
Der EU-Binnenmarkt für Versicherungen ist bewusst unterentwickelt, meint Bernd Krieger. Im Interview mit Finanztest erklärt der Leiter des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ) in Kehl, warum Versicherer auf Wettbewerbsmöglichkeiten verzichten, obwohl sie im EU-Ausland zusätzliche Kunden gewinnen könnten.
Nur jeder vierte Versicherer bietet überhaupt einen Online-Abschluss
Seit 20 Jahren gibt es den Binnenmarkt für Versicherungen. Warum schließt kaum ein Kunde eine Police bei Anbietern im EU-Ausland ab?
Krieger: Weil das kaum möglich ist. Wir haben versucht, online bei 567 Versicherern in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich eine Versicherung abzuschließen, zum Beispiel eine Unfall-, Haftpflicht- oder Gebäudepolice. Nur 144 bieten überhaupt einen Online-Abschluss. Und nur bei 14 wäre es möglich gewesen, als Verbraucher aus einem anderen Land den Vertrag zu bekommen.
Woran scheiterte es?
Krieger: Es gibt ganz praktische Probleme: So ist zum Beispiel beim Feld „Wohnsitz“ der Staat voreingestellt oder der Kunde kann nur vierstellige Postleitzahlen eingeben – damit sind Deutsche draußen. Die VHV in Österreich ergänzt beim Eintippen den Wohnort automatisch, kennt aber nur inländische Orte. Bei der Merkur blinkt kurz vorm Abschluss auf, dass einige Leistungen nur im Inland gelten. Und manche Autoversicherer verlangen ein einheimisches Kennzeichen.
Auslandskunden bedeuten höheren Aufwand
Klingt nicht nach bloßer Schluderei.
Krieger: Nach unserer Internetrecherche haben wir alle 567 Anbieter angeschrieben. Nur 32 haben geantwortet. Das zeigt enormes Desinteresse. Wir glauben, dass Absicht dahintersteckt. Man will Auslandskunden abwimmeln.
Warum sollten Versicherer das tun?
Krieger: Eine Ursache können rechtliche Risiken sein. Kommt es zu Streit, gilt meist das Recht im Land des Kunden. Das ist vielen Versicherern fremd. Hinzu kommen Unterschiede bei den Risiken, etwa der Lebenserwartung und bei der Regulierung. Zum Beispiel erstatten französische Autoversicherer nach einem Unfall nicht unbedingt die Kosten für einen Mietwagen.
Aber gerade Autoversicherer müssen in jedem EU-Land eine Anlaufstelle bieten. Da klappt es doch.
Krieger: Eben. Versicherer könnten im EU-Ausland zusätzlich Kunden gewinnen. Stattdessen starten sie Kooperationen im EU-Ausland, übernehmen dort Versicherer oder gründen Töchter – aber kommen nicht mit ihren eigenen Policen auf den Markt.