
Der Europäische Gerichtshof hat mehrfach über das Löschen von Daten aus Suchmaschinen geurteilt. © Alamy / jbdodane
Suchmaschinen müssen Artikel nur dann aus Trefferlisten löschen, wenn Angaben darin nachweislich falsch sind. Das haben EuGH und Bundesgerichtshof (BGH) festgelegt.
Das Verbot, bestimmte personenbezogene Informationen zu verbreiten, gilt auch für Suchmaschinenbetreiber wie Google. Das hat der EuGH in einem Urteil entschieden (Az. C-507/17). Google müsse dafür sorgen, dass das Privatleben betroffener Bürger geschützt bleibe. Auch mit dieser Entscheidung hat das EuGH die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen im Internetzeitalter gestärkt.
Suchmaschinen müssen Privatleben von Bürgern Rechnung tragen
Das „Recht auf Vergessenwerden“ im Netz hatte der EuGH bereits 2014 eingeführt. Damals entschieden die Luxemburger Richter, dass Suchmaschinenbetreiber auf Antrag Informationen aus ihren Suchergebnissen streichen müssen, wenn diese Angaben die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen verletzen.
Betroffene müssen Nachweise für Unrichtigkeit bringen
Zuletzt hatten EuGH und Bundesgerichtshof konkretisiert, wie das im Einzelfall aussehen muss.
Der Fall. Ein Paar aus der Finanzbranche hatte erreichen wollen, dass mehrere kritische Artikel über ihr Anlagemodell nicht mehr als Treffer angezeigt werden, wenn Nutzerinnen oder Nutzer bei Google nach ihren Namen suchen. Die Artikel waren auf einer US-amerikanischen Internetseite veröffentlicht worden. Den Betreibern dieser Seite wurde wiederum vorgeworfen, sie lancierten gezielt negative Berichte, um Betroffene damit zu erpressen. Google weigerte sich jedoch, die Links zu den Artikeln zu entfernen. Grund: Google könne schließlich nicht beurteilen, ob an den Vorwürfen etwas dran sei.
Das Urteil. In Reaktion auf das letztjährige Urteil des Europäischen Gerichtshofs in derselben Sache (Az. C-460/20) hat der BGH nun entschieden, dass Betroffene relevante und hinreichende Nachweise dafür vorlegen müssen, dass die in fragwürdigen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig sind – oder zumindest ein relevanter Teil davon. Wann Belege relevant und hinreichend genug sind, müsse im Einzelfall geprüft werden, so der BGH. Im konkreten Fall konnte das Paar aus der Finanzbranche nicht nachweisen, dass die in den Artikeln enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind. So bleiben diese Informationen weiter auffindbar.
Löschungswunsch für jeden einzelnen Link bei Google begründen
Wer Links entfernen lassen möchte, kann ein Online-Formular von Google nutzen. In dem müssen Betroffene jeden einzelnen Link aufführen, den sie gelöscht wissen wollen. Sie müssen auch begründen, warum dieser ihrer Ansicht nach unangemessen ist und entfernt werden soll. Außerdem müssen sie eine gut lesbare Kopie eines Dokuments beifügen, aus dem ihre Identität hervorgeht. Es muss aber kein Personalausweis sein. Auch dritte Personen wie Anwälte können die Löschung für Betroffene beantragen, soweit sie neben dem eigenen auch den Identitätsnachweis des Betroffenen vorweisen. Die Dokumentenkopien werden laut Google gelöscht, wenn der Entfernungsantrag bearbeitet ist.
Zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit
Wenn ein solcher Antrag gestellt werde, wäge Google die Datenschutzrechte von Einzelpersonen gegen das öffentliche Interesse an den Informationen und das Recht auf Informationsverbreitung ab. So heißt es auf der Seite mit dem Lösch-Formular. „So lehnen wir einen Antrag möglicherweise ab, wenn er finanzielle Betrugsfälle, Berufsvergehen oder Amtsmissbrauch, strafrechtliche Verurteilungen oder das öffentliche Verhalten von Amtsträgern zum Gegenstand hat.“
Gerichtliche verbotene Links trotzdem zu sehen
Die Erfahrung, dass Google selbst gerichtlich angeordneten Löschaufträgen nicht nachkommt, müssen indes immer wieder Firmen und Personen machen. So macht die US-amerikanische Datenbank LumenDatabase.org verbotene Links wieder sichtbar – und Google verlinkt darauf (Google – warum gerichtlich Verbotenes auffindbar bleibt).
Beim Löschen auch an andere Suchmaschinen denken
Wenn Google den Löschauftrag ablehnt, können Verbraucher sich an den Datenschutzbeauftragten ihres jeweiligen Bundeslandes wenden. Wenn dieser im Streitfall nicht vermitteln kann, steht ihnen auch der Klageweg offen.
Achtung: Wenn Google den Löschauftrag ausgeführt hat, ist der Link damit noch nicht aus der Welt. Bei anderen Suchmaschinenbetreibern wie beispielsweise Bing ist er unter Umständen weiter zu finden. Für die gilt das EuGH-Urteil aber in gleicher Weise. Auch sie müssen nach denselben Kriterien entsprechende Links aus ihren Trefferlisten entfernen. Bing hat ebenfalls einen Lösch-Antrag online gestellt.
Google und das Löschen von Sucherergebnissen – das sollten Sie wissen
Möchte Sie gegen Suchmaschinenbetreiber vorgehen? Hier lesen Sie, was geht und was nicht geht.
Wenn Google Ihren Löschungsantrag ablehnt... können Sie sich an den Datenschutzbeauftragten Ihres jeweiligen Bundeslandes wenden. Wenn dieser im Streitfall nicht vermitteln kann, steht Ihnen auch der Klageweg offen.
Wenn Google Ihren Löschungsantrag akzeptiert... ist der Link damit noch nicht aus der Welt. Google filtert den Link zwar aus seinen Suchergebnislisten heraus, bei anderen Suchmaschinenbetreibern ist er aber unter Umständen weiter zu finden.
Wenn Sie Probleme mit Bing oder anderen Suchmaschinen haben... gilt das Beschriebene in gleicher Weise.Andere Suchmaschinen – beispielsweise Bing – sind genauso betroffen. Auch sie müssen nach denselben Kriterien entsprechende Links aus ihren Trefferlisten entfernen. Allerdings hat noch keiner der Google-Konkurrenten ein vergleichbares Online-Löschverfahren eingerichtet.
Wenn Sie auch die Original-Internetseite löschen lassen wollen... kann es schwierig werden. Die EuGH- und BGH-Rechtsprechung bezieht sich nur auf Suchmaschinen und die dort zu findenden Links. Eine Löschung des eigentlichen Inhalts ist ungleich schwerer zu erreichen, insbesondere wenn es um journalistische Angebote geht. Laut Urteil des Bundesgerichtshofs darf eine Zeitung auch sehr alte Berichte über Straftäter online archivieren, ohne die Klarnamen der Täter anonymisieren zu müssen.
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Nun veröffentlichte Google erste Daten zur Löschaktion. Daraus geht hervor, sofern man den Angaben von Google vertraut, dass es vor allem sogenannte "Personen des öffentlichen" Lebens sind, die löschen lassen, um sich so in ein besseres Licht zu rücken. Das ist exakt das, was zu befürchten war. Und man sage bitte nicht, das habe ja niemand ahnen können. DOCH, das wusste man natürlich vorher. Deshalb auch von mir nochmals der Hinweis auf das, was ein anderer Kommentator schrieb: Unzensierte Suchergebnisse gibt es nach wie vor auf allen nicht EU-Domains, allen voran google.COM. Wer mag kann auch hier die Sprache auf deutsch einstellen und erhält weitestgehend unzensierte Suchergebnisse. Das gilt auch für Suchergebnisse, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen wegen "Meinungsverbrechen" gelöscht werden mussten. Welchen Grund sollte es also geben, nicht google.COM (statt.de) zu benutzen? Ich kann keinen erkennen.
Zur Ergänzung: Google kündigte dankenswerter Weise an, die Löschungen nur auf Google-Domains mit EU-Kennung (.de, .fr, .at usw.) vorzunehmen und deutlich darauf hinzuweisen, das gelöscht wurde. Neben staatlicher Zensur, die ebenfalls auf den Ergebnisseiten von Google gekennzeichnet wird (Deutschland ist übrigens das zensurfreudigste Land Europas) gibt nun einen weiteren Grund, grundsätzlich nur über google.COM zu suchen. Wer mag kann auch hier ein deutsches Interface einstellen. Dort bekommt man dann weitestgehend ungefilterte und unzensierte Ergebnisse. Besser noch: startpage.com. Google-Ergebnisse ohne Zensur und Löschungen und anonym dazu.