Photosynthese mit Kunstlicht statt Sonne? Salat, der in der Vitrine wächst, statt in der Erde? Und das Ganze mitten in der Stadt? Urban Indoor Farming heißt der neue Trend. Junge Start-ups bauen Gemüse in geschlossenen Räumen an. Ihre Pflanzen wachsen auf Substrat, gedeihen unter LED-Licht oder werden mit Fischkot gedüngt. Ziel dieser neuen Landwirtschaftsform: Frische Ware ohne Umwege zum Verbraucher bringen und dabei möglichst effizient und nachhaltig sein.
Was ist das eigentlich: Urban Indoor Farming?
Es klingt wie Zukunftsmusik, ist mancherorts aber schon Wirklichkeit: Beim Einkauf im Supermarkt pflücken Kunden den Salatkopf frisch aus einer Art Kühlschrank. Beim Restaurantbesuch werden die Zutaten für das bestellte Essen für alle sichtbar aus einer Vitrine geerntet und frisch zubereitet. Neue Anbaukonzepte machen das möglich. Junge Firmen wie Infarm in Berlin oder Agrilution in München lassen Lebensmittel in künstlichen Farmen mitten in der Stadt gedeihen. Der Überbegriff dafür lautet Urban Indoor Farming. Vorreiter sind die USA und Japan. Um den begrenzten Platz in der Stadt zu nutzen, wird das Gemüse meist auf mehreren Etagen übereinander angelegt. Man spricht dann von Vertical Farming.
Was wird angebaut und wie funktioniert das Ganze?
Bis jetzt werden überwiegend Salate, Tomaten und Kräuter auf diese Weise angebaut. Sie wachsen nicht auf Erde, sondern in Nährlösungen und auf Substraten. Spezielle LEDs unterstützen die Photosynthese der Pflanzen, mancher moderne Farmer kombiniert Kunstlicht mit Sonnenlicht (siehe auch unsere Meldung Urban Gardening: Gesundes Gemüse aus dem Bunker).
Was sollen die Vorteile sein?
Die Produzenten betonen selbst, dass ihr Indoor-Gemüse ganzjährig verfügbar sei und unabhängig von der Witterung gedeihen würde. Es brauche nur Wasser und Strom. Lange Transportwege, Kühlung und Lagerung würden wegfallen. Die Firmen versichern zudem: Pflanzenschutzmittel seien in den geschlossenen Anbausystemen so gut wie überflüssig. Untersuchungen von amtlicher Seite, was mögliche Rückstände, aber auch Nährstoffgehalte des Indoor-Gemüses betrifft, gibt es noch nicht. Da es sich um Nischenprodukte handelt, hat die Stiftung Warentest bisher noch keinen vergleichenden Warentest gemacht.
Ist das bio?
Die Biobranche lehnt die künstlichen Farmen überwiegend ab. Kritikpunkt: Indoor Farming sei unnatürlich. Kräuter und Gemüse würden zu beliebig reproduzierbaren Industrieprodukten degradiert, lautet ein Argument. Auch die neu überarbeitete EU-Öko-Verordnung, die ab 2021 in Kraft treten wird, macht klar: Auf Substrat gewachsene Lebensmittel dürfen sich nicht bio nennen. Der Grundsatz des ökologischen Landbaus – eine bodenbezogene Produktion – bleibt erhalten. Ausnahmeregelungen wird es dennoch geben, etwa für kürzlich zertifizierte Gewächshäuser in Skandinavien.
Welche Varianten gibt es?

Mitarbeiter von ECF Farm füttern Barsche. Der Kot der Fische wird später Basilikum-Pflanzen zugute kommen. © ECF Farmsystems GmbH
Die Anbauflächen für das Gemüse von morgen variieren: Es können kühlschrankgroße Gewächsschränke sein, so genannte Plantcubes, die es übrigens auch schon für zu Hause gibt. Oder es handelt sich um größere Container, ganze Farmen oder – als denkbar größte Variante – ein Hochhaus, den Farmscraper. Die so genannte Aquaponik verbindet die Fischzucht mit dem Pflanzenanbau. Die Fische werden innen in großen Becken gehalten, ihre Ausscheidungen dienen den Pflanzen als nährstoffreicher Dünger. Auf diese Weise erzeugt zum Beispiel die Firma ECF Farm Barsch und Basilikum in Berlin.
Wo kann man Produkte aus Indoor-Farming kaufen?
Den Barsch und Basilikum aus Aquaponik können Verbraucher in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in bestimmten Rewe-Märkten kaufen. Auch Händler Metro experimentiert mit dem neuen Konzept und bietet in einer Berliner Filiale einen Kräutergarten von Infarm an. Erste Restaurants werden von Indoor-Farmern beliefert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass solche Angebote künftig zunehmen. Global betrachtet könnte Indoor Farming dazu beitragen, arme Länder besser zu versorgen. Nicht wenige träumen von großen, produktiven Farmen, die pro Woche Tausende frische Lebensmittel erzeugen.
Würden Sie Lebensmittel aus Indoor-Farming-Projekten kaufen?
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