Pillen mit Vitamin D sollen vielerlei Leiden vorbeugen. Studien stützen die Hoffnung nicht. Profitieren können die Knochen.
Die Sonne birgt schöpferische Kraft. Unter ihrem Einfluss bildet die menschliche Haut Vitamin D. Das als „Sonnenvitamin“ gepriesene Molekül ist wichtig für die Knochen. Und es soll noch mehr können: In den Medien und auf Kongressen schreibt man ihm seit einiger Zeit wahre Wunderkräfte zu. Es schütze vor Krebs, Diabetes, Depressionen, Herz-Kreislauf-, Autoimmun- und anderen Krankheiten. Auch die Ratgeber-Dichte („Heilkraft D“, „Gesund in sieben Tagen“ ) ist hoch.
Das Vitamin-D-Dilemma
Der Wirbel währt noch nicht besonders lange und schürt Ängste. Deutschland sei ein „Vitamin-D-Mangelland“, viele Menschen litten unter einer drastischen Unterversorgung. Schuld daran: das Wetter. Die Sonne macht sich in unseren Breiten zumindest im Winter rar. Und selbst an strahlenden Sommertagen sind ausgedehnte Sonnenbäder nicht zu empfehlen – das Hautkrebsrisiko ist zu hoch. Zweifellos ein Dilemma. Denn selbst mit vitamin-D-reichem Essen wie Hering, Lachs, Eiern allein lässt sich der Bedarf längst nicht decken. Vitamin-D-Pillen versprechen die Lösung. Noch aber streiten die Gelehrten, wie sinnvoll die Präparate sind und wem sie wirklich nützen. Die Stiftung Warentest hat die Studien zum Thema gesichtet.
Mangel häufig, aber selten schwer
Dass der Mensch Vitamin D braucht, steht fest – doch wie viel genau, ist unklar. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt einen Blutwert von 50 Nanomol pro Liter. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) bleiben etwa 60 Prozent der Deutschen darunter. Fast 20 Prozent erreichen nicht einmal 25 Nanomol je Liter. Ein schwerer Mangel (unter 12,5 Nanomol pro Liter) ist sehr selten, aber gefährlich. Er führt zu Knochenleiden wie Osteomalazie oder Rachitis. Auch bei etwas höheren Werten als 12,5 Nanomol je Liter ist laut RKI „häufig eine ungünstige Wirkung auf den Knochenstoffwechsel nachzuweisen“.
Ob ein niedriger Vitamin-D-Spiegel weitere Krankheiten verursacht, ist umstritten. Untersuchungen zeigen einen Zusammenhang. Allerdings handelt es sich nur um Beobachtungsstudien. Sie liefern keine Antwort auf die klassische Frage nach dem Huhn und dem Ei: Ist der Vitamin-D-Mangel die Ursache der Leiden – oder die Folge?
Kein Wundermittel für alle
Nach jetzigem Kenntnisstand schützen Vitamin-D-Präparate nur bedingt vor Krankheiten. Das schrieben neuseeländische Forscher um Dr. Mark Bolland 2014 im Fachjournal The Lancet Diabetes & Endocrinology. Sie hatten 40 klinische Studien ausgewertet. Testpersonen, oft mit wenig Vitamin D im Blut, hatten mehrere Monate bis Jahre per Zufallsprinzip ein Vitamin-D-Präparat oder ein Scheinmedikament bekommen. Fazit: Vitamin D senkt das Risiko der Allgemeinbevölkerung für Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs gar nicht oder bestenfalls um 15 Prozent. Nur bei älteren Menschen in Pflegeheimen fällt die Bilanz besser aus. Sie erleiden seltener Knochenbrüche als ohne die Mittel. Ob diese die Lebenserwartung beeinflussen, ist unsicher.
Manchem mögen solche Erfolgsraten für den Kauf von Vitamin-D-Präparaten reichen. Aber laut den Autoren der Meta-Analyse gibt es „wenig Rechtfertigung“, sie breitgestreut unters Volk zu bringen. Andere Studienauswertungen, etwa aus dem British Medical Journal 2014, liefern ähnliche Ergebnisse. Vitamin-D-Präparate scheinen demnach bei mehr als 100 Krankheiten, darunter Autoimmun-, Stoffwechsel- und Gehirnleiden, keine Vorteile zu bringen. Forscher vermuten, dass künstlich zugeführtes Vitamin D nicht alle günstigen Wirkungen der Sonne auf den Körper abdeckt. Andere meinen, die optimale Dosis noch nicht zu kennen. Die US-amerikanische Vital- und weitere Studien dürften mehr Aufschluss liefern. Sie laufen noch.
Sinnvoll für bestimmte Personen
Bis neue Erkenntnisse vorliegen, gilt: Vitamin-D-Pillen sind vor allem für Risikogruppen angebracht, um Knochen zu stärken.
- Babys. Sie dürfen nicht direkt in die Sonne und bekommen über ihre Nahrung kaum Vitamin D. Sie sollten es daher per Pille erhalten – Ärzte empfehlen das im ersten Lebensjahr und auch noch im zweiten Winter.
- Senioren ab 65. Im Alter nimmt die Bildung von Vitamin D in der Haut ab. Daher können Präparate notwendig werden.
- Dunkelhäutige Menschen. Sie bilden in unseren Breiten, anders als etwa in Afrika, weniger Vitamin D als helle Typen.
- Personen mit sehr wenig Sonnenkontakt. Dazu zählen zum Beispiel vollverschleierte Frauen und Pflegeheimbewohner.
- Kranke. Etwa Menschen, die bereits an einer Knochenkrankheit wie Osteoporose leiden oder ein erhöhtes Risiko haben, weil sie Kortison einnehmen.
Die übliche Tagesdosis für Säuglinge beträgt 400 bis 500 I.E. (internationale Einheiten) – das entspricht 10 bis 12,5 Mikrogramm Vitamin D. Erwachsenen-Präparate enthalten oft das Doppelte.
Oft auch Kalzium erforderlich

Auflösen. Vitamin D plus Kalzium gibt es oft als Brausetabletten.
Zusätzlich kann die Einnahme von Kalzium sinnvoll sein. Es stärkt im Zusammenspiel mit Vitamin D die Knochen und kommt vor allem in Milchprodukten vor. Ein Viertelliter Milch und zwei Scheiben Emmentaler pro Tag etwa decken den Bedarf (dazu auch unsere Meldung Milch: Macht sie krank oder stark?). Wer solche Kost nicht mag oder verträgt, braucht – je nach Ernährung – ein Präparat mit 500 bis 1 000 Milligramm Kalzium. Es gibt Kombiprodukte und solche, die nur Vitamin D oder Kalzium enthalten (Tabelle unten, weitere Bewertungen finden Sie in unserer Datenbank Medikamente im Test). Verbraucher können auch auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Anders als Medikamente brauchen sie keine Zulassung, sind oft günstiger und ähnlich zudosieren.
Auch wenn sie ohne Rezept erhältlich sind: Niemand sollte Vitamin D auf Verdacht nehmen. Wer meint, die Mittel zu brauchen, spricht besser mit seinem Arzt. Im Übermaß können sie Nebenwirkungen wie Nierensteine verursachen. Das ist bei sehr hohen Mengen (etwa ab 4 000 I.E. pro Tag) über einen längeren Zeitraum möglich. Krankenkassen zahlen für Vitamin-D-Präparate nur in Ausnahmen. Auch einen Bluttest bekommen gesetzlich Versicherte nur bei begründetem Verdacht auf einen Mangel erstattet, etwa bei Osteoporose. Meist tragen sie die Kosten der Untersuchung von etwa 20 bis 30 Euro selbst. Arzt und Patient müssen im Einzelfall entscheiden, ob der Test sinnvoll ist. Ab wann ein niedriger Vitamin-D-Wert Pillen erfordert, ist Abwägungssache.
Achtsam in die Sonne
Wer sich natürlich – also mit Sonnenlicht – mit Vitamin D versorgt, darf das Hautkrebsrisiko nicht vergessen. Fachgesellschaften und Behörden haben sich darauf geeinigt, dass es genüge, zur Vitamin-D-Bildung Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal die Woche unbedeckt ohne Creme der Sonne auszusetzen – halb so lange, wie es bis zum Sonnenbrand dauern würde. Aber: Erstens ist das schwer einzuschätzen. Und zweitens können auch kleine Dosen UV-Licht – weit vor dem Auftreten von Sonnenbrand – die Erbsubstanz schädigen und so in der Summe Hautkrebs fördern.
Es gilt also abzuwägen. Je praller die Sonne scheint, desto wichtiger ist guter Schutz (mehr dazu in unseren FAQ Vitamin D). Von Solarien raten Experten ab. Bewegung aber tut gut. Sie stärkt die Knochen. Und Effekte gegen Krebs und für Kreislauf, Hirn und Psyche sind bekannt – das, was viele sich vom Sonnenvitamin erhoffen.
Geeignete Arzneien
Für Risikogruppen, die vorbeugen oder einen Mangel behandeln wollen, stuft die Stiftung Warentest Arzneimittel mit Vitamin D als geeignet ein. Auch Kalzium ist oft sinnvoll.
Die günstigsten geeigneten Präparate | Preis (Euro) |
Die günstigsten geeigneten Präparate | Preis (Euro) |
Vitamin D3 1 000 I.E.1 Tabletten (100 Stück) | |
Vitamin D3 Hevert | 7,74 |
Vitagamma Vitamin D3 1 000 I.E. | 7,76 |
Dekristol 1 000 I.E. | 7,77 |
Vigantoletten 1 000 I.E. | 7,87 |
Vitamin D3 880 I.E. + Kalziumkarbonat 2500 mg2 Brausetabletten (100 Stück) | |
Calcium D3 AL | 33,50 |
Calcium D3 acis | 34,46 |
Calcium D3 beta | 36,89 |
Preise laut Lauertaxe, Stand 1. August 2015.
- 1 I.E. steht für internationale Einheiten. 1000 I.E. entsprechen 25 Mikrogramm Vitamin.
- 2 Entspricht 1000 mg Kalzium.