
Einen Monat soll es nur dauern: Der „Turbokurs Fit in Chinesisch“ von Lextra, der Sprachlern-Marke des Cornelsen-Verlags, verspricht Sprachschülern, dass sie mit täglichen Lektionen von circa zweimal zehn Minuten „Fit in Chinesisch“ werden. Die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest haben sich das Lernpaket angesehen – und im Schnelltest festgestellt: Auch nach 30 Tagen haben die Testnutzer nicht einmal einfachste Grundkenntnisse.
Etwa zehntausend deutschsprachige Chinesisch-Lerner
Chinesisch ist die Sprache mit den meisten Muttersprachlern und nach Englisch inzwischen eine der wichtigsten Wirtschaftssprachen weltweit. Lange galt sie als unerlernbar. Doch seit den 1980er Jahren versuchen sich immer mehr Deutsche daran. Schätzungen des Fachverbandes Chinesisch (FaCh) zufolge pauken derzeit etwa 10 000 Menschen aus dem deutschsprachigen Raum Vokabeln und Schriftzeichen aus Fernost – Tendenz steigend, vor allem bei Geschäftsleuten und Reisenden, die Asien als Urlaubsziel entdecken. Um die Sprache sicher zu beherrschen, sind viele Jahre intensiven Übens nötig. Da klingt es nur zu verlockend, wenn einem ein schneller Einstieg versprochen wird.
Lernhappen für eilige Anfänger

Der Turbokurs „Fit in Chinesisch“ (rund 17 Euro) richtet sich jedenfalls an besonders eilige Sprachschüler. Laut Verlag bietet er 30 Lernhappen, die so portioniert sind, dass sie sich ohne Aufwand in den Tagesablauf erwachsener Selbstlerner integrieren lassen. Angesprochen sind Menschen, die bei Null anfangen oder bereits Gelerntes wiederholen wollen. Ziel des Kurses ist es, auf das Anfängerniveau A1 gemäß Gemeinsamem Europäischem Referenzrahmen (GER) zu kommen. Jede Lektion behandelt ein abgeschlossenes Thema zu Kommunikation, Wortschatz oder Grammatik. Inhaltlich stehen die wichtigsten Situationen und Redewendungen auf dem Lernplan, also zum Beispiel Begrüßung, Telefonieren, Frage nach der Uhrzeit, Konversation über den Beruf. Der Kurs bietet außerdem mehrere Tests zur Leistungskontrolle, einen Grammatikteil, eine deutsch-chinesische Vokabelliste und acht Extra-Seiten „Fit für die Reise“.
Das Ding mit dem Ting
Gelernt werden kann mit einem Lehrbuch, einer Audio-CD – und dem Ting-Hörstift. Dieser kann für rund 40 Euro separat erworben werden: Er ist im Lieferumfang des Turbokurses nicht enthalten, dafür aber bei einer Reihe anderer Sprachkurse, Spiele oder (Kinder-)Bücher verwendbar. Ting ist – passenderweise – das chinesische Wort für Hören. Der Stift ist Lesegerät und MP3-Player in einem. Der Sensor an der Spitze wird auf einen Code am Rand der Seite gehalten, dann startet eine Audiodatei und macht den Lerninhalt hörbar. Die Übungen sollen dadurch lebendiger und leichter werden. Für diesen Zweck erweist sich der Ting-Stift als sinnvolles Werkzeug. Auch technisch funktionierte er im Schnelltest einwandfrei. Seine Bedienung ist einfach und erschließt sich im Grunde intuitiv.
Die Lernzeit wird nicht optimal genutzt
Für den Turbokurs selbst lassen sich kaum ähnlich positive Aussagen treffen. Die Sprache wird überwiegend durch Lesen, Hören und Nachsprechen vermittelt. Vereinzelt gibt es Aufgaben zum Nummerieren, Ankreuzen und Ausfüllen. Damit bietet der Kurs didaktisch wenig Abwechslung. Zudem ist die Zahl der Übungen ziemlich knapp bemessen. Der Lernstoff wird oft nur einmalig aufgegriffen. Auf diese Weise lässt er sich schlecht behalten. Die ohnehin knappe Lernzeit ist darüber hinaus nicht immer optimal ausgefüllt. So veranschlagt der Turbokurs in Lektion 18 B volle zehn Minuten – immerhin eine halbe Tageslektion – für das Nachsprechen eines lediglich dreißigsekündigen Dialogs, der aus acht Sätzen zum Thema „Einkaufen“ besteht.
Viel zu viel: Etwa ein neues Wort pro Minute
In anderen Punkten dürften die Lerner überfordert sein. So wird ihnen ein ungewöhnlich großer Wortschatz angeboten. Insgesamt rund 500 Begriffe sollen die Turbochinesen binnen Monatsfrist beherrschen. Rein rechnerisch müssen die Sprachschüler also während ihres Schnellstarts ins Chinesische fast ein Wort pro Minute lernen, noch dazu eines mit für Europäer unbekannten Lauten und ungewohnter Aussprache. Für das A1-Niveau sind normalerweise 150 Wörter vorgesehen. Lernstrategien, die helfen würden, dieses Pensum zu bewältigen, werden aber nicht vermittelt. Zudem kommen wichtige, alltagsnahe Vokabeln wie Mensch, Fahrkarte, Wetter, Zimmer oder Zeit nicht vor, dafür aber Begriffe wie Skifahren, Krawatte oder Marathon.
Chinesisch nur zum Nachplappern
Noch ein Manko: Das Lernen findet bei „Fit in Chinesisch“ hauptsächlich durch Imitieren statt. Das Gelernte wird nicht in andere Zusammenhänge übertragen, grammatikalische Strukturen werden nicht erläutert. Das ist aber wichtig, um Verständnis für die Funktionsweise der Sprache zu entwickeln. Wünschenswert wäre etwa, Redewendungen nicht nur sinngemäß, sondern Wort für Wort zu übersetzen. Ein Beispiel: „Yi lu shunli“ wird bei „Fit in Chinesisch“ mit „Gute Reise“ übersetzt. Das erweckt den Eindruck, „yi lu“ entspreche dem Wort „gut“ und „shunli“ hieße „Reise“. Tatsächlich bedeutet die Übersetzung wörtlich aber „ein Weg reibungslos“ und ist zu verstehen als Wunsch, das Gegenüber möge „alle Wege ohne Probleme“ gehen können.
Der Lernerfolg ist gleich Null
Eine Basis, auf der die Lerner aufbauen könnten, wird bei „Fit in Chinesisch“ nicht gebildet. Das zeigt der Schnellest eindeutig: Drei Nutzer haben für die Stiftung Warentest die Probe aufs Exempel gemacht und einen Monat lang Chinesisch mit der Turbomethode studiert. Anhand der Hanyu Shuiping Kaoshi-Prüfung (HSK) wurde am Ende kontrolliert, ob die Testlerner bei Hör- und Leseverständnis und in der mündlichen Ausdrucksfähigkeit das angestrebte Anfänger-Sprachniveau tatsächlich erreicht haben. Das ernüchternde Ergebnis: In allen Kategorien – dem Sprechen, Hören und Lesen – schnitten die Lerner unterdurchschnittlich ab. Keiner konnte A1-Kenntnisse nachweisen. Die Tester waren nicht einmal in der Lage, ihnen aus dem Schnellkurs bekannte Begriffe zu verstehen oder nachzusprechen. Und für die Resultate beim Hör- und Leseverständnis gilt Ähnliches. „Im Grunde hätten sie die Ergebnisse bei den Multiple-Choice-Aufgaben dort auch per Zufallsprinzip ohne jegliche Sprachkenntnisse erreichen können“, fasst der Fachgutachter zusammen. Es sind also so gut wie keine Lernerfolge zu verzeichnen. Auf die Schnelle „Fit in Chinesisch“ werden zu können – das ist dann wohl doch zu viel versprochen.