
Mit der Geburt. In Deutschland erhalten bereits Neugeborene eine Identifikationsnummer. © mauritius images / Pitopia / scusi
Daten aller Bundesbürger sollen zukünftig stärker zusammengeführt werden. Datenschützer und die Opposition kritisieren das Vorhaben. test.de informiert.
Verwaltung soll effizienter werden
Die Bundesregierung möchte die öffentliche Verwaltung effizienter gestalten. Dabei soll das kürzlich verabschiedete Registermodernisierungsgesetz helfen, das die steuerliche Identifikationsnummer (Steuer-ID) zu einer Art allgemeinen Bürgernummer der Verwaltung ausweitet.
Weniger Papierkram
Anträgen bei staatlichen Stellen müssen oft viele Dokumente beigefügt werden, die bereits bei anderen Behörden vorliegen. Beim Bafög-Antrag sind das etwa eine Ausweiskopie und ein Steuerbescheid der Eltern; bei der Eheschließung die Geburtsurkunden.
Prinzip „einmal reicht“
Behörden sollen sich die nötigen Informationen mit Zustimmung der Bürger demnächst selbst beschaffen können. Das Bundesinnenministerium spricht vom "Once-Only-Prinzip" („einmal reicht“). Ein und dasselbe Dokument mehrfach bei verschiedenen Stellen einzureichen, soll überflüssig werden.
Datenschutzcockpit soll Transparenz schaffen
Voraussetzungen. Damit dieser Austausch funktioniert, werden verschiedene Verwaltungsstrukturen verändert. Insgesamt 51 Behörden führen die Identifikationsnummer ein – darunter Melderegister, Fahreignungsregister, Nationales Waffenregister und Elterngeldstellen.
Basisdaten. Das Bundeszentralamt für Steuern, das bisher die Steuer-ID ausgibt, soll Basisdaten wie Namen, Adresse, Geburtsdatum und -ort aller Bürgerinnen und Bürger speichern und anderen Behörden bei Bedarf mitteilen.
Transparenz. Die Menschen in Deutschland sollen über ein Portal namens „Datenschutzcockpit“ sehen können, welche Stellen die eigenen Daten abgerufen haben.
Kosten. Die Bundesregierung rechnet für den Verwaltungsumbau mit 1,2 Milliarden Euro Kosten. Wann die notwendigen technischen Änderungen umgesetzt sein werden, ist noch unklar. Erst dann wird das Gesetz vollständig in Kraft treten.
Kritik an Zusammenführung so vieler Daten
Eine Identifikationsnummer sei nötig, um Namensverwechselungen zu vermeiden und die Qualität der Daten zu erhöhen, argumentiert die Bundesregierung. Datenschützer und Oppositionsparteien kritisieren aber die Ausweitung der Steuer-ID zu einem Personenkennzeichen. Sie verweisen auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983. Demnach ist eine „umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit“ verfassungswidrig.
Datenschutzbeauftragter: An Österreich orientieren
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber spricht sich für das Modell der „bereichsspezifischen Kennzeichen“ aus, das beispielsweise in Österreich genutzt wird. In diesem Ansatz nutzen unterschiedliche Bereiche der Verwaltung unterschiedliche Nummern zur Identifizierung der Bürger. Nur eine bestimmte Stelle weiß, welche Nummern zur gleichen Person gehören und kann Daten so weiterleiten. Das soll verhindern, das umfassende Persönlichkeitsprofile gebildet werden. Das nun in Deutschland gewählte Modell verwendet im Gegensatz dazu dieselbe Identifikationsnummer für alle Behörden.
Sorge um Nutzung durch Privatwirtschaft
Darüber hinaus warnt der Bundesdatenschutzbeauftragte in einer Stellungnahme davor, privatwirtschaftliche Unternehmen könnten die Identifikationsnummer nutzen, um Kunden eindeutig zuzuordnen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte auf Anfrage der Stiftung Warentest mit, das Gesetz sehe diese Möglichkeit nicht vor.
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Anscheinend haben die Befürworter dieses Vorhabens aus den Datenschutzdebatten der letzten Jahre oder Ereignissen wie der Snowden-Affaire nichts, aber rein gar nichts gelernt. Es gibt wirklich Wichtigeres, als den Verwaltungsaufwand für personenbezogene Daten zu verringern. Wie wäre es stattdessen mal mit konsequentem Bürokratieabbau – z.B. einer Steuerreform mit Abschaffung von zigtausenden Regeln & Ausnahmen, Abbau der unglaublichen Zahl von Berufspolitikerposten (nein, wir brauchen in D nicht mehrere Tausend von denen!). DAMIT ließe sich Geld sparen und das Leben der Bürger vereinfachen. Nicht die Bürger sind für die Verwaltung da, es ist genau umgekehrt.