
Darum gibt’s immer wieder Streit: Wenn ein Unfallopfer einen Ersatzwagen braucht, kassieren Autovermieter oft horrend teure Spezialtarife. Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden: Solche Vermieter müssen es sich gefallen lassen, wenn die gegnerische Versicherung dem Unfallopfer nahelegt zu kündigen und einen günstigeren Wagen zu mieten. test.de erklärt die Hintergründe und gibt Tipps.
Abkassieren bei Unfallopfern
Unfallersatztarife bei Autovermietern kosten zuweilen mehr als Doppelte der sonst üblichen Miete. Besonders ärgerlich: Betroffene bleiben dann oft auf einem Teil der Kosten sitzen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlt nämlich längst nicht jeden Betrag. Grund ist die Schadensminderungspflicht. Wer Anspruch auf Ersatz hat, darf nicht bedenkenlos aus dem Vollen schöpfen, sondern muss den Schaden gering halten.
Sparangebot kein unlauterer Wettbewerb
Folgerichtig das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshof: Autovermieter mit teuren Ersatzwagentarifen müssen es sich gefallen lassen, wenn die Versicherung des Unfallursachers das Unfallopfer auf die Schadensminderungspflicht und günstige Ersatzwagenangebote hinweist. Das gilt selbst dann, wenn die Versicherung mit dem günstigen Autovermieter zusammenarbeitet und so die Gefahr von unlauterem Wettbewerb besteht.
Im Interesse des Unfallopfers
Geklagt hatte ein Autovermieter, nachdem die Versicherung ihm eine Kundin ausgespannt hatte. Die Frau hatte bei ihm einen Unfallersatzwagen für 84,39 Euro pro Tag angemietet. Bei der von der Versicherung empfohlenen Autovermietung kostete ein vergleichbarer Mietwagen nur 36 Euro am Tag. Der Autovermieter hielt das Angebot der Versicherung an das Unfallopfer für eine unzulässige Einmischung in eine bestehende Geschäftsbeziehung. Damit blitzte er bei den Bundesrichtern ab. „Ein Hinweis des Versicherers auf die Möglichkeit der Anmietung eines kostengünstigeren Ersatzfahrzeugs ist immer dann als zulässig anzusehen, wenn berechtigte gegenläufige Interessen des Geschädigten dadurch nicht berührt werden“, stellten sie klar.
Freibrief für Versicherer
Das Urteil ermöglicht Autoversicherern, unabhängige Autovermieter gehörig unter Druck zu setzen. Sie können jetzt nicht nur die Erstattung von Ersatzwagen-Mieten auf das ortsübliche beschränken, sondern dürfen Betroffenen gezielt die günstigsten verfügbaren Angebote nahelegen.
Misstrauen angebracht
Betroffene sollten solchen Versicherungsangeboten für einen Ersatzwagen allerdings nicht blind vertrauen. Pluspunkt ist stets: Wer sich drauf einlässt, kann sich auf problemlose Regulierung verlassen, sofern er mit dem Unfallersatzwagen nicht länger als angemessen unterwegs ist. Prüfen muss er jedoch, ob beim Versicherungsangebot der Service stimmt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.03.2012
Aktenzeichen: I ZR 85/10