Wer nach dem Urlaub einen Bußgeldbescheid bekommt, weiß oft nicht, wie es weitergeht. Kay Reese, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht in Berlin, gibt Rat.
Nach der Rückkehr aus dem Urlaub flattert ein Bußgeldbescheid aus dem Ausland ins Haus – was tun?
Reese: Das kommt darauf an, ob man es war oder nicht. Fühlt sich der Urlauber zu Unrecht bezichtigt, sollte er seine Einwände geltend machen, also zum Beispiel mitteilen, dass er nicht gefahren sei. Ist der im Bußgeldbescheid genannte Vorwurf berechtigt, kann der Betroffene gleich zahlen. Manche Länder bieten sogar Rabatte für jene an, die schnell zahlen. Damit ist die Angelegenheit vom Tisch.
Bußgelder aus dem Ausland sind oft sehr hoch. Was passiert, wenn ich nicht zahle?
Reese: Nicht alle Bußgelder sind in Deutschland vollstreckbar. Vollstrecken heißt: Das Geld kann eingetrieben werden, wenn der Empfänger nicht freiwillig zahlt. In einem solchen Fall kann sich die ausländische Behörde ans deutsche Bundesamt für Justiz (BfJ) wenden, das für die Vollstreckung ausländischer Bußgelder zuständig ist. Das BfJ wird aber nur tätig, wenn die Forderung mindestens 70 Euro beträgt. Bußen, die darunter liegen, werden nicht vollstreckt. Aber selbst wenn die Bagatellgrenze erreicht ist, heißt das nicht, dass sich das Reiseland tatsächlich ans BfJ wendet. Urlauber können also zunächst einmal abwarten.
Können alle Reiseländer ihre offenen Bußgelder in Deutschland vollstrecken lassen?
Reese: Das hängt von einem Rahmenbeschluss der Europäischen Union ab. Länder, die diesen in nationales Recht umgesetzt haben, können vollstrecken lassen. Griechenland und Irland haben das nicht getan**. Sie können ihre offenen Bußgelder nicht eintreiben lassen. Dasselbe gilt für die Schweiz. Diese Länder versuchen oft, mithilfe von Inkassobüros an das Geld zu kommen.
Inkasso klingt für viele bedrohlich. Ist es das auch?
Reese: Inkassobüros oder mahnende Rechtsanwälte können offene Forderungen nicht vollstrecken. Von ihnen geht also diesbezüglich keine Gefahr aus. Vor allem Inkassobüros setzen darauf, dass der Angeschriebene mehr oder weniger freiwillig zahlt. Dazu bauen sie oft eine regelrechte Drohkulisse auf und sprechen davon, die offene Forderung der Schufa zu melden. Davon sollten sich Betroffene nicht einschüchtern lassen! Die Schufa darf nur unbestrittene Forderungen eintragen. Sicherheitshalber sollte der Angeschriebene der Forderung daher widersprechen.
Was sollte ein Verkehrssünder tun, wenn er Post vom Bundesamt für Justiz bekommt?
Reese: Post vom BfJ oder auch von einem deutschen Gericht sollte der Empfänger genau lesen und sich gegebenenfalls Rechtsrat holen. Meldet sich das BfJ, hat er zwei Wochen Zeit, sich zu äußern. Vom Gericht könnte ein Mahnbescheid kommen, gegen den der Betroffene Widerspruch einlegen müsste.
Angenommen, der Verkehrssünder zahlt nicht und hört auch nichts mehr von seinem Verkehrsvergehen. Ist die Sache damit erledigt?
Reese: Wer wieder in das Land fährt, in dem er als Verkehrssünder erwischt wurde, muss mit Konsequenzen rechnen. Die offene Geldbuße kann zum Beispiel bei der Einreise oder einer Verkehrskontrolle auffallen. Die Folge: Man zahlt die Buße und manchmal noch obendrauf.
** Passage korrigiert am 27. September 2016.
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