
Liebling. Tomaten sind das meistverzehrte Gemüse in Deutschland – mit 24,8 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
Die große Zeit der holländischen Wassertomate ist vorbei. Kleine geschmacksintensive Früchte erobern den Markt.
Festes Fleisch, kräftig süß, leicht sauer – die Tomate ist kein wässriges Einheitsgemüse mehr. Den guten Geschmack mussten sich die Verbraucher durch ihr Einkaufsverhalten erst erkämpfen. Handel und Züchter kannten lange nur eine Prämisse: gleich aussehende Früchte, die gegen Wetter und Schädlinge bestehen, und möglichst wenig kosten. Die holländische Wassertomate war in den 90er Jahren allgegenwärtig. Die Presse nannte sie „geschmacklos“, die Kunden spielten nicht mehr mit. Die Verkaufszahlen brachen ein.
Bis heute hadern EU-Verbraucher, wenn als Herkunftsland „Holland“ angegeben ist, belegt eine schwedische Studie aus dem Jahr 2013. Dabei stammt noch immer ein Großteil der in Deutschland verkauften Tomaten aus Holland – mehr als 354 300 Tonnen im Wirtschaftsjahr 2012/13. Mit einigem Abstand folgen Spanien, Belgien und Italien. Doch es hat sich viel verändert.
Süß und klein ist der neue Trend

Black Plum. Die Stabtomate aus Russland ist innen und außen schwarzbräunlich und sehr aromatisch.
„Viele Züchter arbeiten an neuen Tomatensorten mit mehr Geschmack, auch wenn das weniger Ertrag bedeuten kann“, sagt Dr. Bernhard Brückner vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau. Bis so eine Sorte marktreif ist, können Jahre vergehen. Nach wie vor sind Tomaten das Lieblingsgemüse der Deutschen – und sie sind gesund. Die Überschreitung von Pestizidhöchstmengen stellt kein Problem mehr dar. Die Trendwende zum Geschmack macht sich aber erst heute bemerkbar.
Was zeichnet den spezifischen Tomatengeschmack aus? Die wichtigsten Eindrücke sind süß und sauer. Auch die über die Nase wahrnehmbaren Aromastoffe, die beim Zerbeißen der Frucht freiwerden, sind essenziell. Typisch ist etwa Hexanal, das grün-grasig duftet. Erst eine bestimmte Mischung der Komponenten ergibt den Tomatengeschmack. Am allerwichtigsten ist momentan jedoch: je süßer, desto besser. Die deutschen Verbraucher haben eine Vorliebe für kleine Tomaten entwickelt. Die enthalten meist mehr von den natürlich in der Tomate vorkommenden Zuckern Glukose und Fruktose als ihre größeren Verwandten. Deshalb sind sie süßer und geschmacksintensiver. Sie dienen eher als Snack, statt in Salat oder Soße zu landen.
Ihre Beliebtheit macht sich auch an der Supermarktkasse bemerkbar. Kleine Cherry- oder Cocktailtomaten haben mittlerweile fast 40 Prozent Marktanteil. Die klassischen großen, losen Tomaten haben Boden verloren. Ihr Marktanteil ist in den vergangenen fünf Jahren von 19 auf 12 Prozentgesunken. Den intensiveren Geschmack lassen sich die Deutschen auch etwas kosten. Die kleinen Tomaten sind meist teurer als die großen.
Die Züchter freut es, denn die kleinen Früchte erfordern weniger Kulturfläche. Eifrig arbeiten sie daran, den Vorlieben der Kunden gerecht zu werden. „Wir haben sensorische Untersuchungen mit Verbrauchern durchgeführt, um herauszufinden, welcher Zuckergehalt am angenehmsten empfunden wird“, sagt Brückner. Ziel der Versuche war es zum Beispiel, die Menge von Glukose und Fruktose zu vermehren.
Geschmack genetisch entschlüsselt
Zu extrem darf der Geschmack jedoch nicht werden. Experimente können sich Züchter, die den deutschen Großhandel beliefern, nicht erlauben. Wenn es dem Verbraucher nicht schmeckt, bedeutet das Umsatzrückgänge. Also ziehen die Züchter Experten wie Friedhelm Blume und seine Kollegen der Firma Metabolomic Discoveries hinzu. Per Bioanalyse untersuchen die Wissenschaftler, wo auf dem genetischen Kode der Tomate der Geschmack verankert ist und versuchen, ihn zu entschlüsseln. „Bis zu 400 Aromakomponenten enthält eine Tomate, aber nur etwa 12 spielen eine Rolle beim Geschmack“, sagt Blume.
Ob die richtigen Geschmacksanlagen vorhanden sind, können die Wissenschaftler schon bestimmen, wenn die Frucht noch unreif an der Pflanze hängt. „So können wir den Züchtern sofort sagen, welche Sorte auf dem Markt gut ankommt und welche nicht.“ Wässrige Massenware ist kein Thema mehr. Auch Blumes Fazit lautet: Süß und geschmacksintensiv muss die moderne Tomate sein.
Von Ochsenherz bis grünes Zebra

Ochsenherz. Die große, hellrote und oft herzförmige Frucht wurde schon 1925 in Deutschland eingeführt.
Um Geschmacksintensität in die Früchte zu bekommen, lohnt auch ein Blick auf Altbewährtes, weiß Gärtner Christof Blank. Im „Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg“, kurz Vern, vermehrt er alte Tomatensorten wie die pflaumenförmige „Black Plum“, das faustgroße „Ochsenherz“ oder die gestreifte „Green Zebra“.
Ihren einzigartigen Geschmack haben sich diese Sorten bewahrt. Sie wurden nie auf die Massentauglichkeit der Supermarktware hin gezüchtet. Jedes Jahr bekommt Blank die Tomatensamen aus den Kühllagern der Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Genetisch verändert ist hier nichts – im Gegenteil. Das Saatgut etlicher alter Gemüsesorten, die aus den meisten Gärten und Küchen verschwunden sind, wartet dort auf seine Wiederbelebung.
Aus den Samen zieht Blank gelbe, weiße, grün-schwarz gestreifte, aber auch klassisch rote Tomaten. Auch Hobbygärtner können sich bei ihm Pflanzen abholen – immer mehr nutzen diese Möglichkeit.
Für mehr Vielfalt

Green Zebra. Ein US-amerikanischer Züchter stellte die grün-gelb gestreifte Tomate 1983 in einem Saatgutbuch vor.
„Viele Deutsche pflanzen mittlerweile selbst, so haben sie mehr Auswahl“, sagt Blank. Im Laden gebe es zwar verschiedene Tomatengrößen, aber kaum unterschiedliche Sorten. „Jeder Deutsche kennt ein paar Apfelsorten, aber Tomatensorten kann kaum einer nennen“, so der Gärtner.
Die aromatischen bunten, gestreiften oder gepunkteten alten Sorten könnten ein Anreiz für die nächste Trendwende sein. Finden genug Verbraucher daran Gefallen, kommt neben dem Geschmack vielleicht auch die Vielfalt im Supermarkt an.
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wo sind die hervorragenden, lieblichen Tomaten aus den Vierlanden? Selbst auf den Märkten...Banane
Tomaden sind ein gesundes Gemüse - und so soll es auch bleiben. Vielleicht bin ich ja wirklich etwas pingelig, aber darunter verstehe ich eben nun mal Tomaten, an denen NICHT herumgepfuscht wurde.
Und seit ich in einer TV-Doku gesehen wurde, dass es in NL richtige "Tomatologen" gibt, die da irgendwelche Promenadenkreuzungen vollziehen und ihre Meisterleistungen mit stolz geschwellter Brust präsentieren - tja, seitdem zahle ich lieber etwas mehr und weiß dann, dass ich eine deutlich naturbelassenere und weniger "verkreuzte" Tomatensorte kaufe.
Ein teurer Spaß ist's allerdings mittlerweile schon geworden: unter 2,50 € / kg bekommt man kaum noch deutsche Tomaten; marokkanische sind nur im Spätsommer zu haben und sehr oft ausverkauft; somit kann ich nur auf spanische Roma-Tomaten zurückgreifen. Die haben auch einen guten Eigengeschmack, und sind bei weitem nicht so teuer.
Kurioserweise finden sich kaum noch deutsche *normale* Tomaten! Der o. a. Kilo-Preis bezieht sich auf RISPEN-Tomate
Wir hatten für die Aggregat-Zustände des Wassers eine neue Form gefunden:
flüssig, gefroren , Dampf und Tomate.
Aber man muss noch sehr suchen, auch auf dem Bio-Markt. Danke für die Himweise!