteren Menschen verbessern und somit das Sturzrisiko verringern können.
Jeder zweite Proband litt an Vitamin-D-Mangel
Die Wissenschaftler wählten ihre 200 Studienteilnehmer gezielt aus. Alle waren über 70 Jahre alt, lebten selbstständig zu Hause und waren im Jahr zuvor gestürzt. Zwei von drei Probanden waren Frauen. Bei ungefähr der Hälfte der Studienteilnehmer lag der Vitamin-D-Spiegel unter 20 Nanogramm je Milliliter Blut (ng/ml), was als Mangel gilt (zur Einordnung siehe Glossar Vitamin D).
Drei Testgruppen
Die Probanden bekamen alle vier Wochen eine Trinklösung mit Vitamin D3, allerdings in unterschiedlichen Konzentrationen: Einige erhielten eine hohe Dosis von 60 000 I.E, was umgerechnet einer Tagesdosis von 2 000 I.E. entspricht. Andere bekamen 24 000 I.E. verabreicht – dies entspricht der allgemeinen Standarddosis von 800 I.E. pro Tag. Die dritte Gruppe Probanden nahm einmal im Monat eine Trinklösung mit 24 000 I.E. Vitamin D plus 300 Mikrogramm 25-Hydroxy-Vitamin D als Kapsel ein (siehe auch Glossar Vitamin D).
Hoher Vitamin-D-Spiegel nutzte den Senioren nicht
Mit der Zeit stieg bei den Probanden mit hoher Zufuhr der Vitamin-D-Spiegel im Blut deutlich an – bei manchen auf über 30 ng/mg – und damit stärker als bei Probanden, denen die Standardmenge gegeben wurde. Aber: Die höheren Vitamin-D-Spiegel nutzten den Senioren nicht: Die Beinfunktion – wie Gang und Balance – war nicht besser als bei Probanden mit niedriger Vitamin-D-Zufuhr.
Zu viel Vitamin D könnte das Sturzrisiko sogar steigern
Nach zwölf Monaten Therapie zeigten sich bei den Probanden mit den höchsten Vitamin-D-Spiegeln im Blut sogar negative Effekte: Sie hatten ein höheres Sturzrisiko als die anderen. Lag der Vitamin-D-Spiegel über 44,7 ng/ml, kam es im Schnitt zu 1,59 Stürzen pro Jahr, bei einem Vitamin-D-Spiegel von 21 bis 30 ng/ml betrug der Wert aber nur 0,84.
Ältere Studie bestätigt
Die aktuellen Studienergebnisse passen zu denen einer anderen Studie von 2015, die ebenfalls in Jama Internal Medicine erschien (Treatment of Vitamin D Insufficiency in Postmenopausal Women). Darin hatten US-Forscher untersucht, ob Vitamin-D-Präparate Frauen nach den Wechseljahren zu dichteren Knochen und mehr Muskelkraft verhelfen können. Im Durchschnitt waren die Probandinnen 60,5 Jahre alt und hatten einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel von 21 ng/ml. Zu Beginn der Studie wurden sie auf drei Gruppen verteilt: Eine Gruppe nahm hochdosierte Vitamin-D-Präparate ein, eine andere erhielt Standardprodukte und die dritte ein Scheinmittel, also ein Placebo.
Keine dichteren Knochen durch mehr Vitamin D
Nach einem Jahr kontrollierten die Forscher das Blut der Probandinnen: hoch dosierte Präparate führten zu einem als „optimal“ angesehenen durchschnittlichen Vitamin-D-Spiegel von 56 ng/ml, Standarddosierungen sorgten für mittlere Werte von 28 ng/ml und der Placebo für einen niedrigen Vitamin-D-Status von im Mittel 19 ng/ml. Doch medizinische Auswirkungen hatte das alles nicht: In allen drei Gruppen zeigten sich nach den zwölf Monaten keine Unterschiede bei Knochendichte und Muskelkraft – auch nicht hinsichtlich der Sturzneigung.
Experten fordern: Hoch dosierte Präparate als Arzneimittel einstufen
Hoch dosierte Vitamin-D-Präparate dürfen in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Doch das kritisieren Experten vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach ihrer Einschätzung sollten hoch dosierte Präparate als Arzneimittel eingestuft werden. Diese müssen – im Unterschied zu Nahrungsergänzungsmitteln – ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen, wenn sie für bestimmte Krankheiten wie Osteoporose zugelassen werden sollen. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom Januar 2016 empfehlen BVL und BfArM, künftig nur noch Produkte bis zur Standarddosierung von 800 I.E. als Nahrungsergänzungsmittel gelten zu lassen.
Was nützen Nahrungsergänzungsmittel?
Interessant: Mit Vitamin D scheint sich gerade zu wiederholen, was in der Vergangenheit mit antioxidativen Vitaminen geschah wie Vitamin A, Beta-Karotin, Vitamin C und Vitamin E: Am Anfang zeigen Beobachtungsstudien, dass gesunde Menschen höhere Vitaminspiegel haben als Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand. Aus der Annahme heraus, dass Vitamine an sich nicht schaden können, entsteht ein prosperierender Markt für Vitamin-Supplemente. Bis die Euphorie nach und nach der Ernüchterung weicht, da sich die angeblichen Gesundheitsvorteile in methodisch hochwertigen randomisierten Studien nicht beweisen lassen.
Positive Gesundheitseffekte wissenschaftlich nicht beweisbar
Bestenfalls belegen die Studien, dass es keinen Effekt gibt – wie etwa bei Folsäure (Folat und Folsäure) und Vitamin C (Prophylaxe bei Erkältungserkrankungen). Im schlimmsten Fall werden aber Risiken einer hochdosierten Langzeiteinnahme offenkundig, wie bei den Vitaminen Beta-Karotin (schädlich für Raucher) und Vitamin E (Überdosierung kann Herz schädigen). Was Vitamin D angeht, sind abschließende Aussagen indes noch nicht möglich.
Tipp: Für wen Vitamin-D-Präparate überhaupt sinnvoll sind (und in welcher Dosierung), verrät unser FAQ Vitamin D. Weiterführende Infos enthält der Beitrag Vitamin D: Pillen statt Sonne – wann sie sinnvoll sind. Grundlegende Informationen zu Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen finden Sie in unserer Datenbank Medikamente im Test.
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Ja, tatsächlich sollte ein Zahnarzt der Implantate setzen will, den Vit D-Spiegel des Patienten bestimmen lassen und entsprechend vor der OP "auffüttern". was dann schonmal 3 Moante dauern kann.
Für den Patienten mit einem geringen VD-Spiegel könnte/wird es u.U. Probleme mit dem Einwachsen des Implatates geben. Unangenehm für den Patienten, was bringt es dem Arzt auf diese billige Untersuchen zu verzichten?
Zu dem wird bei Zahnfleischentzündungen heute auch erstmal
der VD-Pegel hoch gebracht (über 30ng/ml). Ein gesundes Zahlfleisch ist auchfür ein Implantat gut.
"Hoher Vitamin-D-Spiegel nutzte den Senioren nicht"
nur wer weiterliest stelle fest, das es eigentlich
"Hoher Vitamin-D-Spiegel nutzte den Senioren nicht gegen stürzen"
heißen müsste...
Unschön, finde ich, zumal:
Gerade in der letzten "test" (1/2021) schreiben Sie ja selbst,
dass ein guter D3-Spiegel bei Erkältungen durchaus hilft.
Wie paßt das zu Ihren Aufgaben?
Oder hat Typografie Vorrang vor Information?
Und dann gleich nochmal:
"Positive Gesundheitseffekte wissenschaftlich nicht beweisbar"
Irgendwie seltsam dieser Bias.
Kann es sein das der Artikel völlig überholt ist?
Kommentar vom Autor gelöscht.
Was halten Sie davon
"Dazu müssen die Nanomol-Werte durch 2,5 dividiert werden. "
in
"Dazu muß der Wert in Nanomol zweimal verdoppelt und
einmall durch 10 geteilt werden"
zu ändern?
Das klingt zwar nicht sonderlich "hochgeistig" ist aber deutlich einfacher im Kopf zu rechnen als durch "durch 2,5 dividieren", oder? :-)
Kommentar vom Autor gelöscht.