
Robust, stabil, bequem sollen Trekkingstiefel sein, Halt und Schutz bieten. 4 von 15 Modellen gelingt das nicht gut, eines enthält zu viele Schadstoffe.
Keine Zeit für Ballermann. Statt zum Strand von El Arenal fahren die Testwanderer vom Flughafen schnurstracks in die Berge Mallorcas. Im Gepäck dabei:15 verschiedene Trekkingstiefel, Modelle für Damen und Herren, insgesamt 57 Paar – und Blasenpflaster für alle Fälle. Vier Männer und drei Frauen testen die Stiefel eine Woche lang: anziehen, schnüren, wandern, protokollieren, bewerten.
Kaum am Ziel angekommen, macht sich die Gruppe auf den Weg. Sie schreitet zügig voran auf Schotter, erdigen und dünn asphaltierten Wegen, steigt über Felsbrocken, läuft über Gerölllandschaften ausgetrockneter Flussläufe. Wenig Zeit, die Aussicht zu genießen. Wie sitzt der Schuh? Schützt er Knöchel und Zehen? Bieten Schaft und Sohle auch auf Geröll stabilen Halt? Und was macht das Schuhklima? Rund 3 100 Bewertungen liefert sie bis zum Ende des Praxistests ab.
Profilstarke Sohle für sicheren Tritt
„Trekkingstiefel zeigen da ihre Qualitäten, wo bei Leichtwanderschuhen auf Dauer Schluss ist – querfeldein und auf unbefestigten Wegen“, sagt der Prüfleiter des Praxistests. Umgekehrt heißt das: Wer mit Trekkingstiefeln vor allem auf Asphalt unterwegs ist, wurde falsch beraten. Dafür sind die festen, oft schwereren Stiefel nicht gemacht. Sie bestehen aus robusten Obermaterialien. Ihre recht steife, profilstarke Sohle bietet gute Trittsicherheit. Der hohe, gepolsterte Schaft stabilisiert den Fuß und verhindert, dass die Knöchel auf unwegsamem Gelände umknicken. Seine Steifheit ist für viele gewöhnungsbedürftig.
10 der 15 Trekkingstiefel im Test bestehen aus Synthetikgewebe, das meist mit Leder kombiniert ist. Bei den 5 anderen kommt als Obermaterial hauptsächlich Leder zum Einsatz. Eine atmungsaktive, wasserdichte Membran im Textilfutter soll bei allen für Klimakomfort und Nässeschutz sorgen.
Die meisten geprüften Stiefel sind in der Preisklasse von 150 bis 230 Euro unterwegs. Einzige Ausnahme: der Lidl-Schuh für 21 Euro. Der Discounter verkaufte ihn als Trekkingmodell. Deshalb nimmt er am Test teil. Ausgeschlossen waren dagegen Leichtwanderschuhe für einfache Tagestouren und steigeisentaugliche Bergstiefel für hochalpine Wanderungen.
Jack Wolfskin schnell undicht

Nässeschutz. Pfützen sollten dem Wanderer keine nassen Füße bescheren.
Nach der Wandertour auf Mallorca steht fest: Im Praxistest überzeugen viele Modelle, darunter Traditionsmarken wie Hanwag, Lowa und Meindl, aber auch Aku, Globetrotter und La Sportiva. Einige Kandidaten hinken hinterher, am deutlichsten der Crivit-Trekkingschuh von Lidl: Weich, leicht und instabil ist er für anspruchsvolle Touren ungeeignet. Auch die Stiefel von Jack Wolfskin, Keen und Vaude überzeugen in der Praxis nicht vollständig. Im Labor haben sie erneut Chancen, Profil zu zeigen.
Um den Nässeschutz zu prüfen, laufen die Stiefel im Wasserbad drei Stunden lang im Gehsimulator. Hier zeigt sich, ob ihre Membran dicht hält, ob sie optimal geschnitten und verarbeitet sind. Der Stiefel von Jack Wolfskin geht bereits nach rund anderthalb Stunden baden. Wasser dringt ein. Der von Keen hält etwas länger dicht. Die restlichen Kandidaten steigen drei Stunden später trockenen Fußes aus dem Wasserbad.
32 Schwitzdüsen machen Dampf

Schwitztest. 32 Düsen dampfen aus dem künstlichen Schwitzfuß.
Dauerhaft feuchte Füße sind unangenehm und bekommen schneller Blasen als trockene. Der Stiefel sollte innen also weitgehend trocken bleiben, Schweiß und Feuchtigkeit rasch nach außen verdunsten (Atmungsaktivität) oder in den Schichten und den Einlegesohlen zwischenspeichern.
Im Labor prüfen die Tester die Atmungsaktivität mit einem künstlichen Schwitzfuß, der mit 32 Schwitzdüsen ausgestattet ist. Ein Prüfer zieht ihm Funktionssocke und Stiefel über. Die Düsen dampfen zwei Stunden lang in den Stiefel.
Nur vier sind gut atmungsaktiv
Anschließend überprüft der Experte, wie nass Socke und Innenschuh sind. Die Messungen ergeben: Keen und Vaude lassen die Feuchtigkeit nur schlecht nach außen verdunsten, Lidl „atmet“ noch schlechter. Gut atmungsaktiv sind lediglich vier Stiefel: Aku, Globetrotter, La Sportiva und der Khumbu II GTX von Lowa.
Tipp: Tragen Sie spezielle Wandersocken. Sie leiten die Feuchtigkeit zügig von der Haut weg. Baumwollstrümpfe saugen sich mit Schweiß voll und trocknen nur schwer.
Vaude bleibt lange feucht
Steckt die Feuchtigkeit erst einmal im Stiefel, sollte sie über Nacht zügig entweichen. Rücktrocknung nennen das die Experten. Nach zehn Stunden zeigt sich: Eine Restfeuchte bleibt bei allen Stiefeln zurück. Besonders langsam aber trocknet der Vaude.
Tipp: Nehmen Sie nach dem Wandern die Einlegesohlen zum Trocknen aus den Stiefeln. Stopfen Sie Zeitungspapier hinein. Stellen Sie feuchte Stiefel nicht an die Heizung. Vor allem Leder verhärtet dadurch.
Mammut enthält zu viel Naphthalin
Außen wasserdicht, innen atmungsaktiv – dafür sorgt vor allem die Membran im Stiefel. Eine gute Imprägnierung unterstützt sie dabei. Viele Hersteller imprägnieren mit Fluorcarbonen. Diese können die perfluorierten Tenside PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) oder PFOA (Perfluoroctansäure) enthalten. PFOS ist seit Juni 2008 verboten, PFOA seit längerem in der Kritik. Beide reichern sich in der Umwelt an, können die menschliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und lassen sich sogar im Blut nachweisen. PFOS fanden die Tester nicht, in neun Stiefeln aber PFOA. Wegen der geringen Mengen gehen wir von keinem Gesundheitsrisiko aus. Hersteller sollten den kritischen Stoff jedoch ersetzen.
Der Mammut-Stiefel enthielt höhere Mengen Naphthalin. Die Prüfer fanden den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoff (PAK) in der Einlegesohle und im Schuhinneren. Naphthalin kann vermutlich Krebs erzeugen. test-Qualitätsurteil: mangelhaft.
Der Schuh muss sitzen
Wenn er schlecht sitzt, nutzt auch der beste Schuh nichts. Die Wandertruppe bewertete Passform, An- und Ausziehen meist positiv. Nur die Stiefel von Jack Wolfskin, Keen sowie der Lidl-Crivit passten nicht optimal. Und der Vaude verursachte bei einigen Druckstellen. Trotzdem: Die Blasenpflaster flogen unbenutzt von Mallorca wieder nachhause.