Versicherungs­schutz Elektrofahr­räder Fahrt ins Ungewisse

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Versicherungs­schutz Elektrofahr­räder - Fahrt ins Ungewisse

Elektrisch radeln ist angesagt. Schon 700 000 Radler fahren mit Strom. Einige jedoch steuern voll ins Risiko: Sie sind bei einem Unfall nicht haft­pflicht­versichert.

Schnell, bequem, trendig: Elektrofahr­räder sind perfekt – nicht nur für den Sonn­tags­ausflug, auch für den Weg zur Arbeit. Allein 2011 stiegen 300 000 Radler auf ein Pedelec um, ein „Pedal Electric Cycle“. Vor allem ältere Kunden greifen zu. „Die meisten Radler über 55 Jahre kaufen heute Pedelecs“, sagt ADAC-Präsident Peter Meyer. Die Frage lautet nur: Was ist, wenn etwas passiert? Welche Versicherung zahlt?

Haft­pflicht­schutz dringend nötig

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Eine Helm­pflicht besteht nicht, auch nicht für S-Pedelecs. Wegen der hohen Geschwindig­keit empfiehlt es sich aber, einen Helm zu tragen.

So mancher radelt ins Ungewisse. Längst nicht jeder Pedelec-Fahrer ist haft­pflicht­versichert. Dabei ist dies die wichtigste Versicherung über­haupt. Wer einen Unfall baut, muss für die Folgen gerade­stehen. Und im Straßenverkehr kann es schnell um Beträge gehen, die den Radler Kopf und Kragen kosten. Zum Beispiel, wenn er einem Auto­fahrer die Vorfahrt nimmt, dieser ausweicht und gegen einen Baum prallt. Braucht das Unfall­opfer eine lebens­lange Rente, kostet das hundert­tausende Euro.

Ein Risiko, auf das Pedelec-Verkäufer selten hinweisen – erst recht nicht, wenn das Bike ein Schnäpp­chen aus dem Baumarkt ist. Wer das Pedelec für ein normales Fahr­rad hält, nur eben mit Strom­antrieb, kann böse herein­fallen. Die Privathaft­pflicht­police, die bei Unfällen mit herkömm­lichen Fahr­rädern greift, springt bei Elektrorädern nicht immer ein. Vielmehr kommt es darauf an, wie schnell der Motor das Elektrofahr­rad macht. Der Markt teilt sich in zwei Produkt­gruppen.

Pedelecs 25 sind meist mitversichert

Die eine Gruppe sind die sogenannten Pedelecs 25. Bei ihnen läuft der Motor nur, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Der Elektro­antrieb bringt bis zu 250 Watt und nimmt mit steigender Geschwindig­keit ab. Bei 25 km/h schaltet er aus. Will der Fahrer schneller sein, muss er selbst treten – oder auf Rücken­wind hoffen. Fahrer solcher Pedelecs können sich beruhigt zurück­lehnen: Ihr Gefährt ist wie herkömm­liche Fahr­räder über die Privathaft­pflicht geschützt.

Pedelec 45 brauchen Kenn­zeichen

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Ein Versicherungs­kenn­zeichen ist für Pedelecs 45 Pflicht. Es bietet Haft­pflicht­schutz. Fahrer müssen jedes Jahr ein neues kaufen. Für 2012 ist das „Mofakenn­zeichen“ blau.

Die zweite Gruppe ist deutlich schneller. Bei diesen „Speed“-Pedelecs – auch E-Bike, Pedelec 45 und S-Pedelec genannt – läuft der Motor auch, wenn niemand in die Pedale tritt. Je nach Modell leistet er bis 500 Watt. Er allein bringt das Rad auf 10, 12, teils 20 km/h, ganz ohne Muskel­kraft. Der Fahrer kann also rein elektrisch ans Ziel kommen. Tritt er in die Pedale, schaltet der Motor erst bei spätestens 45 km/h ab. Viele Räder haben einen „Gashebel“ am Lenker, wie ein Mofa. Sie gelten als „Klein­kraft­rad L1e“. Die Privathaft­pflicht greift nicht, vielmehr ist ein Versicherungs­kenn­zeichen Pflicht. Da ist Haft­pflicht­schutz inklusive.

Unklare Lage bei Anfahr­hilfe

Nach Schät­zungen des Zweirad-Industrie-Verbands sind nur 5 Prozent aller Elektroräder Pedelecs 45. Das Dumme ist nur: Es gibt viele Misch­formen. So haben einige Pedelecs 25 eine Anfahr­hilfe, die sie ohne Muskel­kraft bis auf 6 km/h bringt. Dann ist unklar, ob die Privathaft­pflicht greift.

Am Ende kommt es aufs Klein­gedruckte im Vertrag an. „Pedelecs 25 mit Anfahr­hilfe bis 6 km/h sind bei uns im Privathaft­pflicht­schutz enthalten“, erklärt Armin Eckert von der Gothaer Versicherung. Auch Allianz, Axa, Huk-Coburg, Huk 24, Interrisk, die wir in einer Stich­probe befragten, decken solche Pedelecs über die Privathaft­pflicht ab. Ebenso die VHV: „Mitversichert sind alle Elektroräder, die nicht versicherungs­pflichtig sind“, erklärt ein Sprecher.

Den Versicherer fragen

„Versicherungs­pflichtig“ bedeutet: Das Rad muss ein Mofakenn­zeichen haben. Das dient vielen Versicherern als Abgrenzung: Ist ein Kenn­zeichen Pflicht, greift die Privathaft­pflicht nicht – sonst schon. Wer sicher sein will, dass Pedelecs inklusive sind, sollte ins Klein­gedruckte seiner Police sehen. Doch bei Verträgen aus der Zeit, als es noch keine Pedelecs gab, wird dazu nichts stehen. Es empfiehlt sich daher, den Versicherer um eine Bestätigung zu bitten.

Vor allem sollten Kunden vor dem Kauf fragen, ob das Kenn­zeichen Pflicht ist. „Vielfach werden Schnell­radler sogar ohne einwand­freie Betriebs­erlaubnis verkauft“, sagt Sieg­fried Brock­mann, Leiter der Unfall­forschung der Versicherer (UDV).

Tipp: Wenn der Motor mehr als 250 Watt leistet, nicht bei 25 km/h abschaltet oder die Anfahr­hilfe mehr als 6 km/h bringt, ist ein Mofakenn­zeichen meist Pflicht, auch wenn eine EU-Norm grund­sätzlich geringe Abweichungen erlaubt. Auf jeden Fall sollte jeder eine Privathaft­pflicht­versicherung besitzen – egal ob Elektrorad, normales oder gar kein Rad. Sie ist ein Muss, schließ­lich können auch Fußgänger teure Unfälle verursachen. Gute Verträge für die ganze Familie gibt es schon für weniger als 100 Euro im Jahr (Themenseite Private Haftpflichtversicherung).

Güns­tige Mofakenn­zeichen

Wer ein Pedelec 45 besitzt, braucht ein Mofakenn­zeichen. Das gibt es direkt beim Versicherer. Meist kann der Kunde es sofort abholen und ans Rad schrauben. Er muss nicht – wie beim Auto – zur Zulassungs­stelle. Güns­tige Angebote machten bei unserer letzten Umfrage 2011 zum Beispiel WGV und Huk-Coburg.

Bei der Huk-Coburg beispiels­weise kostet das Kenn­zeichen ab 1. Mai 40,50 Euro, für Fahrer bis 22 Jahre 65 Euro. Es gilt dann für den Rest des Versicherungs­jahres, das jeweils vom 1. März bis Ende Februar des Folge­jahres läuft. Pedelec-45-Fahrer müssen also nächstes Jahr ein neues Kenn­zeichen kaufen. Die Preise sinken monatlich. Wer sein Rad ab 1. Mai anmeldet, zahlt für den Rest der Saison weniger als ab März oder April. Die Haft­pflicht­versicherung ist darin inklusive. Sie ersetzt Schäden, die der Fahrer anderen zufügt. Meist greift sie auch bei Touren ins europäische Ausland.

Schutz gegen Diebstahl

Zusätzlich zur Haft­pflicht können Fahrer eines Pedelec 45 einen Teilkasko­schutz buchen für den Fall, dass das Gefährt gestohlen wird. Der kostet beispiels­weise bei der Huk ab 1. Mai 73 Euro inklusive Haft­pflicht, für Fahrer bis 22 Jahre 108 Euro. Es gilt eine Selbst­beteiligung von 150 Euro, bei Diebstahl 300 Euro. Der Schutz greift auch bei Brand oder Unfällen mit Haarwild sowie bei Glasbruch, zum Beispiel an der Beleuchtung, ebenso bei Schäden durch Unwetter. Ersetzt wird die Reparatur, bei Totalschaden oder Diebstahl der Wiederbeschaffungs­wert, also der Preis, den ein gleich­wertiges gebrauchtes Rad kosten würde. Bei Schäden durch selbst­verschuldete Unfälle greift die Teilkasko nicht.

Pedelec 25 als Hausrat versichern

Besitzer eines Pedelec 25 können sich über zwei Wege gegen Diebstahl absichern:

Hausrat­versicherung: Wer eine Hausrat­police hat, kann das Elektrorad als Zusatz aufnehmen. Stan­dard­mäßig ist der Schutz auf 1 Prozent der Versicherungs­summe begrenzt. Liegt die zum Beispiel bei 40 000 Euro, wäre das Rad nur mit 400 Euro versichert. Meist kann der Kunde die Grenze auf bis zu 5 Prozent erhöhen. In diesem Beispiel wäre dann ein Rad bis 2 000 Euro versichert. Bei einigen Tarifen kann die Grenze unabhängig von der Hausratsumme gewählt werden. Der Jahres­preis beträgt zum Beispiel bei LVM im mitt­leren Tarif­gebiet 76,44 Euro für ein 2 000-Euro-Pedelec. Viele Versicherer zahlen aber nur, wenn das Rad zwischen 22 und 6 Uhr in einem abge­schlossenen Raum stand – es sei denn, es war noch in Gebrauch, wartete zum Beispiel vor dem Kino oder Restaurant auf seinen Besitzer.

Spezial­versicherer: Etwas teurer sind spezielle Radversicherer. Bei Pergande & Pöthe kostet der Schutz für ein 2 000-Euro-Pedelec 214,20 Euro, bei ERV 159 Euro, bei Enra-Verzekeringen 260 Euro, bei Wert­garantie 288 Euro. Reparaturen sind in einigen Tarifen einge­schlossen. Die Versicherungs­bedingungen sind unterschiedlich. Einige Anbieter schreiben bestimmte Schlösser vor, teils wird eine Selbst­beteiligung fällig oder die Entschädigung reduziert sich jähr­lich um 5 Prozent. Mehr Infos dazu im letzten Test von Fahrradversicherungen aus test 07/2010.

Beim Parken Akku abschließen

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Wer das Pedelec abstellt, sollte den teuren Akku mitnehmen. Oder, falls möglich, mit einem Schloss sichern.

Pedelec-Besitzer sollten ihr Rad nicht nur abschließen, sondern an einem Objekt wie einen Fahr­radständer befestigen. Den Akku sollten sie mitnehmen oder per Akku­schloss sichern. Sonst droht beim Sonn­tags­ausflug nach der Kaffee­pause eine Über­raschung: mühselige Bein­arbeit statt des elektrischen Vergnügens.

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atalanta am 09.04.2012 um 18:09 Uhr
Aufmachung viel zu reißerisch

Bereits auf der Titelseite schreiben Sie von einer "Haftpflichtfalle" im Zusammenhang mit Pedelecs und Haftpflichtversicherungen.
Ich lese interessiert weiter - um zu erkennen, dass ein m.E. harmloser Sachverhalt völlig zu unnötig reißerisch aufgemacht wurde.
Die angebliche "Falle" besteht doch allenfalls für eine kleine Gruppe von Käufern, nämlich jenen, die ein Pedelec mit Anfahrhilfe erworben haben. Sie schreiben selbst von "5 Prozent" aller Elektrofahrräder, die darunter fallen. Jedoch werden auch solche Räder offenbar von den Versicherungen anstandlos mitversichert - eine kurze Anfrage sollte diese kleine Unsicherheit aufklären können.
Alle anderen Pedelec-Besitzer (95%) sind problemlos über die private Haftpflichtversicherung oder durch den Erwerb eines Versichungskennzeichens geschützt.
Sie jedoch titeln effekthascherisch, führen so den Artikel weiter, erklären gleich noch breit rund ums Produkt und lösen erst nach und nach auf. Ist das wirklich nötig bzw. haben Sie das nö