Wer im Internet Musik, Filme oder Software herunterlädt, riskiert eine Abmahnung. Die wenigsten Nutzer ahnen, was alles verboten ist.
Ein Woody-Allen-Film sollte Inga Sommer (Name von der Redaktion geändert) teuer zu stehen kommen. 956 Euro verlangte ein Rechtsanwalt. Das kam so: Sie wollte sich einen gemütlichen Abend machen und lud im Internet den Film „Ich sehe den Mann deiner Träume“ herunter. Der Anwalt sah darin eine Rechtsverletzung. Sein Vorwurf: Inga Sommer habe über ihren Internetanschluss den Film illegal zum Tausch angeboten. Er schickte eine Abmahnung. Die junge Frau war geschockt.
Etwa 100 solcher Abmahnfälle landen Woche für Woche auf dem Schreibtisch eines anderen Anwalts, des Kölners Christian Solmecke. Er verteidigt Menschen, die ähnliche Briefe bekommen wie Inga Sommer. Insgesamt betreut der Jurist 22 000 Mandanten, denen eine Urheberrechtsverletzung im Internet vorgeworfen wird. „Es ist gigantisch“, sagt Solmecke. Da geht es um Fotos, die Nutzer zum Beispiel bei Ebay einstellen, um heruntergeladene Musik oder um Stadtplanausschnitte. Selbst ein Link auf eine Webseite kann riskant sein. Nutzer sollten wissen, wo Gefahr lauert.
Betroffene haben einen Verein gegen den Abmahnwahn gegründet. Nach Schätzungen des Vereins sind im Jahr 2011 fast eine Viertelmillion Bundesbürger abgemahnt worden. Experten sprechen sogar von einer Abmahnindustrie. Deren Vertreter fordern hohe Beträge: zwischen 300 und 1 500 Euro pro Fall.
Abmahnungen sind keine Abofallen
Eine Abmahnung – zuerst wusste Inga Sommer nicht, was das ist. Auch Anwalt Solmecke sagt: „Viele meiner Mandanten fallen aus allen Wolken. Einige denken, dass sie in eine Abofalle getappt sind.“ Damit haben Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen rein gar nichts zu tun. Hier wurde jemand durch das Verhalten eines anderen in seinem Urheberrecht verletzt und geschädigt.
Dem Inhaber des Rechts entsteht zum Beispiel ein Schaden, wenn die Leute seinen Film nicht im Kino ansehen, sondern ihn einfach kostenlos im Internet herunterladen. Eine Abmahnung soll die zivilrechtlichen Ansprüche des Rechteinhabers durchsetzen. Dabei handelt es sich um den Anspruch auf Schadenersatz und den Anspruch auf Unterlassung. Mit der Durchsetzung der Ansprüche beauftragen Rechteinhaber Anwälte.
„Zum Tausch angeboten“

Download gleich Upload. Wenn der Nutzer bei einer Tauschbörse eine Datei herunterlädt, wird der bereits heruntergeladene Teil zeitgleich hochgeladen und ist anderen zugänglich. Auf diesen Vorgang zielen die Abmahner ab.
Die Anwälte schicken Abmahnungen und erklären das Verhalten für rechtswidrig. In Inga Sommers Fall hieß es: „Sie haben einen urheberrechtlich geschützten Film illegal zum Tausch angeboten.“ Sie verstand das nicht, sie hatte den Film doch heruntergeladen. Warum schrieb der Anwalt, sie habe ihn „zum Tausch angeboten“?
Die Abmahnkanzleien greifen oft hier an, weil der Nachweis dieser Rechtsverletzung einfach ist: Wenn der Internetnutzer bei einer Tauschbörse eine Datei herunterlädt, wird sie gleichzeitig hochgeladen und steht in dem Moment anderen Nutzern zur Verfügung. Er macht die Datei also anderen öffentlich zugänglich – eine Handlung, die nur der Rechteinhaber vornehmen darf. Darauf bezieht sich der Vorwurf, man habe etwas „zum Tausch angeboten“.
Inga Sommer lud den Woody-Allen-Film herunter und gleichzeitig wieder hoch. Für diese Urheberrechtsverletzung fordern die Abmahnanwälte Schadenersatz und Erstattung der Anwaltsgebühren. Außerdem soll der Abgemahnte eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Damit verpflichtet er sich, das vorgeworfene Verhalten zu unterlassen, sonst droht eine Vertragsstrafe.
„Man hält Hunderte vom Kino ab“
Oft ist bereits das bloße Herunterladen von Dateien wie etwa Musik oder Filme eine Urheberrechtsverletzung. Und zwar immer dann, wenn die Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde. Diese Rechtsverletzung ist schwieriger nachzuweisen als das „Tauschangebot“ durch Hochladen.
Kanzleien, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben, verfolgen vor allem Nutzer von Tauschbörsen. Die laden nicht nur Filme herunter, sondern auch Musik, Fotos oder Computerspiele, Filesharing genannt. Das kommt aus dem Englischen und bedeutet „Dateien teilen“.
Illegale Downloads schaden Rechteinhabern enorm. Bei einem Film etwa geht es längst nicht nur um die eine nicht gelöste Kinokarte, die sich der Nutzer gespart hat. Björn Frommer, Rechtsanwalt der Münchener Kanzlei Waldorf Frommer, erklärt: „Wenn man einen Film illegal herunterlädt und damit anderen zugänglich macht, geht man nicht nur selbst nicht ins Kino, sondern hält Hunderte davon ab.“ Das erklärt die hohen Forderungen, die die Rechteinhaber geltend machen.
Rechteinhaber sind nicht nur die Urheber selbst, also diejenigen, die das Werk geschaffen haben – wie Musiker und Autoren. Rechteinhaber kann auch der sein, der über eine Lizenz die Rechte vom Urheber erworben hat, Filmproduktionsfirmen zum Beispiel oder Musiklabels. Auch sie können Schadenersatzansprüche geltend machen, die es oft in sich haben.
Bis zu 300 Euro – je Lied
„Gegen einen meiner Mandanten liegen 93 Abmahnungen vor. Er soll mehr als 100 000 Euro zahlen“, sagt Rechtsanwalt Solmecke. So hohe Beträge können schnell zusammenkommen, weil die Abmahnsumme für einen Song zwischen 15 und 300 Euro liegt. „Kids tauschen schnell mal 1 000 Lieder. Da gibt es eine richtige Sammelleidenschaft“, so Solmecke.
Nutzern auf die Schliche kommen

Soziale Netzwerke. Garfield oder Bambi als Profilbild sehen zwar niedlich aus, können aber eine Abmahnung nach sich ziehen. Auch solche Bilder sind meist urheberrechtlich geschützt.
Das Internet hat es ermöglicht: Urheberrechte können massenhaft verletzt, die Verstöße aber auch massenhaft verfolgt werden. Ermittlungsfirmen überwachen im Auftrag der Rechteinhaber die Netzwerke, über die Dateien ausgetauscht werden, auf Rechtsverstöße. Stellen sie fest, dass ein Nutzer unberechtigt eine Datei heruntergeladen hat, dokumentieren sie diese Rechtsverletzung anhand der IP-Adresse, des Datums, der Uhrzeit sowie des Netzwerks und der fraglichen Datei.
Mithilfe dieser Daten lässt sich der Name des Anschlussinhabers ermitteln – entweder im Rahmen eines Strafverfahrens oder durch eine richterliche Anordnung im Zivilverfahren.
Marion greift hart durch

Google. Die Bildersuche macht einen schnellen Zugriff auf Fotos jeder Art möglich. Nicht immer ist es erlaubt, diese auf der Homepage oder in Foren zu verwenden. Wer Zutaten aus Marions Kochbuch klaut, wird abgemahnt.
Wer bei Abmahnungen nur an Filesharing denkt, kann unangenehme Überraschungen erleben. Wie jene Internetnutzer, die Aufnahmen aus Marions Kochbuch verwendet haben. Marion betreibt eine Rezeptesammlung im Internet. Jedes Gericht ist mit einem Foto versehen.
Wer bei Googles Bildersuche Zitrone oder Tomate eingibt, stößt unweigerlich auf Marions appetitliche Aufnahmen von Obst und Gemüse. Für die eigene Homepage oder im Kochforum sollte man sie nicht verwenden. Marion greift hart durch: Sie verlangt mehrere hundert Euro für eine ihrer Aufnahmen. Noch schlimmer trifft es Nutzer, die ein Foto von Getty Images verwenden: 1 000 Euro fordert die Bildagentur für die unberechtigte Nutzung eines ihrer Fotos.
Vorsicht auch bei Stadtplänen

Stadtpläne. Der Standort der Yoga-Schule oder der Firmensitz – wer als Service auf seiner Homepage einen geschützten Stadtplanausschnitt nutzt, sollte einen Lizenzvertrag haben.
Ebenfalls nicht erlaubt ist es, urheberrechtlich geschützte Stadtplanausschnitte auf die eigene Homepage zu stellen – es sei denn, man hat einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Der räumt einem selbst Nutzungsrechte ein. Kostenpunkt: ein paar hundert Euro. Wer seinen Firmensitz oder auch nur die Wegbeschreibung zum Fußballspiel auf seiner Webseite mit einem fremden Stadtplan präsentiert, muss unter Umständen zahlen.
Abmahnung in der Post – was tun?

Link. Wer einen Link zu einer anderen Webseite auf seine Pinnwand postet, riskiert eine Abmahnung. Automatisch erscheint ein Vorschaubild ohne Zustimmung des Urhebers.
Das Schreiben von Abmahnanwälten besteht aus zwei Teilen: der Unterlassungserklärung und der Zahlungsaufforderung. Der Abgemahnte ist schlecht beraten, wenn er den Kopf in den Sand steckt und hofft, unbeschadet aus der Sache herauszukommen. Im Einzelfall mag es gut ausgehen, wenn man nicht reagiert. Der Berliner Rechtsanwalt Roman Zegbaum rät jedoch ab, es darauf ankommen zu lassen. „Die fehlende Reaktion kann die gerichtliche Eskalation mit sich bringen.“ Das bedeutet: Gibt der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung ab, macht der Rechteinhaber oft genug seinen Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend. Das verursacht weitere hohe Kosten.
Rechtsrat einholen ist sinnvoll
Um eine Unterlassungserklärung kommen Betroffene meist nicht herum. Das vorgefertigte Schreiben der Gegenseite sollten Abgemahnte aber keinesfalls ohne eine rechtliche Prüfung unterschreiben, so Zegbaum. Die erste Formulierung geht meist sehr weit und ist deshalb nachteilig für den Abgemahnten. Erstens erkennt der Unterzeichner die Anwaltskosten der Gegenseite uneingeschränkt an und muss dann für diese aufkommen. Zweitens ist die in der Erklärung festgelegte Vertragsstrafe oft zu hoch bemessen.
„Einfach zu zahlen, ist ebenfalls nicht ratsam, weil das Geld dann futsch ist“, sagt Rechtsanwalt Zegbaum. Nach seiner Erfahrung lässt sich oft ein niedrigerer Betrag aushandeln, als verlangt wurde – vor allem wenn der Abgemahnte über wenig Geld verfügt und das auch nachweisen kann.
Mit dem Anwalt vorher einigen

Ebay. Wer etwas im Internet verkauft und unerlaubt die Produktfotos des Herstellers verwendet, verletzt Urheberrechte. Richtig teuer wird das, wenn er Designermöbel zeigt. Bei solchen Verkäufen lieber selbst zur Kamera greifen.
Rechtsanwälte berechnen für die Verteidigung in Abmahnsachen in der Regel Pauschalen zwischen 250 und 600 Euro, sofern die Angelegenheit nicht vor Gericht geht. „Auf solche Pauschalen sollte man sich immer im Voraus einigen“, empfiehlt Rechtsanwalt Solmecke. „Sonst kann der Anwalt nach dem Gesetz abrechnen und schlimmstenfalls einige tausend Euro Gebühren verlangen, da die Streitwerte derzeit noch sehr hoch angesetzt werden.“
Auch die Gebühren, die die Abmahnanwälte verlangen, richten sich nach den Streitwerten. Die können pro Lied schon mal 10 000 Euro betragen. Eigentlich sollte dieser Kostenexplosion ein Riegel vorgeschoben werden: Der Gesetzgeber beschränkte im Jahr 2008 die Anwaltskosten für die erste Abmahnung in einfach gelagerten Fällen auf 100 Euro. In der Praxis spielt das aber kaum eine Rolle, weil die Gerichte die Fälle selten als einfach gelagert empfinden.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten in Abmahnfällen nicht. Das Kostenrisiko ist zu groß. Aber auch, wenn der Betroffene selbst für den Anwalt aufkommen muss: Oft zahlt es sich aus. Inga Sommer konnte mithilfe eines Anwalts die Kosten von 956 Euro mehr als halbieren: 100 Euro für den Rechteinhaber, 100 Euro für den gegnerischen Anwalt und 250 Euro für den eigenen. Tauschbörsen wird sie nicht mehr nutzen.
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Habe von einer Hardwareversand.de Firma die mir nicht bekannt ist und von der ich auch nie etwas online bestellt habe eine Mahnung über 245.-€ in meinem Postfach gefunden. Unterzeichnet hat ein John Denk von einem mir nicht bekannten Inkassobüro.Die angebliche Bestellung und Zahlschein war in einer Zippdatei angehängt die ich allerdings nicht geöffnet habe. Ich vermute, einen Virus auf dieser Datei.Vielleicht haben andere User auch so eine Mail bekommen.
@RADosch: Nein, die Sachlage war anders. Der Anschluss ist nach den neuesten Techniken gesichert und wir können ausschließen, dass es eine andere Person war. Das IP-Logging kein 100% einwandfreies Verfahren.
Wir haben bisher in beiden Fällen mit einer modifizierten Unterlassungserklärung "Erfolg" gehabt. Nicht jeder Mensch kann sich einen Rechtsanwalt leisten. Wie soll jemand mit 600 EUR Rente in einem solchen Fall diese Kosten tragen -- insbesondere wenn keinerlei Verschulden vorliegt da die IP-Logging-Buden nicht ganz genau arbeiten?
@heremon
Tatsächlich existiert der § 97a Abs. 2 UrhG (Urheberrechtsgesetz), dieser wird jedoch von vielen Gerichten nicht auf Filesharing-Fälle angewandt. Anders könnte es bei Abmahnungen wegen unerlaubter Bildnutzung sein, hier kommt es wieder auf den Einzelfall an.
@musique
Sie schreiben, Ihre Mutter hätte nie ein entsprechendes Werk heruntergeladen (bzw. angeboten - denn das wird ihr vorgeworfen). Ihre Mutter hat die Abmahnung wahrscheinlich deshalb erhalten, weil sie der Inhaber des Internetanschlusses ist. Es kann sein, dass ein Dritter, der ihren Anschluss (wissentlich oder unwissentlich) genutzt hat, der wahre Übeltäter ist - Ihre Mutter wäre dann ein so genannter "Störer". Sie sollte sich hier am besten anwaltlich beraten lassen. So kann beispielsweise nur vom Täter, nicht aber vom Störer Schadenersatz verlangt werden. Hier kann jeder Einzelfall Besonderheiten aufweisen, die unterschiedliche Reaktionen erfordern.
Sebastian Dosch
Rechtsanwalt aus Heidelberg
Schönes Thema, aber mach ich mich beim Streamen von kino.to jetzt strafbar oder nicht. Der Text steht da jetzt schon drei Tage und immer noch keine Antwort....
Abmahnungen wegen Postings bei FB sind nicht ungewöhnlich.
Z.B. wurde gerade ein User in meinem Forum abgemahnt, weil er von einer Person öffentlichen Interesses ein Bild gepostet hat.
Das Bild unterlag Rechten eines Bilderdienstes.
Er wurde aufgefordert 930€ zu zahlen...
Halt ich zwar für absolut übertrieben, da auch kein Erwerb etc. gemacht wurde, sondern nur weil ein User ein paar nette Zeilen zu der Person schrieb.
Hier sind die Gesetze anscheinend doch noch recht fragwürdig.
Illegale MP3 oder Videos - gar keine Frage - aber einfacher Smalltalk in Foren oder bei Facebook : Da müssen die Gesetze in neue Zeitalter...
Zum Artikel: Leider doch etwas kurz gefasst. Die Tipps vorher juristischen Beistand einzuholen war mir auch vorher klar.
Und stärkere Trennung zwischen MP3/Videos etc. zu Zitaten und Bilder auf Web 2.0 Seiten hätte ich mir gewünscht. Denn dort entstehen die fragwürdigen Unterschiede - gerade hinsichtlich schwarzen Abmahnanwälten, die nichts anderes zu tun haben.