
Handeln Unternehmen von heute sozial und ökologisch korrekt? Gehen sie fair mit ihren Mitarbeitern um? Investieren sie in Aus- und Weiterbildung? Erstmals untersucht die Stiftung Warentest Fragen der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung. Getestet wird produktbezogen. Beispiel: Funktionsjacken. Welche Unternehmen produzieren hier sozial und ökologisch korrekt? test.de gibt Antworten.
Kein Anbieter produziert selbst
Welche Funktionsjacken sind sozial und ökologisch korrekt produziert? Eine schwierige Frage. Für Tester und Anbieter. Die produzieren nämlich nicht mehr selbst. Textilien werden international komponiert: auch von Zulieferern und Zwischenhändlern. Regendichte Membranen etwa aus den USA, Reißverschlüsse und Oberstoff aus Korea, genäht wird in China, die Schnittmuster stammen aus Italien, Norwegen, Deutschland oder anderswo her. Moderne Produkte sind ein Spiegelbild der globalisierten Welt.
Schneller und billiger
Die Produktion von Kleidung ist ein besonders hartes Geschäft. Vor allem für die Arbeiterinnen in China, Indien und Kambodscha – einige der wichtigsten Produktionsländer für Jacken, Hosen, Kleider und Co. Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, massenhaft Überstunden: Das ist der Alltag in den großen Textilfabriken Südostasiens. Zum Jahresende fällt das weltweite System der Textilquoten. Ab 2005 kann jedes Land unbegrenzt viele Jacken und T-Shirts auf dem Weltmarkt verkaufen. Die Fabriken in China werden noch mehr produzieren. Noch billiger, noch schneller: So fordern das die Auftraggeber im Westen.
Soziale Verantwortung
„Eine Jacke soll weniger kosten als in der letzten Saison und in der halben Zeit produziert werden“, beschreiben Insider den Druck in der Branche. Gleichzeitig sollen die Fabriken ihre Sozialstandards heben: Bessere Arbeitsbedingungen, weniger Überstunden, faire Bezahlung. Das geht mit dem Konkurrenzdruck kaum zusammen. Erstmals untersuchte die Stiftung Warentest Fragen der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung, neudeutsch: Corporate Social Responsibility, kurz: CSR. Die Beurteilung von CSR-Kriterien soll aufzeigen, ob die beteiligten Unternehmen trotz Konkurrenzdruck soziale und ökologische Verantwortung tragen.
Dialog mit den Testern
Erfreulich: Die meisten Unternehmen beteiligten sich an diesem Test. Anders als beim Warentest, den die Stiftung Warentest anonym und unabhängig durchführt, müssen die Anbieter beim Test der Unternehmensverantwortung mitarbeiten. Zunächst sollten die Fragen der Stiftung Warentest beantwortet werden: Wird Kinderarbeit ausgeschlossen? Wie wird die Situation der Beschäftigten kontrolliert? Hält der Anbieter regelmäßig Kontakt zu seinen Lieferanten? Wo es ging, orientierten die Tester ihre Fragen an bestehenden Standards wie den Normen der UN-Arbeitsorganisation ILO (International Labour Organisation).
Fragebogen und Kontrollen
Alle Kriterien wurden mit Wissenschaftlern, Verbraucherverbänden und Wirtschaftsvertretern diskutiert. 37 Seiten umfasste der Fragebogen zur Unternehmensverantwortung. Immerhin 6 von 14 Firmen füllten ihn aus. Acht Unternehmen öffneten den Inspektoren der Stiftung Warentest die Türen ihres europäischen Firmensitzes, um Dokumente einzusehen und zu überprüfen. Nur zwei Firmen verweigerten sich ganz: Jack Wolfskin und Lowe Alpine.
Deutliche Initiative
Positiv dagegen: Karstadt, Berghaus, Fjällräven, Patagonia und Vaude. Sie ergreifen deutliche Initiative für soziale und umweltgerechte Produktion. Viele Anbieter haben soziale Mindeststandards für Zulieferer. Karstadt, Berghaus und Patagonia schicken zu deren Kontrolle sogar unabhängige Auditoren. Das motiviert zu Verbesserungen und mehr Aufrichtigkeit. Der Schlüssel sind langfristige Lieferbeziehungen. „Der Prozess ist wichtig“, berichtet ein Auditor, der seit Jahren Textilfabriken in Südostasien besucht, „nicht die Momentaufnahme eines einzelnen Kontrollbesuchs.“
Sozialer Standard schafft Qualität
Das Einhalten sozialer Standards fördert auch die Qualität der Ware. Wenn die Belegschaft wegen Hungerlöhnen ständig wechselt oder die Arbeiterinnen bis zum Umfallen an den Nähmaschinen sitzen, macht sich das beim Endprodukt bemerkbar. Und umgekehrt: Setzt der Anbieter auf Qualität und schult seine Zulieferer, wechselt er nicht wegen eines Cents niedrigerer Stückkosten zu einer anderen Fabrik. Vielleicht kein Zufall, dass die einzige Jacke im Test mit mangelhafter Verarbeitung (Lowe Alpine) von einer Firma angeboten wird, die jede Auskunft verweigert.
Schwachpunkt Umweltschutz
Ein schwaches Bild bieten die Anbieter aber in Sachen Umweltschutz. Die wenigsten bemühen sich, Umweltbelastungen zu minimieren, sei es bei der Faserherstellung, der Veredelung der Textilien oder dem Transport. Ökologische Mindestanforderungen beziehen sich, wenn es sie denn gibt, nur auf das Produkt. Sieben Anbieter verlangen von ihren Lieferanten immerhin, dass sie die Anforderungen des Öko-Tex-Standards 100 erfüllen. Andere versprechen nur, gesetzliche Auflagen einzuhalten, wie das Verbot bestimmter Azofarbstoffe. Auch mit ihren Kunden gehen die Unternehmen eher stiefmütterlich um. Eine fingierte Kundenanfrage zu Farbstoffen, die Allergien auslösen können, beantwortete nur jeder zweite Anbieter im Test.
Schwachpunkt Umweltschutz
Fazit: In der Textilbranche sind gute Ansätze zu einer sozialen und verantwortungsvollen Produktion zu erkennen. Vor allem in puncto Umweltschutz bleibt aber viel zu tun. Erfreulich aber, dass es Unternehmen gibt, die gute Qualität und verantwortungsvolle Produktion verbinden. Beispiel: Berghaus. Beste Funktionsjacke im Test und deutliche Initiative für soziale und ökologische Produktion. Dieses Beispiel kann Schule machen.
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