Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, Folgen für Ausbildung oder Erwerbsleben möglichst gut auszugleichen. „Wir sollen dafür sorgen, dass das Kind so gestellt wird, als sei der Unfall nicht passiert“, sagt Kirsten Wasmuth von der Unfallkasse Berlin. Dafür stehen den verunglückten Kindern sowie deren Eltern während des gesamten Prozesses spezielle Ansprechpartner zur Seite. Bei schweren Unfällen beraten die Experten sogar im Hinblick auf die spätere Berufswahl. Diese Betreuung aus einer Hand ist für Betroffene oft eine große Erleichterung.
Zuständig sind die Unfallkassen der Bundesländer
Auch bei kleineren Unfallschäden begleiten die Kassen ihre Versicherten lebenslang. Das ist viel wert. So schätzen Experten die Kosten für einen ausgeschlagenen Zahn wie den von Philipp Baum im Lauf des Lebens auf 10 000 bis 20 000 Euro. Wenn jemand später beispielsweise ein Implantat braucht, sind die Zuschüsse von der gesetzlichen Krankenkasse gering. Für einen größeren Teil der Kosten kommt die Unfallversicherung auf, einschließlich notwendiger Nachbesserungen. Zuständig für die Regulierung sind bei Schul-, Hochschul- und Kindergartenunfällen die Unfallkassen der Bundesländer. Ihre Aufgaben sind die gleichen, die für Berufstätige die Berufsgenossenschaften übernehmen. Und sie haben allein mit Zahnschäden wie im Eingangsfall eine Menge zu tun: Bundesweit hatten Kinder, Jugendliche und Studenten im Jahr 2017 rund 50 500 Unfälle mit Zahnschäden, inklusive Kiefer und Zahnfleischschäden.
Auch Ausflüge mit der Schule sind versichert
Die gesetzliche Unfallversicherung schützt nicht nur während des Aufenthalts in Kita, Schule oder Uni, sondern auch auf dem Hin- und Rückweg sowie während besonderer Veranstaltungen, etwa Ausflügen oder Aufenthalten in Schullandheimen. Andreas Machacek, Fachanwalt für Sozialrecht, sagt: „Die Unfallversicherung versucht, jedem Einzelfall so gerecht wie möglich zu werden.“ Dennoch machen bestimmte Details immer wieder Probleme. „Alle Rechtsfragen, die bei Arbeitsunfällen auftauchen, gibt es auch im Zusammenhang mit Schülern, Studenten oder Kitakindern“, so Machacek. Welche Probleme im Zusammenhang Arbeitsunfällen auftreten können, lesen Sie in unserem Special Arbeitsunfall: In diesen Fällen zahlt die Berufsgenossenschaft.
Streit um Wege und Umwege
Bei Wegeunfällen etwa müssen Gerichte immer wieder klären, ob und wann es noch als Schulweg gilt, wenn das Kind einen Umweg macht. Die Antwort fällt, je nach Alter des Betroffenen, unterschiedlich aus. So gab das Bundessozialgericht 2007 einem damals achtjährigen Jungen recht, der versehentlich zwei Haltestellen zu spät aus dem Schulbus ausgestiegen war und dann beim Überqueren der Straße von einem Auto angefahren wurde (Az. B 2 U 29/06 R). Er sei noch auf dem Schulweg gewesen. „Bei einer 15-Jährigen, die nach der Schule einkaufen geht, würden die Gerichte wohl anders entscheiden“, meint Anwalt Machacek.
Spätfolgen oder neue Beschwerden?
Gestritten wird oft auch darum, was noch zu den Spätfolgen eines Unfalls gehört und damit auf Kosten der Unfallkasse behandelt wird. „Wenn jemand sich als Kind beim Schulsport das Kreuzband gerissen hat und später im Leistungssport Knieprobleme bekommt, ist kaum zu sagen, ob das noch Folge der damaligen Verletzung ist“, sagt Machacek.
Jeden Unfall dokumentieren
In Kitas, Schulen und Hochschulen wissen die Mitarbeiter, dass jeder noch so kleine Unfall zu melden ist – schließlich können später Komplikationen auftreten. Auch vermeintliche Bagatellen werden im sogenannten Verbandbuch eingetragen, das jede Einrichtung führen muss. Wenn dagegen auf dem Nachhauseweg etwas passiert, sollten Eltern den Arzt unbedingt darauf hinweisen, dass es sich um einen Fall für die gesetzliche Unfallversicherung handelt. Die Leistungen, zum Beispiel für Medikamente oder Physiotherapie, sind dann nicht durch die sonst geltenden Budgets begrenzt und Ärzte können nach einer speziellen Gebührenordnung abrechnen, über die sie besser vergütet werden.
Erst einmal zum Durchgangsarzt
Zuständig für die Behandlung von Unfallopfern sind spezielle Durchgangsärzte, meist Chirurgen. Patienten kommen so gleich zu Experten, die Erfahrung mit Unfallverletzungen haben. Bei kleineren Blessuren kann aber auch der Haus- oder Kinderarzt über die Unfallkasse abrechnen. Wichtiger als die Wahl des formal zuständigen Mediziners ist jedoch die Meldung bei der Unfallkasse. Sie sichert dem Kind eine Rente, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen etwaiger Spätfolgen dauerhaft gemindert ist. Das ist zwar nur selten der Fall: Auf rund 1,3 Millionen Unfälle kamen im Jahr 2017 beispielsweise nur rund 660 neue Unfallrenten. Der Fall der kleinen Antonia Weber* belegt jedoch: Die Meldung ist mehr als nur eine Formsache.
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@joumann: Die Unfallversicherung bezahlt die Kosten der ärztlichen Behandlung, für eine Reha und die psychologischer Betreuung und im Ernstfall auch für Unterricht am Krankenbett. Entstehen bleibende Schäden in der Beweglichkeit, gewährt die Unfallkasse auch Zuschüsse zu Wohnungsumbauten oder sogar eine lebenslange Rente, wenn der Gesundheitsschaden sich nicht auskurieren lässt.
Heilen die Folgen des Unfalls aus, ohne dass Krankheits- oder Heilungskosten zu übernehmen sind (die nicht von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung getragen werden) und führt der Unfall auch nicht zu bleibenden Schäden, die die zukünftige Ausübung eines Berufes einschränken können, zahlt die Unfallkasse nicht. Der Unfall allein löst noch keine Leistungspflicht aus. (maa)
Unser Erstklässler ist bei einer Schulweihnachtsfeier in der Aula gefallen und hat sich auf den Holzstufen das Kinn aufgeschlagen. Die klaffende Wunde wurde geklebt und aktuell scheint es, dass eine 3-4 cm lange Narbe zurückbleibt.
Kann man hier eigentlich Ansprüche Irgendeiner Art geltend machen?
Verliert ein Schüler z. B. einen Großteil der Sehkraft auf einem Auge, fallen ganze Berufsbilder einfach weg, die man später möglicherweise hätte ergreifen können. Das kann gewaltige Auswirkungen auf den Verdienst im Erwachsenenalter haben. Bedenkt man nun, dass eine umfangreiche Unfallversicherung für ein Kind bei vielen Versicherern kaum 5 Euro im Monat kostet und Kapitalzahlungen im mittleren sechsstelligen Bereich fällig werden können, fragt man sich schon, weshalb viele Eltern diese winzige Investition in die Absicherung ihrer Kinder scheuen. Eine Unfallversicherung sollte spätestens ab dem Kindergarten vorhanden sein. Man weiß ja nie, was kommt. Auch vollwertige Berufsunfähigkeitsversicherungen bieten einzelne Versicherer bereits für Schüler ab 10 Jahren ab. Auch das kann eine sinnvolle Ergänzung beim Schutz eines Kindes sein.
Bleibt die Prüfung der Aufsichtspflichtverletzung, um so auf die Eltern als die „Quasi-Schuldigen“ zugehen zu können. Auch das wird nichts, denn die Aufsichtspflicht liegt bei einem Schulunfall (meist) bei einer Lehrkraft. Doch auch die kann nicht ständig neben jedem Schüler einer Klasse oder gar auf einem Pausenhof stehen und alles überwachen, was passiert. Das widerspricht dem Leben. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht wird also meistens nicht nachweisbar sein. Daher wird die Diensthaftpflicht der Lehrkraft eine Leistung verweigern. Das ist alles kein böser Wille der Versicherer – es fehlt schlicht an einer rechtlichen Haftungsgrundlage auf der man einen Schadensersatzanspruch aufbauen könnte.
Wie bescheiden die Geldleistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung für Schüler sind, haben Sie in Ihrem Artikel ja bereits selbst beschrieben. Da Unfallfolgen sehr drastische Auswirkungen haben können, können diese keinesfalls als ausreichend angesehen werden.
Ihre Ausführungen zu den Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung für Schüler sind soweit natürlich korrekt. Allerdings möchte ich auf Ihren Hinweis eingehen, dass eine gute Privathaftpflicht unerlässlich sei. Das ist für den Alltag natürlich auch korrekt – für Schulunfälle in den meisten Fällen aber wohl bedeutungslos. Die §§ 104-106 SGB VII beschränken die Haftung. Nach diesen Vorschriften ist der Schüler einer allgemeinbildenden Schule, der während des Schulbesuchs einen Schulunfall verursacht, indem er einen Mitschüler verletzt, zum Ersatz des Personenschadens nach dem Recht der unerlaubten Handlung nur verpflichtet, wenn er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Das wurde so auch vom BGH bestätigt (z. B. VI ZR 163/03). Da Vorsatztaten – so man denn eine solche Unterstellen kann, was nur in den allerseltensten Fällen so sein wird – nachvollziehbarerweise vom Versicherungsschutz der Privathaftpflicht ausgeschlossen sind, findet auch dann keine Entschädigung statt.