Diese Urteile bringen Volkswagen in Schwierigkeiten: Nach dem Landgericht Hildesheim hat jetzt auch das Landgericht Karlsruhe den Konzern dazu verurteilt, den Käufer eines Skandalautos zu entschädigen. Die Urteilsbegründungen haben es in sich: Der Konzern habe vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen und Betrug begangen. Werden die Urteile rechtskräftig, können die beiden Kunden ihre Autos zurückgeben und erhalten den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zurück.
Abgasreinigung nur im Prüfstand
Im September 2015 gab VW zu: Bei rund 2,5 Millionen Dieselfahrzeugen in Deutschland funktioniert die Abgasreinigung nur im Prüfstand korrekt. Sobald das Auto sich im Straßenverkehr in Bewegung setzt, schaltet die Motorsteuerung die Abgasreinigung ab (alle Details im umfangreichen FAQ Abgas-Skandal).
Vergleich mit dem Glykol-Skandal
Zwei Gerichte haben den Hersteller direkt zu Schadenersatz verurteilt. Klare Ansagen der Richter in Hildesheim: Die Lieferung eines Skandal-Autos ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und ein Betrug am Käufer dieses Autos. Das Gericht führte in seiner Urteilsbegründung aus: „Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden“. Das Gericht hob auch die Verwerflichkeit einer Verbrauchertäuschung hervor. „Ein solches (...) Verhalten (...) ist ebenso verwerflich wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von Glykol in Wein oder Pferdefleisch in Lasagne.“
Vorstand in der Verantwortung
VW könne sich nicht damit verteidigen, dass unklar sei, ob Vorstandsmitglieder von der betrügerischen Motorsteuerung wussten. „Der Vortrag der Beklagten (= VW, Anm. der Red.), sie kläre gerade die Umstände auf, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei (...), ist gänzlich unzureichend“, schreiben die drei Richter in die Urteilsbegründung. Angesichts der seit Bekanntwerden des Skandals vergangenen Zeit sei es schlicht unglaubhaft, dass VW alles getan habe, um die Vorwürfe zu klären.
Kunde muss Nachrüstung nicht akzeptieren
Nach Ansicht des Landgerichts Hildesheim hat der Käufer eines Skandalautos Anspruch auf Erstattung eines Großteils des Kaufpreises in Höhe von 26 500 Euro. Er muss sich lediglich einen Abzug für die gefahrenen Kilometer gefallen lassen. Keinesfalls müsse sich der Kunde mit einer Nachrüstung und einem Wertausgleich zufrieden geben. Aus der Urteilsbegründung: „Es besteht die konkrete Befürchtung, dass die vermehrte Rückführung von Abgas (...) zu erhöhtem Wartungsaufwand oder sogar zu vorzeitigen Motorschäden führen kann.“
Andere Klagen bisher abgewiesen
Andere Landgerichte haben Klagen direkt gegen VW aus verschiedenen Gründen abgewiesen. Mal hielten sie es für nicht nachgewiesen, dass vertretungsberechtigte Top-Mitarbeiter des Konzerns die Verantwortung trugen. Mal waren sie der Meinung, dass Käufer sich nicht auf die im öffentlichen Interesse verabschiedeten Regelungen über die Abgasreinigung berufen können. Dagegen liegen schon eine ganze Reihe von Urteilen vor, wonach Skandal-Autos mangelhaft sind und Käufer deshalb vom Vertrag zurücktreten dürfen, wenn der Händler nicht schnell genug für Abhilfe sorgt.
Verbesserte Chance für Sammelklagen
Wenn sich die Rechtsansicht der Landgerichte Hildesheim und Karlsruhe durchsetzt, heißt das auch: Die my-right.de-Sammelklage wird Erfolg haben. Die Juristen dort argumentieren ganz ähnlich. Erste Klagen hat das Unternehmen, das Skandalauto-Besitzern die Wahrnehmung ihrer Rechte gegen den Konzern ohne Kostenrisiko anbietet, bereits eingereicht.
Landgericht Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017
Aktenzeichen: 3 O 139/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
Zur Gerichtspressemitteilung
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2017
Aktenzeichen: 4 O 118/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
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Dieser Artikel erschien am 17. Januar 2017 auf test.de. Er wurde zuletzt am 30. März 2017 aktualisiert.