
3 Säcke Verpackungsmüll. „So viel Müll hinterlässt mein Wocheneinkauf“, staunt Ina Bockholt. © Pablo Castagnola
Mehr als 100 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht jeder Bundesbürger jährlich. Ina Bockholt, Redakteurin bei test, ärgert sich über ihren täglichen Beitrag dazu. Sie wollte wissen: Wie viel davon lässt sich vermeiden? Ein Selbstversuch in sieben Schritten, der interessante Erkenntnisse liefert.
Alle drei Tage ein 60-Liter-Müllbeutel
Es reicht. Ich möchte nicht mehr alle drei Tage einen 60-Liter-Müllbeutel mit leeren Packungen aus der Wohnung tragen, dazu noch Einweggläser und einen Schwung Müsli- und Pizzakartons. Meine zwei Teenager, mein Mann und ich verursachen in unserem Berliner Haushalt zu viel Müll. Wir sind nicht die einzigen: 2016 häufte jeder Bundesbürger im Schnitt rekordmäßige 103,5 Kilogramm privaten Verpackungsmüll an, den meisten durch Lebensmittel.

100 Produkte „So viele Lebensmittel und Drogerieartikel kaufe ich in etwa jede Woche für meine Familie ein. Die meisten sind verpackt.“ Ina Bockholt, test-Redakteurin © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Mehr als 5 Kilo Plastikmüll
Mit einem einfachen Experiment will ich herausfinden, wie viel Verpackungsmüll ich sparen kann. Für den ersten Teil erledige ich an einem Samstag meinen Standard-Wocheneinkauf, gehe auf den Markt, zum Discounter, Bioladen, in die Drogerie. Wie gewohnt wähle ich einige nachhaltig produzierte Produkte aus – Obst und Gemüse saisonal und regional, das Fleisch bio. Vieles kaufe ich pragmatisch, also nicht zu teuer, möglichst an einem Ort. Die Verpackungen, die danach im gelben Sack landen, wiegen 2,6 Kilogramm, das Leerglas 2,4 Kilogramm, Pappe und Papier 0,6 Kilogramm. Dazu kommen zwei Wasserkästen.
Wie viel Material lässt sich einsparen?
Am Samstag drauf der zweite Teil des Experiments: Ich arbeite die Liste der Vorwoche unter der Vorgabe ab, möglichst viele Folien, Schachteln, Tüten zu meiden oder zur materialärmsten Packung zu greifen.
Einige Verpackungen sind sinnvoll
Mehrfach beobachte ich: Ganz ohne Verpackung geht es nicht. Flaschen und Kartons zum Beispiel schützen Milch vor Keimen. Komplett auf verpackte Kosmetik, Honig, Nudeln, Joghurt, Öl, Tiefkühlkost zu verzichten, wäre für mich schwierig. Oder Kekse – oft fehlt die Zeit, sie selbst zu backen. Und die Zutaten dafür wären wieder verpackt. Viele Produkte sind zudem unverpackt teurer, da sie sich schlechter abfüllen und transportieren lassen.
Bio-Kunststoffe werden verbrannt
Aber welche Packungen sind vertretbar? Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt (Uba) sagt: „Eine Verpackung sollte möglichst wenig Material und Ressourcen benötigen.“ Mehrweg sei meist besser als Einweg, vor allem für Getränke von regionalen Abfüllern. Wenn Einweg, dann am besten aus nur einer Materialart gefertigt, damit es sich recyceln lässt. Ansonsten gehen wertvolle Rohstoffe verloren. Schlecht zu recyceln sind untrennbare Schichten verschiedener Materialien – ebenso rußgefärbte und viele Bio-Kunststoffe, weil Müllsortieranlagen sie nicht herauspicken können. Das alles wird derzeit noch verbrannt. „Eine schlechte Verwertungsart“, sagt Weißhaupt – selbst wenn dabei Energie gewonnen werde.
Nur kleiner Anteil an der Ökobilanz
Insgesamt ging 2016 die Hälfte des Plastikmülls in die Verbrennung, der Rest stand der Industrie als Recyclingrohstoff zur Verfügung. Dazu gehören auch die 11 Prozent an Kunststoffpackungen, die etwa nach Südostasien exportiert werden. Umweltschützer zweifeln, dass der Müll dort gänzlich aufbereitet wird. Viel gerate ins Meer, verwehe an Land, rotte Jahrhunderte vor sich hin und zersetze sich zu Mikroplastik.
Lebensmittelherstellung belastet Umwelt am meisten
Jenseits wilder Müllkippen: Den Löwenanteil aller Umweltbelastungen stellen jene dar, die bei der Herstellung entstehen. Bei Cocktail-Tomaten aus beheizten Gewächshäusern etwa gehen gerade mal 5 Prozent auf das Konto der Verpackung, bei Fleisch noch weniger. Trotzdem: Dass unser Müll in der Umwelt landen und Ressourcen verschwenden könnte, sind für mich Argumente genug, ihn zu verringern.
Verpackungsmüll auf ein Viertel reduziert

Nur noch 1 Müllsack. „Ich habe 75 Prozent Müll gespart. Der Einkauf hat mehr Zeit gekostet als sonst. Und mehr Geld: Viele Produkte waren an Bedientheken, in Unverpackt- oder Bioläden und auf dem Markt deutlich teurer als bei Discountern und Supermärkten.“ © ©Pablo Castagnola
Ergebnis meines Versuchs: Mein Verpackungsmüll passt jetzt in eine Tüte – und wiegt nur noch ein Viertel. Wie ich das geschafft habe, lesen Sie im Folgenden. Manches war ganz leicht, anderes ziemlich aufwendig. Doch jeder Schritt hat sich gelohnt.
Schritt 1: Tasche statt Plastiktüte – Lang lebe die Kunstfaser

© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Längst meide ich Plastiktüten. Eine dünne Polyestertasche in der Handtasche hilft dabei. Sie wird jedoch rasch schmutzig und löchrig. Wie lange muss ich die Tasche mindestens nutzen, um die Umwelt zu entlasten? „Wenigstens drei bis zehnmal“, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Dann sei ihre Ökobilanz besser als die der Einwegplastiktüte. Mit einer Baumwolltasche gelingt das erst nach 30 Einkäufen. Polyester sei umweltschonender zu produzieren als Baumwolle. Papiertüten sind keine Alternative: Theoretisch überholen sie die Plastiktüte nach vier Einkäufen, praktisch passiert das aber selten. Papiertüten reißen schnell, und die Ressourcen Holz und Chemikalien landen im Müll.
Unterm Strich: Plastiktüten lassen sich leicht verbannen – mit einem Polyesterbeutel in der Handtasche.
Schritt 2: Frischhaltedosen mitbringen – Hygiene als Hürde

© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Fleisch, Fisch, Wurst, Käse – im Selbstbedienungsregal ist alles in Plastik verpackt. Ich gehe zur Theke. Dort kommt Frisches in dünne Tütchen, Folie und Papier. Gut, aber es geht besser: Ich habe von zu Hause Dosen mitgebracht und will sie über die Theke reichen. „Die darf ich leider nicht befüllen“, heißt es im ersten Supermarkt. Keime könnten sich von der Dose verbreiten. Ein Haus weiter klappt es: Die Verkäuferin kramt ein Tablett hervor, legt es auf die Theke. Ich stelle meine Dosen darauf. Sie wiegt ab, schwingt Wurst und Käse hinein, wiegt erneut, damit ich wirklich nur den Inhalt bezahle, klebt ein Preisschild drauf und stellt alles zurück auf die Theke.
Unterm Strich: Vorbereitung nötig, Dosen müssen blitzsauber sein. Thekenware ist eher teuer und hält nicht so lange. Preisetiketten kleben hartnäckig am Deckel und sind schwer zu lösen.
Schritt 3: Netze für Obst und Gemüse – Beeren hinterlassen Flecken

© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Etwa zwei Drittel an Obst und Gemüse im Handel sind vorverpackt, ermittelte der Naturschutzbund Nabu. Das glaube ich sofort. Für lose Früchte bieten Supermärkte und Discounter den Kunden dünne Plastikbeutel an, Bio- und Wochenmärkte haben Papiertüten in petto. Alle Tüten lassen sich leicht ersetzen – mit Netzbeuteln aus Baumwolle oder Kunstfasern. Bei meiner Einkaufstour akzeptierte sie jeder Händler. Ihr Eigengewicht verrechneten aber nur wenige, etwa im Bioladen und auf dem Markt. „Das kann meine Kasse nicht“, sagt die Kassiererin beim Discounter. Bei Rewe geht das inzwischen mit Netzen, die eigene Scan-Codes tragen.
Unterm Strich: Easy. Nur Beeren quetschen, aber die Netze sind waschbar. Loses ist oft teurer als Verpacktes. Paprika etwa kosteten lose doppelt so viel wie eingeschweißt.
Schritt 4: Leitungswasser trinken – 1 250 Flaschen im Jahr weniger

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Jede Woche kaufe ich zwei Kästen Mineralwasser. Ich schleppe zwar die ökologisch besten Flaschen nach Hause – Mehrweg aus der Region –, aber echt öko ist das nicht: Im Jahr trinken wir etwa 1 250 Flaschen leer. Selbst wenn jede 25-mal neu befüllt würde, belasten Produktion, Transport und Entsorgung die Umwelt viel mehr als Leitungswasser. Kürzlich appellierte die Bundesumweltministerin, mehr Leitungswasser zu trinken. Das tun wir nun. Wir haben uns einen Wassersprudler zugelegt, der im Wassersprudler-Test gut abgeschnitten hatte. Die Kinder trinken das selbst Geprickelte ohne Murren.
Unterm Strich. Einfach. Das Trinkwasser ist fast überall einwandfrei. Viele Mineralwässer enthalten nicht mal mehr Mineralstoffe, das zeigt unser Mineralwasser-Test.
Schritt 5: Große Packungen kaufen – Lohnt oft, aber nicht immer

© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Kleine Packungen mögen für kleine Haushalte sinnvoll sein, für meinen mittelgroßen sind sie oft Unfug. Zum Beispiel reicht eine Packung mit 80 Gramm Käsescheiben gerade mal für zwei Schulbrote. Ein Stück Käse hält länger und mit seiner dünnen Folie spare ich etwa 14 Gramm Müll. Je haltbarer ein Lebensmittel, desto attraktiver die Großpackung: Ein Pfund loser Tee kann etwa 250 einzeln verpackte Teebeutel in 12,5 Pappkartons überflüssig machen. Eine Tüte Standard-Filterkaffee ersetzt fast 80 Kaffeekapseln aus Kunststoff oder Alu. Bei Joghurtbechern wird die Sache komplizierter. Da wiegen vier kleine dünnwandige Becher teils weniger als ein dickwandiger mit Doppeldeckel aus Alu und Plastik.
Unterm Strich: Großgebinde können Müll schrumpfen. Die Umwelt profitiert aber natürlich nur, wenn keine Lebensmittel weggeworfen werden.
Schritt 6: Unverpackt-Laden – Aufwendig, aber sehr wirksam

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In Deutschland hat 2014 der erste Unverpackt-Laden eröffnet, heute gibt es fast 140 Geschäfte. Sie verkaufen nur lose Ware. Ich habe zwei in Berlin ausprobiert. Vor dem Besuch suchte ich Mehrwegboxen, Schraubgläser, leere Flaschen zusammen. Im Geschäft muss ich als erstes die Gefäße wiegen und ihr Gewicht mit Filzstift darauf schreiben. Danach fülle ich alles aus großen Spendern ab: Nudeln, Reis, Nüsse, Müsli, getrocknete Kichererbsen, Kaffeebohnen. Aus Edelstahltanks zapfe ich Rapsöl, aus Kanistern Haushaltsreiniger und Vollwaschmittel. Die Kassiererin wiegt erneut und subtrahiert das Gewicht der Gefäße.
[24.01.2020]: Forscher bescheinigen Unverpacktläden einen Nutzen
Unverpackt-Läden bringen etwas: Im Vergleich zum Bioladen fällt bei ihnen 84 Prozent weniger Verpackungsmüll an. Das ergab eine Untersuchung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Sie hatte den Verpackungsaufwand von 19 Produkten verglichen. Am größten waren die Einspareffekte bei Essig, Espresso, Pfeffer und Ölen. Produkte aus Unverpackt-Läden seien zudem im Schnitt nicht teurer als vergleichbare verpackte Varianten aus dem klassischen oder dem Bio-Supermarkt.
Unterm Strich: Ich komme wirklich auf null Verpackung. Die Preise haben Biohandel-Niveau. Die Auswahl ist begrenzt, viel Trockenware. Und: Leere Gefäße wiegen, Inhalt abfüllen, erneut wiegen – das kostet Zeit. Die Preise haben in etwa Bio-Handels-Niveau.
Schritt 7: Nachfüllen – Hilft etwas

© Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Waschmittel gibt es in dünnen Kunststoff-Nachfüllpacks. Ich frage Peter Schick, den Energie-Experten der Stiftung Warentest, was das bringt. Er hat eine Ökobilanz für den gesamten Waschprozess erstellt, darunter Strom, Vollwaschmittel, Herstellung der Maschine. Ein Drittel der Umweltlast entsteht durchs Waschmittel. Nachfüllverpackungen machen davon rund 1 Prozent aus, bei größeren Kartons und den Plastikdosen für Gelkissen etwas mehr.
Unterm Strich: Auch Nachfüllen reduziert den Müllberg etwas.
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- Winzig klein, aber ein großes Thema: Die Stiftung Warentest beantwortet die wichtigsten Fragen zu Mikroplastik und welche Auswirkungen die Teilchen auf die Umwelt haben.
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- Leitungswasser gilt als am strengsten kontrolliertes Lebensmittel. 20 Trinkwasserproben aus ganz Deutschland hat die Stiftung Warentest auf kritische Stoffe untersucht.
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- Häufig landet in der Gelben Tonne oder im gelben Sack Müll, der dort gar nicht reingehört. Wie ernst es die Bürger mit der Mülltrennung nehmen, ist jedoch regional...
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Meine Vermutung ist, dass in den Läden erst mehr umdenken einsetzen wird, wenn wir mehr von dem Müll direkt in die dafür bereitgestellten Tonnen vor dem Laden stecken. Wieso muss beispielsweise eine Fertigpizza (in einer Tüte) noch in einen Karton gesteckt werden? Vl einfach mal die ganze Pappe vor dem Laden in den dafür vorgesehenen Papiercontainer geben.
Oder wieso müssen Bio-Produkte, die in Plasstik-Verpackungen stecken, dann nochmal mit Papier umwickelt werden? Für Produktinfos würde auch der Aluminium-Deckel reichen. Und für die Stabilität könnte man das Plastik etwas dicker machen. Dann müsste der Verbraucher nur den Deckel abmachen und beide Teile wäre gut receycelbar.
Wieso müssen Kekse teilweise einzeln verpackt, dann in eine Gesamtverpackung und dann noch in einen Karton gesteckt werden? Es mag dafür viele Gründe geben - aber sicher ist die Umwelt dabei zu kurz gekommen.
Daher passiver Widerstand: Einfach mehr von dem unnötigen Müll in den Tonnen der Verkäufern lassen.
Statt dem Einkaufskorb / -tasche kann man auch Kisten aus dem Laden nehmen. Die würden sonst sowieso im Müll landen. Damit spart man die zusätzliche Herstellung von Einkaufstaschen / -körben. Schafft man es dabei einen möglichst unbedruckten Karton zu erwischen, lässt sich dieser nach dem Einkauf klein machen und als Dünger im Garten vergraben. Regenwürmer freuen sich und man hat Zellulose direkt in den Boden gebracht. Dies gilt auch z.B. für die Unmengen von Kisten aus dem Online-Versandhandel, die bei Bestellungen so anfallen. Das gleiche lässt sich auch mit den beschriebenen Umweltartikeln (z.B. Mais-Verpackungen oder Verpackungen aus anderen Zellstoffen) machen, die sonst verbrannt würden.
Leute, wer hat sich diesen Schwachsinn ausgedacht?
Ich sage nichts mehr. Auf keinen Fall mal reformieren.
Schönen abend noch euch allen
Nosch
Meines Erachtens wurde es so um 2000 eingeführt. Das bedeutet, das wir alle für jegliche Vepackung schon im Laden einen gewissen Prozentsatz zahlen. Dafür werden alle Verpackungen kostenfrei entsorgt. So hies es damals. Oder irre ich mich da?
Die Praxis hat inzwischen aber gezeigt, das die Verantwortlichen dem nicht gewachsen sind.Bis auf ihre Gehälter. Will sagen anstatt ihrer Aufgabe gerecht zu werden, haben sie das Zeug im grossen Stiel an "Drittstaten" verscherbelt.
Und die Politik schaute wieder mal untätig zu. Auch die "Grünen".
Hinzu kommt dass seit einiger Zeit, zumindest in Berlin, die Lehrungen, von 2 Wochen auf 4 Wochen ausgedehnt wurden. Das gilt für Altglas sowie für die Gelbe Tonne.
Was ich auch nicht verstehe, warum müssen wir für Altpapier bezahlen? Sie bekommen einen fast reinen Rohstoff, ohne das ein einziger Baum gefällt werden muss.Übrigens die einzigen die 3x die Woche Leeren. Weil es bringt Geld.
MfG Nosch
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Unangemessener Umgangston