
Unsere Beispielwohnung: Stolze 3 200 Euro pro Quadratmeter beträgt der Bodenrichtwert im Westend in Frankfurt. © picture alliance/ZB/euroluftbild.de
Eine Schätzhilfe der Finanzbehörden soll Vermietern beim Abschreiben helfen. Doch die Regeln passen oft nicht – manchmal ist eine eigene Rechnung besser. Die Steuerexperten von Finanztest erklären, wann das der Fall sein kann – und was Vermieter dann tun können.
Schätzhilfe sieht nur geringe Afa-Beträge vor
Frankfurts Westend mit seinen großbürgerlichen Gründerzeit-Altbauten zählt zu den Wohnlagen mit den höchsten Mieten der Mainmetropole. Steuerlich ist es dort für Vermieter nicht immer traumhaft. Wegen der hohen Bodenpreise errechnet eine Schätzhilfe des Bundesfinanzministeriums vom Mai 2017 vor allem für alte, unsanierte Gebäude nur geringe Beträge für die Absetzung für Abnutzung (Afa) der Gebäude. Dem Finanzamt dürfen Vermieter aber nach wie vor eigene Zahlen vorlegen.
Eine hohe Afa ist günstig
Vermieter schreiben die anteiligen Anschaffungskosten für ein Gebäude ab – das Grundstück nutzt sich nicht ab. Die Afa, in der Regel 2 Prozent über 50 Jahre, ziehen sie ab, wenn sie die zu versteuernden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ermitteln. Eine hohe Afa ist also günstig. Wenn Vermieter erstmals vermieten, teilen sie den Kaufpreis in den Anteil für Gebäude und Boden auf. Das gilt auch, wenn sie einen Anteil von einem Miteigentümer „entgeltlich erwerben“. Das tun sie zum Beispiel, wenn Eheleute eine Wohnung besitzen, sich scheiden lassen und der eine dem anderen seinen Teil als Ausgleich für den Zugewinn in der Ehezeit überträgt. Der neue Alleineigentümer schreibt gewöhnlich seinen bisherigen Teil wie zuvor ab, und errechnet für den hinzugekauften einen neuen Abschreibungsbetrag. Wird ein Anteil vererbt oder verschenkt, darf der neue Eigentümer die bisherige Afa weiterführen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Oktober 2016, Az. IX R 26/15). Die Afa könnte zwar jedes Jahr geändert werden, üblich ist das aber nicht.
Vorgabe vom Bundesfinanzhof
Es reicht heute nicht mehr, nur den Gebäudewert zu bestimmen. Der Bundesfinanzhof gab Vermietern am 10. Oktober 2000 auf, den Wert von Boden und Gebäude zu ermitteln, ins Verhältnis zu setzen und so die Anschaffungskosten aufzuteilen (Az. IX R 86/97). Ist das Grundstück zum Beispiel 50 000 Euro wert und hat das Haus einen Sachwert von 100 000 Euro, ergibt sich ein Verhältnis von eins zu zwei. Bei 300 000 Euro Anschaffungskosten entfallen 200 000 Euro auf das Haus und 100 000 Euro auf das Grundstück. Bei einem hochwertigen Neubau auf günstigem Grund kann der Gebäudeanteil um die 70 bis 80 Prozent betragen. Bei einem unsanierten Altbau auf großen Grundstücken in Toplage kann er unter 20 Prozent ausmachen.
Arbeitshilfe der Finanzbehörden
Über die Jahre entwickelten Finanzbehörden Anleitungen für die Umsetzung in die Praxis. Im Mai 2017 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium eine Arbeitshilfe und Datei im Format xls des Tabellenkalkulationsprogramms Excel. Vermieter können damit einfach abschätzen, ob der Rechner in ihrem Fall realistische Ergebnisse auswirft. Die Grundlagen zur Ermittlung des Sachwerts für das Gebäude sind eingearbeitet. Eine Arbeitshilfe erläutert, welche Daten Vermieter in die Eingabemaske eintragen sollen.
Kaufpreis. Zum Kaufpreis addieren Eigentümer die Anschaffungsnebenkosten, im Beispiel für eine 2016 erworbene 70-Quadratmeter-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im Frankfurter Westend, Baujahr 1954.
Kauf und Anschaffungsnebenkosten
Kaufpreis |
262 000 Euro |
Notarkosten |
3 930 Euro |
Grunderwerbsteuer |
15 720 Euro |
Grundbuch (Auflassungsvormerkung, Eigentumsumschreibung, Grundschuld) |
1 310 Euro |
Maklerprovision |
15 589 Euro |
Verwalterzustimmung |
200 Euro |
Schätz- und Gutachterkosten |
907 Euro |
Fahrtkosten |
328 Euro |
Telefonkosten |
16 Euro |
Anschaffungskosten |
300 000 Euro |
Grundstücksgröße. Die Grundstücksgröße finden Eigentümer von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus zum Beispiel im Kaufvertrag oder in Abrechnungen der Hausverwaltung. Im Frankfurter Fall sind es 4 000 Quadratmeter. Auf die Wohnung entfallen 12 Tausendstel Miteigentumsanteil, also rechnerisch 48 Quadratmeter.
Bodenrichtwert. Die Bodenrichtwerte teilen Gutachterausschüsse der Städte und Gemeinden auf Anfrage, im Internet oder auf Karten mit, zum Teil kostenlos. Einzutragen ist der Wert vom Ermittlungsstichtag vor dem Kauf. Die Datei enthält in der Tabelle „Verweise zu GAA und BRW“ je Bundesland einen Link. Im Beispiel ergibt die Abfrage 3 200 Euro pro Quadratmeter. Für die 48 Quadratmeter errechnen sich 153 600 Euro Grundstückswert. Bei Häusern mit großen Grundstücken kann ein Teil als „nicht eigenständig verwertbare Teilfläche“ gelten. Für sie braucht nur ein Viertel des Bodenrichtwerts angesetzt zu werden. Die Arbeitshilfe enthält Hinweise, wann das der Fall sein kann.
Baujahr. Je älter ein Gebäude ist, desto geringer ist tendenziell sein Sachwert. Der Rechner berücksichtigt aber Modernisierungen in den 20 Jahren vor Anschaffung. Eigentümer wählen diese in der Tabelle „Fiktives Baujahr“ aus. Liegen sie länger als zehn Jahre zurück, gelten sie allenfalls als „teilweise Modernisierungen“. Das Programm ermittelt ein fiktives, jüngeres Baujahr für die Kaufpreisaufteilung. Das kann viel ausmachen: Für die Beispielwohnung von 1954 kam das Programm nur auf 33 530 Euro Gebäudewert. Bad, Heizung, Wärmedämmung und mehr sind aber neu. Daraus ergaben sich das „fiktive Baujahr“ 1980 und 61 390 Euro Gebäudewert. Ohne Modernisierung hätte der Gebäudeanteil nur 18 Prozent und die Afa 1 075,20 Euro betragen, mit ihr sind es knapp 29 Prozent und 1 713,60 Euro. Dieser Betrag wird zeitanteilig ab Vermietungsbeginn angesetzt.
Kaufvertrag: Schon beim Notar aufteilen ist möglich
Es ist möglich, schon im Kaufvertrag den Kaufpreis auf Grundstück, Gebäude und Inventar wie Möbel aufzuteilen. Für das Inventar fällt keine Grunderwerbsteuer an. Das Finanzamt darf nur davon abweichen, wenn es Anhaltspunkte auf Missbrauch oder Scheinvereinbarungen hat. Das hat der Bundesfinanzhof am 16. September 2015 entschieden (Az. IX R 12/14). Die Aufteilung kann positive oder negative Merkmale des Gebäudes und des Grundstücks berücksichtigen. Sie darf aber nicht wirtschaftlich unhaltbar erscheinen.
So teilt die Schätzhilfe den Kaufpreis für unsere Beispielwohnung auf

© Stiftung Warentest

Probleme gibt es, wenn die Schätzung des Rechners gar nicht passt. Das kann etwa bei Immobilien mit Besonderheiten oder sehr hohen Bodenpreisen der Fall sein. Oft schätzen die Behörden auch mit ihrer Arbeitshilfe „Kaufpreisaufteilung“ (bundesfinanzministerium.de), selbst wenn etwas anderes im Kaufvertrag steht. Das Bundesfinanzministerium erläutert für solche Fälle, die Berechnung des Finanzamtes sei „sachverständig begründet widerlegbar“. Es ist in solchen Fällen ratsam, eine begründete eigene Berechnung zu erstellen oder einen Sachverständigen zu beauftragen, um das Finanzamt zu überzeugen.
Gerichte müssen Sachverständigen einschalten
Kommt es zum gerichtlichen Streit, müssen die Finanzgerichte ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einholen. Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH) zugunsten einer Immobilienkäuferin (Az. IX R 26/19). Die Frau hatte eine vermietete Eigentumswohnung zum Preis von 110 000 Euro erworben. Gemäß Kaufvertrag entfielen 20 000 Euro davon auf das Grundstück. Die Frau setzte einschließlich Nebenkosten rund 96 550 Euro als Grundlage für die 2-Prozent-Gebäudeabschreibung (AfA) an. Das Finanzamt wollte aber nur rund 36 500 Euro entsprechend seiner Schätzhilfe berücksichtigen.
Weiterer Finanztest-Rat
Weitere Tipps für Vermieter enthält der Ratgeber Steuern von Finanztest. Das Spezial-Heft führt Sie Schritt für Schritt durch sämtliche Punkte der Steuererklärung.
Unser Rat
Abschreibung. Vermieter dürfen jedes Jahr in der Steuererklärung in der Regel 2 Prozent der Anschaffungskosten abschreiben, die auf das Gebäude entfallen. Dazu zählt nicht nur der reine Kaufpreis. Heben Sie Belege für Ausgaben rund um einen Immobilienkauf auf.
Arbeitshilfe. Den Abschreibungsbetrag ermitteln Sie selbst – normalerweise nur einmal am Anfang. Eine Schätzhilfe finden Sie unter bundesfinanzministerium.de/Kaufpreisaufteilung. Passt das Ergebnis gar nicht auf Ihren Fall, können Sie eine eigene Berechnung mit Begründung vorlegen. Das geht auch ohne Sachverständigengutachten.
Dieser Artikel wurde am 13.1.2021 aktualisiert.
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Die in der Tabelle enthaltene Position "Grundbuch (Auflassungsvormerkung, Eigentumsumschreibung, Grundschuld)" ist hinsichtlich der Grundschuld missverständlich. Siehe https://www.finanzverwaltung.nrw.de/sites/default/files/asset/document/so_ermitteln_sie_die_afa_0.pdf:
"Notar und Grundbuchgebühren, die mit der Eintragung der Grundschuld in
Zusammenhang stehen, gehören nicht zu den Anschaffungskosten des Objektes. Es
handelt sich hingegen um Geldbeschaffungskosten, die in voller Höhe als
Werbungskosten abzugsfähig sind."
Für solche Kosten enthält Zeile 38 der Anlage V eine eigene Eintragungsmöglichkeit. Die praktische Folge ist, dass solche Kosten im Jahr der Entstehung voll abzugsfähig sind und nicht über den Abschreibungszeitraum verteilt werden.