Das Urteil des Landgerichts München in Sachen „Ritter Sport Voll-Nuss“ ist nicht rechtskräftig. Zum laufenden Rechtsstreit äußert sich die Stiftung Warentest daher nicht. test.de nimmt die umfangreiche Berichterstattung aber zum Anlass, das Vorgehen der Stiftung Warentest bei Lebensmitteltests zu erläutern und erklärt, warum sie auf korrekte Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln Wert legt.
Die Lebensmittelverpackung soll eine „ehrliche Haut“ sein
Die Stiftung Warentest untersucht regelmäßig Lebensmittel und schaut dabei unter anderem auf Schadstoffe, Keimgehalte, auf Geruch, Geschmack und andere sensorische Eigenschaften. Auch Verpackungs- und Deklarationsprüfungen gehören dazu. Hinsichtlich einer korrekten Kennzeichnung von Lebensmitteln sind sich in Deutschland alle einig: Was drauf steht, muss auch drin sein. Der Bundesverband für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde spricht davon, dass die Lebensmittelverpackung eine ehrliche Haut sei, auf die sich der Verbraucher verlassen kann. So wünschen es sich auch die Verbraucherzentralen und deren Dachverband, der Verbraucherzentrale Bundesverband. Denn der Kunde orientiert sich an dem, was auf der Packung steht und trifft danach seine Kaufentscheidung. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit betont auf seiner Website den Schutz der Verbraucher vor Täuschung: Verbraucher in Deutschland sollen sich auf eine einwandfreie und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Beschaffenheit der Lebensmittel verlassen können.
Das Lebensmittelrecht soll den Verbraucher schützen
Zum Schutz des Verbrauchers basiert das Lebensmittel- und Futtermittel-Gesetzbuch (LFGB) auf drei Säulen: Die Ziele Gesundheitsschutz, Täuschungsschutz und Information aller beteiligten Akteure stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ein Lebensmittel darf also weder die Gesundheit des Verbrauchers schädigen, noch darf es irreführend gekennzeichnet sein. Im LFGB heißt es: „Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden“. In so einem Fall darf ein Lebensmittel gar nicht erst verkauft werden. Es ist dann „nicht verkehrsfähig“ – wie es in der Fachsprache heißt.
Gravierende Kennzeichnungsmängel sind nicht selten
Eine irreführende Kennzeichnung ist kein Kavaliersdelikt. Als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch ist zwar nicht gesundheitsgefährdend, aber schlichtweg Betrug am Verbraucher. Gleiches gilt für „Persisches Blausalz“, bei dem die Stiftung Warentest eine Färbung mit einem nicht zugelassenem Farbstoff, dem sogenannten Berliner Blau, festgestellt hat. Auch Pizza mit nachgemachtem Käse oder mit Formfleisch ist irreführend gekennzeichnet, wenn im Zutatenverzeichnis „Käse“ beziehungsweise „Schinken“ steht. Und Verbraucher empören sich zu Recht, wenn „Bio“ drauf steht, aber kein „Bio“ drin ist. Verzehrsfähig sind solche Lebensmittel durchaus. Aber sie sind mit dieser Kennzeichnung nicht verkehrsfähig. Das gilt zum Beispiel auch für „Büffel-Mozzarella“, der nur aus Kuhmilch hergestellt ist. Manchen Verbrauchern mag das zunächst egal sein, doch für angeblich hohe Qualität, die keine ist, zahlen sie kräftig drauf. Unabhängig vom Preis für Lebensmittel mit minderwertigen Zutaten legen manche Verbraucher auf einzelne Zutaten besonderen Wert. Nicht nur für Allergiker ist der Wahrheitsgehalt des Zutatenverzeichnisses wichtig. Wer Wert auf naturbelassene Lebensmittel legt, schaut besonders auf Konservierungs-, Farb- und Aromastoffe. Bei entsprechenden Verstößen in der Kennzeichnung bewertet die Stiftung Warentest kritisch. Die Verpackung mit ihren Angaben, Informationen und Abbildungen ist genauso Teil des Produktes wie der Inhalt. Beides muss stimmen und zueinander passen.
So testet die Stiftung Warentest
Je nach Lebensmittel untersucht die Stiftung Warentest in der Regel viele produktrelevante Eigenschaften – vom Keimgehalt über Schadstoffe bis hin zur sensorischen Qualität, also Geruch, Geschmack oder etwa Mundgefühl. Diese Kriterien listen die Tester in den Veröffentlichungstabellen stets auf. Die Deklaration wird selbstverständlich auch beurteilt – sie ist Teil der Produktqualität. Steht „natives Olivenöl extra“ auf dem Etikett, obwohl die Tester minderwertiges Öl nachweisen konnten, ist das ein Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften. Im Extremfall führt das zu einem mangelhaften test-Qualitätsurteil – nämlich dann, wenn die Kennzeichnung den Verbraucher beispielsweise über die tatsächliche Beschaffenheit, Herkunft oder Zusammensetzung des Produktes täuscht. Oft kann der Verbraucher solche Mängel gar nicht selbst feststellen. Die Stiftung Warentest prüft daher fachkundig, objektiv und neutral für ihn. Stellt sie eine Falschdeklaration fest, nennt sie auch Ross und Reiter. Die Tester legen den Maßstab an, den der Gesetzgeber ansetzt – mit entsprechend strenger Bewertung.
Rechtsvorschriften in Hülle und Fülle
In Deutschland verkaufte Lebensmittel unterliegen nicht nur der nationalen Gesetzgebung, sie müssen auch EU-weit geltenden Vorschriften genügen. Diese definieren bestimmte Begriffe und Produktzusammensetzungen, die für uns Verbraucher nicht immer auf den ersten Blick verständlich sind. Jeder kennt Milch, Butter und Käse. Aber welche gesetzlichen Anforderungen stecken dahinter? Was ist eine geschützte geografische Angabe? Wo liegt der Unterschied zwischen „Vanilleeis“ und „Eis mit Vanillegeschmack“? Gerade solche Fragen aus dem Themenbereich „Aromastoffe“ sind besonders komplex. All diese Aspekte greifen die Tester auf und ordnen sie ein – nicht nur über Testurteile. Wenn gesetzliche Vorgaben nur Mindestanforderungen darstellen und den Schutz des Verbrauchers nicht hinreichend sicherstellen, darf die Stiftung Warentest auch eine strengere Messlatte anlegen. Wenn sie das tut, begründen die Tester dies fachlich und weisen explizit darauf hin. So prüft die Stiftung Warentest beispielsweise natürliches Mineralwasser seit Jahren nicht nur nach den Anforderungen der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung. Sie untersucht die Wässer auch auf Keime, die für Immunschwache gefährlich werden könnten. Der Gesetzgeber berücksichtigt dies noch nicht, obwohl in Deutschland immer mehr Menschen von Immunschwäche betroffen sind.
Die Stiftung Warentest kämpft für den Verbraucherschutz
Schneidet ein Produkt im Test sehr gut oder gut ab, wirbt der Hersteller gern damit. Qualität wird so belohnt. Bei schlechten Urteilen ändern die Hersteller ihre Produkte häufig und verbessern sie im Sinne des Verbrauchers. Ab und zu streiten die Hersteller aber auch mit der Stiftung Warentest. Die Stiftung Warentest ist sich ihrer großen Verantwortung bewusst und vergibt die Urteile nur nach gründlicher Prüfung. Wenn es sein muss, verteidigt sie die Bewertungen auch vor Gericht.
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Ich oute mich als langjähriger Kunde von SW. Das Vorgehen der SW gegenüber Herstellern, die falsch deklarieren, finde ich vollkommen richtig. Wir gewöhnen uns sonst daran, betrogen oder hinters Licht geführt zu werden. Für mich als Kunde ist es wichtig, zu wissen, was ich in mich hinein füttere.Es dürfte auch im Interessen der Hersteller sein, wenn der Kunde den Aussagen zu den beworbenen Waren glauben kann. Für bewußt auswählende Konsumenten kommt es darauf an was drin ist, sonst nimmt er Abstand vom Kauf. Und es gibt immer mehr bewußte Käufer. Zum Glück. Das hilft der Qualität auf die Sprünge.
@jesche
Nein - ich arbeite nicht für SW. Warum sollte ich auch?
Und ob Ritter oder SW aktuell den Kürzeren zieht, würde ich mich noch nicht festlegen. Der kritische Verbrauchen sollte sich mal fragen, wieviel von des angeblich seriösen Test in diesen Heften noch am Stammtisch nach ein Gläschen Bier geschrieben wurden. Und Ritter sollte prüfen, ob ein möglicher wirtschaftlicher Schaden nicht von SW zu ersetzen ist.
@jesche
Die von Ihnen erwähten Punkte mögen zwar korrekt sein, sind aber nicht die von mir angesprochenen Grundlagen. Diese sind deutlich tiefer anzusetzen und basieren auf den Grundsatz, der SW die Behauptungen belegen muss und nicht Ritter.
@test
Wo sind denn nun die Analysen, die Ihre Behauptungen stichfest machen?
Schönen Dank für die Hinweise. Empfehle Abstand zu nehmen von reinen Beweislastfragen, denn um solche geht es in meinen Ausführungen nicht, zumal das LG in einem Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden hatte. Symrise, die sogar beigetreten sind und eine eigene eidesstattliche Versicherung zum Ursprung des Aromastoffs zur Glaubhaftmachung vorgelegt haben, haben sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt, da sie selber nur Zwischenhändler sind. Das OLG mag sich mit der Rechtsfrage befassen, welche Auslegung der Europäischen Aromen-Verordnung (VO (EG) Nr. 1334/2008 die zutreffende ist. In jedem Falle aber bleiben die Zweifel, weil eben Ritter nicht den Nachweis des natürlichen Ursprungs erbracht hat und das zählt für kritische Verbraucher. Unterstelle, dass Sie auch Jurist sind und wissen was geschieht: Ritter hat in 1. Instanz obsiegt, und sich selber erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt; Ach ja macuser, bin unbeteiligter RA und arbeite nicht bei test. Und Sie?
@jesche
Sind Sie ein Mitarbeiter von Stiftung Warentest, der um seinen Job fürchtet?