
Verkehrsregeln. Nicht immer sind sie so klar. © mauritius images / R. Linke
Verkehrsverstöße im Ausland können teuer werden. Behörden lassen so manches Bußgeld in Deutschland eintreiben. Hier lesen Sie, wann Sie Schreiben aus dem Ausland ignorieren können, was von Inkasso-Post zu halten ist – und wie Sie Bußgelder im Reiseland vermeiden.*
Bußgeldbescheid aus dem Ausland

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Das Inkassobüro ließ nicht locker. Mehrmals schickte es Zahlungsaufforderungen an Familie S., zunächst selbst, dann beauftragte es einen Rechtsanwalt. Der Vorwurf: Falschparken in Dänemark. Die Kosten beliefen sich auf knapp 70 Euro. Zusätzlich machte der Anwalt Gebühren geltend und verlangte insgesamt 220 Euro. Eine Summe, die sich Familie S. sparen wollte. Sie ignorierte die Post. Ein guter Weg?
Der Halter wird ermittelt
Der Grundsatz lautet: Wer gegen Verkehrsregeln verstößt, bekommt ein Bußgeld. Das gilt auch im Ausland und selbst dann, wenn der Reisende die fremden Regeln wie Parkverbote nicht kennt. Die ausländische Bußgeldstelle ermittelt den Halter des Autos. Zum Beispiel kann sie eine Halteranfrage beim Kraftfahrtbundesamt stellen und ihn dann auffordern, das Bußgeld zu zahlen.
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Vollstreckbar oder nicht?
Bleibt die Frage, ob das Bußgeld in Deutschland vollstreckt werden kann. Vollstrecken heißt, das Geld kann eingetrieben werden, wenn der Betroffene nicht freiwillig zahlt. Urlauber können es sich an einer Hand abzählen: Die Zahlungsaufforderung ist nicht viel wert, wenn keine Möglichkeit besteht, die Forderung zu vollstrecken.
Ab 70 Euro Bagatellgrenze

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Ausländische Behörden dürfen in Deutschland keine Bußgelder eintreiben. Das übernimmt das Bundesamt für Justiz (BfJ) – ab einer Bagatellgrenze von 70 Euro. Das Geld geht nicht ins Ausland, es steht dem deutschen Staat zu. Seit Oktober 2010 gilt ein Rahmenbeschluss der Europäischen Union. Danach können ausländische Geldstrafen und -bußen ab der 70-Euro-Bagatellgrenze eingetrieben werden. Das betrifft nicht nur Verkehrsdelikte, sondern auch Geldstrafen, die europäische Gerichte in anderen Fällen gegen Bundesbürger verhängen. Fast alle EU-Mitgliedstaaten haben diesen Rahmenbeschluss in nationales Recht umgesetzt – außer Griechenland und Irland. Sie können ihre offenen Bußgelder nicht eintreiben lassen. Deshalb versuchte es zumindest Italien früher sehr oft mithilfe von Inkassobüros. „Das macht übrigens auch die Schweiz“, sagt Kay Reese, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin (zum ausführlichen Interview).**
Aus Österreich schon ab 25 Euro
Zwischen Österreich und Deutschland gilt ein bilaterales Abkommen. Danach können Geldbußen aus Österreich schon ab 25 Euro vollstreckt werden. Das betrifft nur Geldforderungen. Kostet der Verstoß den Führerschein, kann das in Deutschland nicht umgesetzt werden. Ebenso wenig gibt es für Verstöße im Ausland Punkte beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg. Die 70-Euro-Grenze ist schnell erreicht. Schon kleine Vergehen am Steuer ziehen im europäischen Ausland hohe Geldbußen nach sich. Ein Beispiel, das der ADAC schildert: Erwischt die Polizei einen Autofahrer mit Handy am Steuer, zahlt er in Deutschland 60 Euro, in Frankreich ab 135 Euro, in Spanien ab 200 Euro und in den Niederlanden 230 Euro. Für die 70-Euro-Grenze kommt es übrigens nicht allein auf die Höhe des Bußgeldes an. Die Verfahrenskosten werden hinzugezählt.
Rechtzeitig Einwände vorbringen

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Der Polizist oder Blitzer hält in der Regel nur das Kennzeichen fest. Der Halter muss erst ermittelt werden. Die ausländische Behörde erfragt die Daten beim Kraftfahrtbundesamt und stellt den Bußgeldbescheid zu. Bei Verstößen mit Mietwagen wendet sie sich an den Verleih. Fühlt sich der Halter zu Unrecht bezichtigt, muss er seine Einwände geltend machen, zum Beispiel, dass er nicht gefahren sei – er sollte es in der Landessprache oder einer Sprache mitteilen, die akzeptiert wird.
Rabatte für Schnellzahler
Ist der im Bußgeldbescheid genannte Vorwurf berechtigt, kann der Betroffene gleich zahlen. Manche Länder bieten sogar Rabatte für Schnellzahler an. Zahlt er nicht, hängt der weitere Verlauf auch davon ab, ob die Forderung in Deutschland vollstreckbar ist. Wenn nicht, verläuft die Sache entweder im Sande oder die ausländische Behörde beauftragt ein Inkassobüro.
Keine Angst vor Inkasso

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Inkassobüros und mahnende Anwälte haben keine Möglichkeit, die Bußgeldforderung zu vollstrecken. Sie setzen darauf, dass der Angeschriebene freiwillig zahlt. „Manche Inkassobüros bauen eine regelrechte Drohkulisse auf und sprechen von Schufa-Einträgen“, sagt Reese. Sie drohen damit, die offene Forderung der Schufa zu melden. Reese rät: „Nicht einschüchtern lassen. Die Schufa darf nur unbestrittene Forderungen eintragen.“ Sicherheitshalber sollte der Betroffene der offenen Forderung widersprechen. Nach Reeses Erfahrung lassen die Inkassobüros Verkehrssünder, die nicht zahlen, bald vom Haken. Bekommt der Betroffene aber Post von einem deutschen Gericht oder dem BfJ, sollte er sie genau lesen und sich gegebenenfalls Rechtsrat suchen.
Zwei Wochen Zeit, sich zu äußern
Hat die ausländische Behörde die Vollstreckung beantragt, achtet das Bundesamt für Justiz darauf, ob die Voraussetzungen erfüllt sind: Die Geldsanktion muss mindestens 70 Euro betragen und der Betroffene die Möglichkeit haben, zum Vorwurf Stellung zu nehmen. Das bedeutet auch: Die Kernaussage des Bescheids muss in der Regel auf Deutsch verfasst sein. Wenn nichts gegen eine Vollstreckung spricht, erhält der Betroffene Post vom BfJ und hat zwei Wochen Zeit, sich zu äußern.
Niederlande fordern ein
Nicht alle Länder treiben offene Bußgelder gleichermaßen ein. „2015 hatten wir 10 162 eingehende Ersuchen. Dabei geht es nicht nur, aber zum großen Teil um Bußgelder wegen Verkehrsdelikten“, sagt Heide Schulz, stellvertretende Pressesprecherin beim BfJ. „Die meisten Ersuchen kamen 2015 aus den Niederlanden, Belgien und Polen. Der weit überwiegende Teil stammte aus den Niederlanden.“ Urlauber, die nach ihrer Rückkehr nichts mehr von ihrem Verkehrsdelikt hören, können die Angelegenheit oft einfach aussitzen.
Offenes Bußgeld kann bei erneuter Einreise auffallen
Es besteht natürlich eine moralische und rechtliche Pflicht, das Bußgeld zu zahlen. Wenn es aber nicht vollstreckt werden kann, müssen Urlauber, die nicht zahlen wollen, nichts fürchten – bis auf eine Ausnahme: „Wer nochmals in das Land reist, in dem er als Verkehrssünder erwischt wurde, muss bei einer offenen Geldbuße mit Konsequenzen rechnen“, sagt Anwalt Reese. Dabei spielt keine Rolle, ob es sich um eine Forderung handelt, die in Deutschland nicht vollstreckt werden kann, zum Beispiel ein Bußgeld aus Irland**. Es gilt immer das Recht des Reiselandes. In manchen Staaten fällt die offene Geldbuße bei der Passkontrolle am Flughafen auf, in anderen bei einer Verkehrskontrolle.
Und die Post aus Dänemark?
Familie S. hat nichts mehr vom Inkassobüro zum Falschparken gehört. Die Angelegenheit scheint ausgestanden zu sein. Nur, falls sie wieder nach Dänemark fahren möchte, könnte das offene Bußgeld noch eine Rolle spielen.
* Dieses Special ist am 25. August auf test.de erschienen. Wir haben es am 13. September 2016 um das Interview mit Rechtsanwalt Kay Reese ergänzt.
** Passage korrigiert am 27. September 2016.
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