
Flugpassagiere haben Anspruch auf die volle Entschädigung, wenn sie einen Flug mit mehreren Etappen gebucht haben und sie einen Anschlussflug verpassen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Außerdem neu: Auch indirekt Streik-Betroffene haben Anspruch auf Entschädigung. Direkt Streikbetroffene dagegen gehen leer aus.
Ungeplante Übernachtung
Geklagt hatten Maria de los Reyes Martínez-Revoredo Varela-Villamor und Germán Rodríguez Cachafeiro. Das spanische Paar wollte im Dezember 2009 mit Iberia von A Coruna in Galizien über Madrid nach Santo Domingo in der Dominikanische Republik fliegen. Doch der Flug nach Madrid hatte Verspätung. Iberia stornierte die Bordkarten für den Anschlussflug. Die beiden mussten in Madrid übernachten und kamen erst mit 27 Stunden Verspätung auf der Karibikinsel an. Zurück von der Karibik-Reise forderten sie jeweils 600 Euro Entschädigung, wie Sie bei Annullierung oder mehr als vier Stunden Verspätung von über 3 500 Kilometer weiten Flügen fällig ist.
Iberia: Zu spät am Schalter
Die Fluggesellschaft weigerte sich. Die beiden Karibik-Reisenden seien nicht rechtzeitig am Schalter in Madrid gewesen und hätten deshalb keinen Anspruch auf Entschädigung. Für den Flug nach Madrid lag die Verspätung unter zwei Stunden und war deshalb auch keine Entschädigung fällig, argumentierte die Iberia-Juristen.
Gericht: 1 200 Euro Entschädigung
Der Europäische Gerichtshof stellte auf Nachfrage des für den Fall zuständigen spanischen Gerichts klar: Wenn Passagiere Flug- und Anschlussflug bei einer Fluggesellschaft buchen, ist das wie ein Flug zu behandeln. Entscheidend ist damit, wann die Passagiere am Endziel ankommen. Iberia muss also die volle Entschädigung von 600 Euro je Passagier zahlen. Besonderheit: Weil das spanische Paar den Flug in Madrid entgegen der Darstellung der Fluggesellschaft noch rechtzeitig erreichte, wertete der EuGH den Fall nicht bloß als Verspätung, sondern als Totalausfall. Die Folge: Iberia muss zusätzlich zur Entschädigung auch noch die Kosten für die Flugtickets erstatten.
Höhere Gewalt
Nur wenn die Verzögerung oder der Ausfall auf höherer Gewalt beruht, darf die Fluggesellschaft die Entschädigung verweigern. Sie liegt meist vor, wenn katastrophal schlechtes Wetter für Verspätungen oder Ausfälle verantwortlich ist. Technische Probleme dagegen muss meist die Fluggesellschaft auf ihre Kappe nehmen. Nur wenn sie lückenlose Wartung und ein angemessene Quote von Ersatzflugzeugen für nicht vorhersehbare Probleme nachweisen kann, darf sie die Zahlung einer Entschädigung verweigern. Fest steht inzwischen auch: Streiks sind stets höhere Gewalt, und die Fluggesellschaft muss zwar den Ticketpreis ausgefallener Flüge erstatten, aber keine Entschädigung zahlen.
Entschädigung trotz Streik
Nur mittelbar vom Streik betroffene behalten allerdings ihr Recht auf Entschädigung. Das hat der EuGH im Streit zwischen Timy Lassooy und Finnair entschieden. Lassooy hatte ein Ticket für einen Flug am Tag nach Streikende. Doch Finnair lud für diesen Flug Passagiere ein, die tags zuvor wegen des Streiks in Barcelona sitzen geblieben waren, und brachte Lassooy erst zehn Stunden später nach Helsinki.
Tipps
Klarer Fall: Wenn Sie Ihr Ziel nicht direkt erreichen können, buchen Sie dennoch besser Flug mit Anschlussflug bei einer Gesellschaft. Wenn Sie sich ihre Route selbst aus verschiedenen Flügen zusammenstellen, laufen Sie Gefahr, leer auszugehen, wenn sie wegen Verzögerungen beim ersten Flug den Anschluss nicht kriegen.
Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 04.10.2012
Aktenzeichen: C-321/11 und C-22/11