„Verliebte wollen davon nichts wissen“

Jörg Schröck ist Fachanwalt für Familienrecht in München. Er sieht die Arbeit der Familiengerichte kritisch.
„Versorgungsausgleich“ klingt abschreckend technokratisch. Gerade für Mütter ist er aber wichtig, meint Jörg Schröck. Die Kanzlei des Anwalts hat sich auf scheidungsrechtliche Fälle spezialisiert.
Ist Ihr Beruf nicht furchtbar deprimierend?
Es wäre unprofessionell, die Dinge zu emotional anzugehen. Da geht es Chirurgen wohl nicht anders. Was nicht heißt, dass man als Scheidungsanwalt einen Empathie-Bypass hat.
Bei wie vielen Scheidungen waren Sie dabei?
Es fällt mir schwer, eine Hausnummer zu nennen. In den letzten 15 Jahren sehr viele ... 1 000 ... oder mehr.
Wer beschäftigt sich eher mit den Auswirkungen auf die Altersversorgung, Frauen oder Männer?
Die Grenze verläuft eher zwischen Eltern und Kinderlosen. Für Mütter, die wegen der Kinder im Beruf zurückgesteckt haben, spielt die Versorgungslage im Alter eine gewaltige Rolle. Ihnen muss man die Bedeutung des Versorgungsausgleichs meist nicht mehr groß erklären. Für Kinderlose in Doppelverdiener-Ehen steht er kaum im Fokus. Versorgungsängste wegen Scheiterns der Ehe gibt es dort kaum.
Der Versorgungsausgleich schützt also den Partner, der zugunsten der Familie beruflich zurücksteckt?
Im Prinzip schon, ja. Wer in der Ehe weniger Rentenbeiträge leisten kann, bekommt bei Scheidung über den Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften vom Partner. Dabei kann es aber auch zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen.
Wann?
Nehmen wir an, ein reicher, gut verdienender Selbstständiger ohne gesetzliche oder betriebliche Anwartschaften hat auch privat keine Rentenversicherung abgeschlossen. Dann gibt es bei ihm auch keine Altersversorgung zum Teilen. Die unter Umständen finanziell deutlich schlechter gestellte, aber gesetzlich rentenversicherte Ehefrau muss dann ihre Anwartschaften mit ihm teilen, während sie selbst beim Versorgungsausgleich leer ausgeht.
Was raten Sie?
Für die Rollenverteilung in der Ehe die passenden Regeln vereinbaren, zum Beispiel mit Ehevertrag. Das gesetzliche Rahmenprogramm passt eben nicht für alle Partnerschaftsmodelle. Frisch Verliebte wollen davon aber oft nichts wissen.
Sehen Sie noch andere Probleme?
Fehleranfällig ist die Wertermittlung der Anwartschaften. Eine anspruchsvolle und schwierige Aufgabe für Gerichte und Anwälte. Hier werden in der Praxis die meisten Fehler gemacht. In der Regel können Sie zwar davon ausgehen, dass die Bewertungsvorschläge der gesetzlichen Rentenversicherungsträger korrekt sind. Doch steht ein Ausgleich erheblicher betrieblicher oder privater Anwartschaften auf dem Spiel, sollten Sie unbedingt die Ermittlungsergebnisse der betrieblichen und privaten Versorgungsträger durch sachverständige Rentengutachter oder spezielle Rentenberater überprüfen lassen.
Ist das wirklich nötig?
Ja. Ich mache immer wieder diese Erfahrung. Wer davon ausgeht, dass die Familiengerichte diese ihnen zugewiesene Aufgabe tatsächlich auch zuverlässig übernehmen, wird in der Praxis meist enttäuscht. Ob das Gericht Fehler macht, merkt man ohne gutachterliche Beratung nicht.
Gibt es etwas, was die Eheleute selbst tun können?
Sie sollten akribisch überprüfen, ob der Partner dem Gericht vollständig Auskunft über sämtliche Versorgungsträger erteilt hat.
Sind Sie verheiratet oder hat Sie das Scheitern um Sie herum abgeschreckt?
Ich selbst bin in zweiter Ehe glücklich verheiratet. Das Scheitern der ersten Ehe war eine kraftraubende Erfahrung. Von einer zweiten Ehe hat es mich aber nicht abgehalten. Die Erfahrung der eigenen Scheidung hilft, manches Problem der Klienten besser zu verstehen.