
Die Deutsche Bahn gibt ihr Pünktlichkeitsziel für dieses Jahr auf. In der öffentlichen Diskussion werden oft Herbststürme als wichtiger Grund dafür genannt. Die Recherchen von test.de zeigen: Die DB-Züge fuhren auch an windarmen Novembertagen ihrem Fahrplan zu oft hinterher.
An keinem von 17 Tagen das Ziel erreicht
Interne Bahnstatistiken beziffern die Pünktlichkeit im gesamten deutschen Fernverkehr taggenau. Für 17 Tage im Zeitraum 5. bis 30. November 2017 liegen uns die Daten vor: Besonders gering war der Anteil pünktlicher Züge mit 69,5 Prozent am 5. November oder mit 69,4 Prozent am 15. November. Schlimmste Erkenntnis: An keinem einzigen der betrachteten 17 Tage erzielte die Deutsche Bahn ihre selbstgesetzten Ziele für die Herbstsaison.
Jeder vierte Fernzug verspätet
Im Durchschnitt der 17 Tage erreichte jeder vierte Fernzug die Bahnhöfe mit Verspätung. Als pünktlich gelten dabei ICE-, IC- und EC-Züge, die weniger als 6 Minuten vom Fahrplan abweichen. Wichtig ist die minutengenaue Einfahrt in die Bahnhöfe vor allem für diejenigen, die einen Anschlusszug erreichen müssen und dafür nur wenig Umsteigezeit zur Verfügung haben.
Viele Probleme – der Sturm war es diesmal nicht
Sturmtief Herwart kann für diese aktuellen Probleme kaum verantwortlich sein. Es störte den Bahnverkehr Ende Oktober oder allenfalls noch an den ersten Novembertagen. Es müssen also andere Ursachen entscheidend sein.
Engpässe erfordern Investitionen
Tatsächlich sind die Verspätungsgründe vielfältig: Dazu zählen Baustellen, die nicht rechtzeitig fertig werden, ebenso wie technische Pannen an Zügen, Weichen, Signalen oder Stellwerken. Größtes Problem bei Verspätungen sind die Engpässe im Netz, die wie ein Nadelöhr wirken. Hier ist der Zugverkehr so dicht, dass sich ein einziger verspäteter Zug auch auf die Fahrt anderer Züge auswirken kann. Hohe Investitionen sind erforderlich, um diese Knotenpunkte nachhaltig zu entlasten. Fahrgastverbände warnen schon seit langem davor, dass einseitig Großprojekte wie die Schnellfahrstrecke München-Berlin im Fokus stehen – und an vielen anderen Stellen im Netz Geld für Investitionen fehle, so dass Züge ausgebremst werden.
Tiefpunkt: Eine Pünktlichkeitsquote von 50 Prozent
Am schlimmsten mussten Fahrgäste dieses Jahr am 19. Juni leiden. Da fuhr jeder zweite Fernzug verspätet. Grund: Brandanschläge während des G-20-Gipfels in Hamburg. Dazu kamen Auswirkungen des Tiefdruckgebiets Paul.
Das Ziel: 85 Prozent sollen pünktlich sein
Bahnchef Lutz hatte für dieses Jahr eigentlich eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent angepeilt. Langfristig sollen es nach wie vor 85 Prozent sein. Die Bahnstatistiken belegen, dass dies durchaus realistisch sein kann. Im Frühjahr hatte sich die Situation im Vergleich zu früheren Jahren deutlich verbessert. So rollten zum Beispiel von Januar bis April dieses Jahres deutlich mehr als 80 Prozent der ICE, IC und EC pünktlich in die Bahnhöfe ein. Spitzenwert im Februar: 86,4 Prozent. An einzelnen Tagen lief der Fernverkehr ganz besonders reibungslos: zum Beispiel am Sonntag, den 23. April, mit einer Pünktlichkeitsquote von 87,0 Prozent.
Bereits 2016 besser als im Vorjahr
Bereits für das Jahr 2016 hatte die DB Erfolge gegenüber dem Vorjahr vermeldet. ICE- und Intercity-Züge hätten besonders „erfreuliche Pünktlichkeitszuwächse“ verzeichnet – und zwar von 74,4 auf 78,9 Prozent. Mit einem Maßnahmenprogramm wollen die Bahnmitarbeiter Verspätungen weiterhin bekämpfen. So kümmern sich sogenannte „Plan-Start-Teams“ an zehn Knotenbahnhöfen um die planmäßige Abfahrt der Züge. Fahren diese verspätet los, wirkt sich das auf das gesamte Netz aus. Auch Bäume, die bei Sturm in die Oberleitungen krachen könnten, sollten konsequenter zurückgeschnitten oder gefällt werden.
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Bereits am 23. Juni 2017 hatte test.de an dieser Stelle über Pünktlichkeitsprobleme bei der Bahn berichtet. Am 1. Dezember 2017 haben wir die Meldung aktualisiert.