
© fotolia / Wavebreak Media
Die Qualität stimmt: Unser Nass aus dem Hahn ist sicher. Das zeigen Proben aus 20 Städten und Gemeinden. Spuren kritischer Stoffe fanden wir aber oft.
Deutschland steckt im Gülle-Dilemma“, „Wie die Gülle das Grundwasser versaut“, „Gülle-Problem könnte für teureres Trinkwasser sorgen“ – diese aktuellen Schlagzeilen verunsichern. Das Problem: Über Gülle gelangt Nitrat erst ins Grund-, später ins Trinkwasser. Und vielerorts landen weitere Problemstoffe in unserem Leitungswasser, etwa Rückstände von Pestiziden oder Medikamenten.
Wie steht es um unser Trinkwasser? Gibt es Orte, in denen es wegen der Umwelteinflüsse nicht mehr sicher ist? Wir haben in 20 Orten Wasser gezapft (Karte: Hier haben wir Trinkwasser getestet) und auf 126 Stoffe geprüft. In den Fokus genommen haben wir neben den fünf größten Städten auch Wasser aus landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen oder aus Orten, an denen Wasser mit natürlichen Stoffen aus Gesteinen belastet sein kann. Das Ergebnis beruhigt – und überrascht mitunter. Kein Wasser ist gesundheitlich bedenklich. In manchem fand sich sogar weniger an kritischen Stoffen, als zu erwarten wäre. Allerdings enthielten fast alle Proben Spuren unerwünschter Stoffe.
Unser Rat
Trinkwasser gilt als das bestüberwachte Lebensmittel – zu Recht, zeigt unser Test. Alle 20 Proben halten die Vorgaben der Trinkwasserverordnung ein. Unsere Stichprobe gibt nur einen kleinen Ausschnitt des deutschen Trinkwassers wieder. Wer wissen will, wie gut sein Wasser ist, kann den Wasserversorger fragen. Der muss bestimmte Analysedaten, etwa zu Nitrat, veröffentlichen.
Nitrat-Grenzwert überall eingehalten
Leitungswasser stammt hierzulande meist aus Grundwasser. Das ist laut Umweltbundesamt (Uba) häufig zu stark mit Nitrat belastet. 18 Prozent des deutschen Grundwassers überschreiten die europäischen Vorgaben für Nitrat. An Messstellen mit viel landwirtschaftlicher Nutzung sind es sogar 28 Prozent. „Das Wasser aus der Leitung ist trotzdem sicher. Dafür sorgen Deutschlands Wasserversorger“, schreibt das Uba auf seiner Webseite. Unser Test bestätigt: Gerade Trinkwasser aus Regionen mit hoher Viehbesatzdichte – Borken in Nordrhein-Westfalen sowie Nordhorn und Vechta in Niedersachsen – hat vergleichsweise geringe Nitratgehalte. Wie geht das?
Mit Bauern zusammenarbeiten

Nitrat. Massentierhaltung produziert viel Gülle, die Böden und Grundwasser belastet. © iStockphoto
Wir haben bei den Wasserversorgern nachgefragt und erfuhren, dass sowohl bei den Wasserwerken Vechta und Borken als auch bei den Nordhorner Versorgungsbetrieben Kooperationen mit den Landwirten bestehen: Die Bauern werden zum Beispiel beraten, bedarfsgerecht zu düngen, oder sie werden für niedrige Nitratwerte im Boden finanziell belohnt. In Borken stammt das Wasser außerdem aus Tiefen, die noch kaum nitratbelastet sind.
Bis jetzt muss kein Wasserwerk in Deutschland Nitrat in einem zusätzlichen Aufbereitungsschritt entfernen. So eine technische Reparatur des Wassers wäre auch teuer. Laut Uba sind in belasteten Gebieten Preissteigerungen bis zu 45 Prozentmöglich, wenn die Nitrateinträge dort nicht bald sinken. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft warnt sogar vor bis zu 62 Prozent Mehrkosten. Verstößt Deutschland beim Nitrat im Grundwasser weiter gegen die Vorgaben der EU, sind zudem hohe Strafzahlungen fällig.
Kein Glyphosat, aber andere Pestizide
Auch Pflanzenschutzmittel belasten das Wasser. Auf 45 Pestizide samt ihrer Abbauprodukte haben wir geprüft. Meist fanden wir nicht mehr aktive Abbauprodukte der Mittel, sogenannte nichtrelevante Metabolite. Sie sind nicht mehr wirksam, gelten als ungiftig für Mensch und Umwelt. In wenigen Fällen wiesen wir auch die Pestizide selbst nach, weit unter den Grenzwerten. Das wohl bekannteste Pestizid, Glyphosat, konnten wir in keinem Wasser finden.
Der Wasserzweckverband Rottenburger Gruppe berichtete 2013 über eine Grenzwertüberschreitung im Trinkwasser beim Wirkstoff Desethylatrazin – ein Abbauprodukt des Unkrautvernichters Atrazin. Das Mittel ist zwar längst verboten, doch solche Altlasten bleiben oft lange im Boden. Im Rottenburger Wasser fanden wir Spuren beider Stoffe – und sieben anderer Pestizidabbauprodukte.
Was tut der Wasserversorger im weltweit größten Hopfenanbaugebiet – der Hallertau – gegen Nitrat und Pestizide aus der Landwirtschaft? Auch er arbeitet mit Bauern zusammen, hat Brunnen schon vorbeugend verlegt. Und er betreibt Wassermischung – mischt also belastetes mit weniger belastetem Wasser.
Auch die Stadt spiegelt sich wider

Rathaus. In 20 öffentlichen Gebäuden – wie hier in Berlin Schöneberg – haben wir das Wasser abgezapft. © picture alliance / Arco Images
Wo viele Menschen auf engem Raum leben, sind andere Stoffe im Wasser auffällig. Spuren der Süßstoffe Acesulfam-K, Cyclamat, Saccharin oder Sucralose fanden wir fast nur in größeren und Großstädten. Diese harmlosen Rückstände kommen etwa aus Getränken, die Süßstoffe enthalten.
Spuren von Medikamenten wiesen wir nur in drei Wässern nach – alle aus Städten. Das Berliner Wasser enthielt mit Rückständen von drei Wirkstoffen die größte Anzahl an Arzneispuren – aus Schmerz- und Epilepsiemitteln. Fünf städtische Wässer wiesen minimale Mengen von Röntgenkontrastmitteln auf. Sie sind chemisch sehr stabil, Reinigungsschritte in Klärwerken können ihnen nichts anhaben.
Für Spurenstoffe aus Medikamenten gibt es keine Grenzwerte, nur gesundheitliche Orientierungswerte (GOW). Diese sind so niedrig angesetzt, dass auch bei lebenslanger Aufnahme ein gesundheitliches Risiko auszuschließen ist. Kein GOW wurde im Test überschritten. In unserer älter werdenden Gesellschaft könnten aber künftig mehr Arzneimittel im Wasser landen. Um das zu verhindern, sind alle gefragt – auch Verbraucher zu Hause (So schützen Sie unser Trinkwasser).
Metalle aus dem Boden
Im Trinkwasser finden sich auch kritische Stoffe, die nicht vom Menschen verursacht werden. Uran, Arsen und Chrom kommen natürlicherweise in Gesteinen vor. Für alle gibt es Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung. Für Chrom liegt er bei 50 Mikrogramm pro Liter. Er unterscheidet aber nicht zwischen verschiedenen Verbindungen. Anders als Chrom (III), das sich kaum in Wasser löst, ist das gut wasserlösliche Chrom (VI) krebserregend. Es war in 18 der 20 Wässer nachweisbar. Das Uba veröffentlichte 2014 ein Positionspapier, in dem es einen Leitwert von 0,3 Mikrogramm Chrom (VI) pro Liter empfiehlt. Dieser Wert bedeutet theoretisch: Würde jeder der etwa 80 Millionen in Deutschland lebenden Menschen ein Leben lang täglich zwei Liter trinken, würde das etwa einen zusätzlichen Krebsfall pro Jahr bedeuten. Drei Wässer im Test liegen knapp über dem Leitwert, das daraus resultierende Risiko gilt aber als sehr gering. Zurzeit wird die EU-Trinkwasserrichtlinie auch mit Blick auf Chrom überarbeitet.
Wasser aus mehreren Werken
Wasser in einem Ort ist nicht immer gleich. So fanden wir im Trinkwasser-Test 2016 etwa auch im Hamburger Wasser Spurenstoffe, diesmal ist die Probe aus einem anderen Hamburger Stadtteil dagegen völlig unauffällig – als einzige in der aktuellen Untersuchung. Die Hansestadt wird von insgesamt 16 Wasserwerken versorgt.
Unsere Stichprobe zeigt: Hahn aufdrehen und trinken – das ist nicht nur preiswert und ökologisch, sondern auch sicher. Egal aus welchem Werk das Wasser kommt, ob auf dem Land oder in der Stadt, ob es aus Grundwasser oder aus Flüssen und Seen gewonnen wird – es hält die Vorgaben der Trinkwasserverordnung ein.
-
- Wasserwerke liefern das Nass bis vors Haus – meist in Top-Qualität. Im Haus aber können Schadstoffe und Keime hineingeraten. Wie das Wasser sauber bleibt.
-
- Sie verheißen weiches Wasser, weniger Kalk, mehr Teegenuss. Doch das schaffen Wasserfilter nur für wenige Liter. Ein Modell trug sogar Schimmelpilze ins Wasser ein.
-
- Wasser ist der beste Durstlöscher. Der Mineralwasser-Test der Stiftung Warentest bietet Testergebnisse für die Sorten Classic, Medium und Still.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
'die Wasserqualität garantiert der Wasserversorger'
'der Experte von XY hat gesagt' ...
Echt jetzt??
Warum testen Sie dann (irgend etwas)?
Wozu gibt es Sie dann?
Können Sie aufhören, sich selbst weichzuspülen? Wir brauchen Sie! (Nullnummern wie z. B. die DGE haben wir wahrlich genug.)
S. a. DrJBs Anmerkungen, die gut einen Kommentar/Antwort gebrauchen könnten. (Ich benötige keine.)
(Und natürlich gehören die Testergebnisse (hier: die Laborwerte) veröffentlicht - wie bei jedem anderen Test auch.)
@siriustag21: Vielen Dank für Ihren Hinweis. Bei unseren Trinkwasseruntersuchungen haben wir uns insbesondere auf die Analyse kritischer Stoffe konzentriert. Mikrobiologische Prüfungen wurden nicht durchgeführt, weil das aus logistischen Gründen in einem öffentlichen Gebäude wie einem Rathaus nicht möglich ist. Die Keimgehalte eines Leitungswassers hängen nicht nur von der Wasserqualität ab, die der Wasserversorger garantiert. Maßgeblich ist vor allem das, was im Haus und am Wasserhahn passiert. Wollte man Proben in Rathäusern nehmen, müsste man die Wasserhähne abflammen, also erst einmal keimfrei machen. Das ist uns nicht möglich – sowohl die dafür erforderliche Ausrüstung als auch die Durchführung würden auffallen. Eine anonyme Beprobung wäre damit ausgeschlossen. Zudem brächte eine Untersuchung pro Rathaus kein repräsentatives Ergebnis. Und: Selbst wenn dabei Viren oder spezielle Keime gefunden werden würden, könnte man den Verursacher nicht zuordnen. Wir raten Ihnen deshalb, sich ans Wasserwerk zu wenden und nachzufragen. Dort werden mehr Untersuchungen gemacht, als man sie auf den Internetseiten der Versorger nachlesen kann. (reh/cr)
Millionen Menschen trinken das aufbereitete Wasser aus der Ruhr und dem Rhein, in die Abwässer zahlreicher Betriebe und Kommunen nach mechanisch-biologischer Klärung eingeleitet werden.Viren und Multiresistente Bakterien wurden in einer Untersuchung im Wasser der Ruhr gefunden, da diese durch die Kläranlagen nicht eliminiert werden. Das aus der Ruhr gewonnene Trinkwasser wird aufbereitet und zur Desinfektion mit UV-Licht bestrahlt. Die Trinkwasserverordnung sieht keine Überprüfung des Trinkwassers auf Viren und multiresistente Bakterien vor, so dass wir nicht wissen, ob die Desinfektion mittels UV-Licht erfolgreich ist und ob sich Viren und/oder multiresistente Bakterien im Trinkwasser befinden. Die Aufnahme dieser Infektionserreger in die Untersuchung von Trinkwasser aus Flüssen und Seen ist überfällig.
Wenn ich in Wikipedia "Stiftung Warentest" nachschlage, heisst es "... Aufgrund eines staatlichen Auftrags und gefördert mit Steuermitteln untersuchen und vergleichen ihre Mitarbeiter Waren und Dienstleistungen ...". Bei Waren und Dienstleistungen ist nichts dagegen zu sagen das Testergebnisse Geld kosten, aber Trinkwasser ist das wichtigste Gut der Menschheit und daher gehen Testergebnisse alle an und der Zugang zu ihnen muss öffentlich sein!
Sie haben zwar ausführlich erklärt, was sie alles getestet haben. Nur leider haben sie sich komplett um die Antwort auf meine Frage gedrückt, warum die gemessenen Werte nicht veröffentlicht werden. Laborwerte veröffentlichen sie regelmäßig bei allen möglichen Tests. Warum dann nicht hier?