
Nicht schummeln. Wer sich durch falsche Angaben in den Gesundheitsfragen zum Vertrag mogelt, riskiert seinen Versicherungsschutz. © Getty Images / Digital Vision
Wer eine Versicherung abschließen will, muss im Antrag oft Auskunft über seine Gesundheit geben. Schon kleinste Ungenauigkeiten können gravierende Folgen haben.
Auf keinen Fall schlampig sein
Versicherer sind neugierig. Bevor sie mit einem Neukunden einen Vertrag eingehen, muss der sich offenbaren. Sie verlangen Auskunft über seine Gesundheit. Versucht der Antragsteller zu schummeln, kann das fatale Folgen haben. Im schlimmsten Fall wird der Vertrag nichtig. Dann erhält der Kunde keine Leistung, und jahrelang eingezahlte Beiträge sind weg.
Interessieren sich alle Versicherer für meine Krankheiten?
Nein. Den Gesundheitszustand eines Antragstellers erfragen Versicherer nur für Policen rund um Leben und Gesundheit, nicht aber für Sachversicherungen wie Hausrat- oder Kfz-Police. Aber alle, die ihre Person oder ihr Leben versichern möchten, müssen ihren Gesundheitszustand offenlegen. Je gesünder der Kunde, desto wahrscheinlicher ist es, dass er die gewünschte Versicherung erhält, ohne Leistungsausschlüsse hinnehmen oder Risikoaufschläge zahlen zu müssen. Gesundheitsfragen gibt es nicht nur bei der privaten Krankenvollversicherung, sondern auch bei Zusatzpolicen, etwa für Zahnersatz oder Brillen. Das gilt ebenso für Krankentagegeldpolice und Pflegezusatzversicherungen, für Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen sowie Kinderinvaliditätsversicherungen, für Kapitallebensversicherungen und Risikolebenspolicen sowie für Unfallversicherungen.
Gibt es Fragen, die die Assekuranzen nicht stellen dürfen?
Die Gesellschaften dürfen nach allem fragen, was sie brauchen, um das Krankheitsrisiko eines Neukunden einzuschätzen. Nur die Frage nach Gentests ist teils verboten. Laut Gendiagnostikgesetz dürfen Versicherer nicht verlangen, dass sich jemand auf erblich bedingte Krankheitsrisiken testen lässt. Die Ergebnisse von Tests, die der Kunde hat machen lassen, sind zumindest für private Krankenversicherer tabu. Für eine Lebens-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeits- oder eine Pflegerentenversicherung müssen Kunden vorhandene Tests dagegen häufig ab einer bestimmten Versicherungshöhe offenbaren.
Muss ich sagen, dass mich ein anderer Versicherer schon abgelehnt hat?
Wenn der Versicherer danach fragt, ja. Gleiches gilt, wenn man Sie nach weiteren laufenden Anträgen fragt oder wissen will, welche Policen Sie bereits besitzen.
Was passiert, wenn ich Fragen im Antrag durchstreiche oder offen lasse?
Auch wenn Ihnen bestimmte Fragen unangenehm sind, sollten Sie sie nicht auslassen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Versicherer den Antrag nicht bearbeitet. Und selbst wenn Sie die gewünschte Police erhalten, kann Ihnen die fehlende Antwort später zum Verhängnis werden, wenn Sie Leistungen von der Versicherung wollen. Allerdings müssen Sie nur offenlegen, was ausdrücklich von Ihnen verlangt wird. Fragt der Versicherer etwa nach ambulanten Untersuchungen und Behandlungen der vergangenen fünf Jahre, brauchen Sie eine ambulante Ultraschalluntersuchung vor sechs Jahren nicht anzugeben – vorausgesetzt, es gab seitdem keine Nachuntersuchung oder Folgebehandlung.
Muss ich jeden Schnupfen angeben?
Bagatellerkrankungen brauchen Sie nicht zu nennen. Jedoch sollten Sie sich nicht auf Ihre eigene Einschätzung verlassen. Beschwerden, die Ihnen belanglos erscheinen, können aus medizinischer Sicht bedeutsam sein. So hat etwa das Oberlandesgericht Karlsruhe kürzlich einem Bauschlosser die Berufsunfähigkeitsrente wegen eines Rückenleidens aberkannt. Er hatte im Versicherungsantrag unter anderem eine dreitägige Krankschreibung wegen Schulterbeschwerden verschwiegen (Az. 12 U 140/12).
Fällt es überhaupt auf, wenn ich schummle oder etwas vergesse?
Davon müssen Sie ausgehen. Sie sind verpflichtet, Ihre Ärzte, andere Versicherer und Ihre Krankenkasse von der Schweigepflicht zu entbinden. Wenn Sie eine Leistung von der Assekuranz wollen, fragt diese dort nach und kann auch Ihre Patientenakten anfordern. Sie können lediglich verlangen, dass der Versicherer Sie vor jeder einzelnen Anfrage um Erlaubnis bittet.
Zudem haben die Gesellschaften Zugriff auf alle Informationen, die in einer gemeinsamen Datenbank der Versicherer hinterlegt sind, im „Hinweis- und Informationssystem“ (HIS). Dort landen Namen von Kunden, die schon einmal eine Versicherung beantragt haben, aber abgelehnt wurden. Die privaten Krankenversicherer besitzen ein eigenes System, über das sie solche Informationen austauschen.
Was passiert, wenn Falschangaben herauskommen?
Kann der Versicherer einem Kunden nachweisen, dass er absichtlich gelogen hat, um eine Police zu bekommen oder sich niedrigere Beiträge zu sichern, darf er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Kunden verlieren dann ihren Vertrag und müssen bereits erhaltene Leistungen zurückzahlen. Ihre Beiträge behält der Versicherer ein. Mit dieser Vorgeschichte wird es schwierig bis unmöglich, noch einmal eine neue Versicherung zu bekommen. Ähnlich sind die Folgen, wenn jemand zwar nicht betrügen wollte, aber grob fahrlässig gehandelt hat.
Was gilt, wenn ich nur vergesse, etwas anzugeben?
Auch versehentliche Falschangaben können nachteilige Folgen haben. Der Versicherer kann den Vertrag kündigen, er kann rückwirkend ab Vertragsbeginn höhere Beiträge verlangen oder die Versicherungsleistungen zusammenstreichen. Wie gravierend die Sanktionen sind, hängt vom Grad der Fahrlässigkeit ab und davon, ob der Versicherer überhaupt einen Vertrag geschlossen hätte, wenn er von der verschwiegenen Krankheit gewusst hätte. In der Berufsunfähigkeitsversicherung spielt es auch eine Rolle, ob die verschwiegene Krankheit mit der inzwischen eingetretenen Berufsunfähigkeit zu tun hat.
Wie lange kann ich für falsche Angaben belangt werden?
Wenn jemand mit Absicht oder grob fahrlässig die Unwahrheit gesagt oder etwas verschwiegen hat, muss er zehn Jahre lang damit rechnen, seinen Versicherungsschutz zu verlieren. Die Frist läuft ab Vertragsschluss. Hat jemand in betrügerischer Absicht gehandelt, kann der Versicherer unter bestimmten Umständen sogar noch Jahrzehnte später Geld zurückfordern. Wer einfach etwas verschusselt hat – Juristen sprechen von „einfacher Fahrlässigkeit“ –, kann bis zu fünf Jahre nach Vertragsschluss Ärger bekommen. In der Krankenversicherung allerdings gilt eine Frist von drei Jahren, sowohl für grob fahrlässige Falschangaben als auch für schlichte Vergesslichkeit.
Was ist von Angeboten ohne Gesundheitsfragen oder mit „vereinfachter Gesundheitsprüfung“ zu halten?
Wer wegen einer schweren Krankheit sonst gar keinen Vertrag bekäme, hat so vielleicht eine Chance. Top-Konditionen sind auf diesem Weg eher nicht zu ergattern. Manchmal preisen die Unternehmen das höhere Risiko in die Beiträge ein, oder sie reduzieren die Leistungen oder sichern sich über längere Wartezeiten ab. Mitunter schließen sie auch eine Liste von Krankheiten von der Leistung aus. Dann haben Kunden nur einen lückenhaften Versicherungsschutz. Häufig treffen die Gesellschaften zudem eine Vorauswahl, welche Kunden sie mit solchen Angeboten ansprechen wollen. Oder sie sieben mit dem vereinfachten Fragebogen mögliche Risikopatienten heraus: Wenn die bestimmte Fragen mit „ja“ beantworten, müssen sie doch das ausführliche Formular ausfüllen.
Welche Formulierungen im Antrag sind für Kunden besonders heikel?
Kritisch sind Fragen, die sich nicht eindeutig oder nicht objektiv beantworten lassen. Für Kunden ist es zum Beispiel besser, konkret nach Untersuchungen, Behandlungen, fehlenden Zähnen oder vom Arzt verschriebenen Medikamenten gefragt zu werden als etwa nach „Beschwerden“ oder „Gebrechen“. Skeptisch sollten sie auch werden, wenn der abgefragte Zeitraum nicht klar definiert ist. Das erhöht das Risiko, etwas zu vergessen. Wer mehrere gleich gute Angebote zur Auswahl hat, sollte daher die Anträge mit den konkreten und zeitlich begrenzten Fragen bevorzugen.
Wie reagiere ich richtig, wenn mir erst nach Vertragsschluss auffällt, dass ich etwas vergessen habe?
Wenn im Antrag danach gefragt war, sollten Sie die Information nachreichen. Dann kann es zwar sein, dass Sie höhere Beiträge zahlen müssen. Das ist aber immer noch besser, als im Nachhinein den Versicherungsschutz zu verlieren. Stichtag ist in der Regel allerdings das Datum des Antrags. Manchmal kann es ein paar Wochen dauern, bis ein Vertrag geschlossen ist. In einem Fall erhielt ein Mann nach dem Antrag – jedoch vor Vertragsschluss – die Diagnose für eine schwere Erkrankung. Sie war mitursächlich für seine spätere Berufsunfähigkeit. Da der Versicherer bei Vertragsschluss nichts davon wusste, verweigerte er die Monatsrente von 1 500 Euro. Das Oberlandesgericht Thüringen sah das anders: In den Bedingungen war geregelt, dass keine Anzeigepflicht besteht, wenn nach dem Antrag weitere Krankheiten hinzukommen (Az. 4 U 740/13).
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Ich bin vor dem Abschluss einer PKV. Laut Fragebogen ist für einen Zeitraum bis 10 Jahren zurück anzugeben, ob eine psychiatrische Behandlung erfolgt ist. Diese waren vor ca. 4,5 Jahren. Der Vermittler meinte, man kann diese Frage auch verneinen, wenn man später auf Nummer sicher geht und nie solche Rechnungen bei der PKV einreicht. Dann würde keiner prüfen. Ist das seriös bzw. machbar???
@kunuub: Uns liegen keine Anträge mit solchen Gesundheitsfragen vor. Sie können uns Ihr Antragsformular gern zusenden. Dann schauen wir uns das an. finanztest@stiftung-warentest.de
(maa)
Mir stellt sich die gleiche Frage nach der Familienanamnese, können Sie die Antwort auch mir per Mail schicken?
@Moditest: Pauschal kann man das nicht sagen. Wir haben Ihnen per Mail geantwortet. (PH)
In manchen Versicherungsanträgen wird auch nach Krankheiten von Familienangehörigen gefragt. Allerdings kann ich doch solche Auskünfte nicht ohne deren Einwilligung geben. Muss ich solche Fragen trotzdem wahrheitsgemäß beantworten?