Die Rechtslage schützt in erster Linie die Patienten und ihre Selbstbestimmung. Das stellt die Nächsten von psychisch Erkrankten nicht selten vor Hürden, die sie daran hindern, für die erkrankte Person da zu sein. „Angehörige von volljährigen psychisch Erkrankten haben wenig Rechte“, sagt Rechtsanwalt Rolf Marschner, der seit Jahrzehnten Patienten, ihre Angehörigen sowie Mitarbeiter von psychiatrischen Kliniken berät und vertritt.
Ärztliche Schweigepflicht gilt
„Wenn zum Beispiel die eigene Ehefrau oder der Sohn in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen wurde, kann die Klinik Angehörige nicht einmal darüber informieren. Es gilt die ärztliche Schweigepflicht“, sagt Karl-Heinz Möhrmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK).
Schriftliche Vereinbarung in gesunder Phase treffen
„Der Schlüssel dazu, wie viele Rechte Angehörige haben, liegt meist bei den Betroffenen,“ sagt Rechtsanwalt Marschner. Diese könnten Vollmachten erteilen oder die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Angehörigenberater Möhrmann empfiehlt helfenden Freunden und Familienmitgliedern, mit den Betroffenen in einer gesunden Phase darüber zu sprechen und eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht schriftlich zu vereinbaren.
Tipp: Wie Sie rechtssichere Vollmachten erteilen, erklären wir in unserem Ratgeber Das Vorsorge-Set.
Gespräch mit dem Arzt suchen
Was Eltern oder andere Angehörige dürfen: mit dem Arzt oder der Ärztin ihres erkrankten Angehörigen sprechen und von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Patienten berichten. Darauf können Ärzte eingehen, ohne ihre Schweigepflicht zu verletzen. Für Angehörige kann der Dialog hilfreich sein. Behandler können Angehörige und Betroffene für Familiengespräche auch an einen Tisch holen.
Stationäre Hilfe
Angehörige können psychisch erkrankte Geschwister, Eltern oder Ehepartner lediglich animieren, sich Hilfe zu suchen. Auch in eine stationäre Behandlung beispielsweise müssen Betroffene sich selbst begeben. Zwangseingewiesen kann jemand nur in drastischen Fällen werden – wenn er sich oder andere in Gefahr bringt. Das ist etwa der Fall, wenn er droht, sich das Leben zu nehmen, oder gewalttätig wird.
Gesetzlichen Betreuer einschalten
Ein gesetzlicher Betreuer, der durch ein Gericht bestellt wird, kann die Unterbringung in einer Psychiatrie einleiten, wenn dem Menschen ohne Behandlung ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht (Interview Jeder kann eine Betreuung anregen). „Auch wenn jemand vergisst, einen Rentenantrag oder einen Folgeantrag für Hartz IV zu stellen und kein Geld hat und die Wohnung zu verlieren droht, können Betreuer diese Dinge für die Personen regeln“, sagt Rechtsanwalt Marschner.
Die Betreuung selbst übernehmen
Angehörige können sich auch selbst als Betreuer bei Gericht vorschlagen. Dem sollte aber nicht nur ein Richter, sondern auch der Erkrankte zustimmen. Angehörigenberater Karl-Heinz Möhrmann hat eine Zeit lang seine Frau gesetzlich betreut und sich um ihre Finanzen gekümmert. Vor 52 Jahren erkrankte Möhrmanns Frau an einer bipolaren Störung, seither schwankt sie zwischen Phasen tiefer Depression und dem Gegenstück, einer Manie.
„Die Entscheidung, die Betreuung selbst zu übernehmen, kann die Verhältnisse in der Familie oder Partnerschaft belasten, immerhin verfügt man damit über das Geld des anderen oder über dessen Wohnen und Leben“, mahnt er.
Mit Vorsorgevollmacht das Wichtigste regeln
Für Möhrmann und seine Frau ist eine erneute gesetzliche Betreuung mittlerweile unnötig. Sie haben in einer gesunden Phase der Frau gemeinsam eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt. „Wenn meine Frau erneut handlungsunfähig sein sollte, sei es wegen der psychischen oder einer körperlichen Erkrankung, kann ich für sie entscheiden“, sagt er.
Auch Marschner rät zum Dokument: „Im Prinzip kann man in einer Vorsorgevollmacht alles regeln, was auch einem Betreuer übertragen werden kann, finanzielle und behördliche Angelegenheiten sowie die ärztliche Behandlung.“
Patientenverfügung als Ergänzung
Manche Angehörige setzen mit Erkrankten nach ihrer Genesung weitere Dokumente auf, um zu klären, was im Falle eines erneuten Krankheitsschubs zu tun ist. Dafür kann eine Patientenverfügung hilfreich sein, in der sich zum Beispiel Zwangsmaßnahmen ausschließen lassen.
Behandlungsvereinbarung mit der Klinik
Betroffene können auch eine Behandlungsvereinbarung mit einem Klinikum anfertigen, in der beispielsweise steht, welche Medikamente und andere Hilfen in akuten Phasen gutgetan haben. Hier kann zusätzlich festgelegt werden, welche Angehörigen im Falle einer Einweisung benachrichtigt werden sollen. Mehr dazu im Special Patientenrechte der Stiftung Warentest.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Kommentar vom Autor gelöscht.
@Gabriele.Helmert: Die Aussage "Suizide lassen sich verhindern" ist im Kontext zu lesen. Er steht unter den Tipps "Was Sie tun können". Damit wollen wir Menschen ermutigen, Betroffene zu unterstützen und nicht allein zu lassen. Der Satz besagt, dass durch Beistand Suizide vermieden werden können. Er erhebt nicht den Anspruch, dass das in jedem Fall gelingt und soll erst recht nicht suggerieren, dass anderenfalls Bezugspersonen oder Angehörige versagt haben. (nm/cr)
"Suizide lassen sich verhindern." suggeriert jeden suizidalen Menschen von der Selbsttötung abhalten zu können und damit auch jeder Bezugsperson versagt zu haben, die einen Menschen durch Suizid verloren hat. Ersteres fördert Wunschdenken (nicht jeder Suizid lässt sich verhindern!), letzteres bestärkt betroffene Menschen in ihren leidvollen Schuld-Gedanken und -Gefühlen.
Um umgehende Korrektur des genannten Satzes bittet mit freundlichen Grüßen:
Gabriele Helmert, approb. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
… auch ich hatte einen Mitarbeiter mit „endogenen Schizophrenie“, er redete mit den Wänden usw…. Ich hatte als Vorgesetzter sogar einen Zugang zu ihm… nun bekomm den Mann dennoch zu einem Arzt… nach mehreren Anläufen schwand auch mein Zugang, der Mann wurde mit 40 arbeitsunfähig… ich hätte eine amtliche Unterstützung gebraucht und dem Mann helfen können, er wäre vermutlich heute nich arbeitsfähig. Totales Versagen unserer Menschenrechtspolitik, hätte der Patient täglich seine Medikation genommen, wäre er wieder integriert und arbeitsfähig, aber der helfende Vorgesetzte oder Kollege darf ja auch nicht einfach behaupten „der Mann ist krank“ ggf. wird dann der Kollege /Vorgesetzter wegen Mobbing sich zu verantworten zu haben… M.E. Haben hier die Justiz und Juristen versagt. Ich hatte sogar mit der Beratungsstelle von Angehörigen telefoniert… ein zweiter ähnlicher Fall ist mir auch bekannt, bis zum Personalrat alle wollen helfen, keiner darf sagen: „Der Mann ist psych. Krak…“