
Ein staatliches Label für bessere Tierhaltung soll kommen – aber wohl nicht vor 2020. Derweil prescht die Branche mit neuen Siegeln vor. Die Supermarktketten Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe haben ein eigenes Kennzeichnungssystem eingeführt. Daneben existiert eins der „Initiative Tierwohl“. test.de sagt, was die neuen Siegel versprechen und welche anderen etablierten Siegel es noch gibt.
Den Deutschen ist das Tierwohl wichtig
Wie viel Platz hatte das Huhn? Durfte das Schwein seinen Spieltrieb ausleben? Hatte es Auslauf im Freien? Unter welchen Umständen Nutztiere leben, bevor sie als Wurst und Fleisch auf dem Teller landen, interessiert viele Deutsche. 86 Prozent möchten bei tierischen Produkten Angaben zu den Haltungsbedingungen, 81 Prozent wünschen sich ein staatliches Tierwohllabel. Das geht aus dem Ernährungsreport 2019 hervor, für den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine repräsentative Befragung durchführte.
Das plant die Regierung
Schon 2017 hatte der ehemalige Bundesminister Christian Schmidt (CSU) das Label angekündigt. Nun will seine Nachfolgerin Julia Klöckner (CDU) es einführen. Ziel ist, dass ab Mitte 2020 die ersten Produkte mit dem staatlichen Kennzeichen erhältlich sind. Laut Klöckner sollen sich Verbraucher künftig „bewusst dafür entscheiden können, zu den Waren zu greifen, die aus Ställen mit mehr Tierwohl kommen“ und entscheiden, „was ihnen Tierwohl auch im Preis wert ist“.
Freiwilliges Label mit drei Stufen
Das staatliche Label soll zunächst auf Schweinefleischprodukte beschränkt sein und später zum Beispiel auf Geflügel ausgeweitet werden. Die Teilnahme am Label-Programm wird für die Produzenten freiwillig sein. Es soll drei „Stufen“ geben (die aber gleichzeitig in Kraft treten):
- 1. Stufe. Die Kriterien der ersten Stufe sollen über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen. Mastschweine hätten zum Beispiel 20 Prozent mehr Platz im Stall – unabhängig von der Gewichtsklasse. Zudem müssten die Buchten so strukturiert sein, dass die Tiere unterschiedliche Bereiche zum Ausruhen, Fressen und Sich-Bewegen haben.
- 2. Stufe. In der zweiten Stufe wäre das Platzangebot mindestens 47 Prozent größer im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard. Ausnahmen, die beim gesetzlichen Mindeststandard möglich sind – etwa bei der Mindestsäugephase der Ferkel oder beim Kupieren der Schwänze – wären nicht mehr möglich: Ferkel würden mindestens 28 Tage gesäugt, die Schwänze dürften nicht gekürzt werden.
- 3. Stufe. In Stufe 3 ist für die Schweine durchschnittlich 91 Prozent mehr Platz vorgesehen und für Tiere ab 30 Kilogramm auch Auslauf. Sauen würden ihre Ferkel mindestens 35 Tage säugen.
In allen drei Stufen müssten Tierhalter den Schweinen Raufutter und organisches Beschäftigungsmaterial zum Kauen, Wühlen und Fressen anbieten. Die betäubungslose Kastration der Ferkel soll in allen Stufen verboten sein. Ab 2021 gilt dies erst für Schweine, die nach dem gesetzlichen Mindeststandard gehalten werden. Weitere Kriterien regeln zudem, wie lange Tiere transportiert werden dürfen oder dass sich Tierhalter jährlich zu Tierschutzthemen fortbilden müssen.
Kritiker bewerten die Kriterien als zu lasch
Umwelt- und Tierschutzverbände bewerten die Kriterien als zu lasch und wünschen eine verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung. So forderte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Haltungskriterien insbesondere bei der ersten Stufe zu verschärfen. Laut Landwirtschaftsministerium ist das Label nicht verpflichtend für alle, weil es dem Verbraucher „ein Mehr an Tierwohl anzeigen“ solle. Es stehe dafür, dass bei der Erzeugung der Produkte, die das Label tragen, höhere Vorgaben als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden.
Supermärkte mit einheitlichem Siegel

Während das staatliche Tierwohl-Siegel noch auf sich warten lässt, haben die deutschen Lebensmittelhändler kürzlich ein eigenes einheitliches Kennzeichnungssystem eingeführt: Es heißt „Haltungsform“ und Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny sowie Rewe verwenden es für ihr Eigenmarken-Fleisch und solches von der Theke. Dafür ordnen sie bestehende Tierwohlsiegel einer von vier Stufen zu: von Stufe 1 „Stallhaltung“ (siehe Bild), die gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht, bis Stufe 4 „Premium“ etwa für Biofleisch. Das soll helfen, Kriterien der bestehenden Siegel – die weiterhin auf der Packung zu finden sein werden – besser einschätzen zu können.
Anderes Label von der „Initiative Tierwohl“

Für Fleischprodukte gibt es noch mehr Siegel, etwa das der Initiative Tierwohl: Dieser Zusammenschluss von Handel, Fleisch- und Landwirtschaft unterstützt Landwirte finanziell dabei, wenn sie Maßnahmen zum Wohl von Mastschweinen, Hähnchen und Puten umsetzen, die über die gesetzlichen Standards hinausgehen. Laut der Initiative nehmen mittlerweile rund 6 600 geflügel- und schweinehaltende Betriebe teil.
Initiative Tierwohl-Label auf Geflügelfleisch
Erst konnten Verbraucher im Supermarkt und im Discounter nicht erkennen, ob es sich um Fleisch aus diesen Betrieben handelt. Im April 2018 hatte die Initiative Tierwohl dann ein Siegel eingeführt, das zunächst unverarbeitetes Geflügelfleisch von den teilnehmenden Betrieben kennzeichnet. Seitdem hätten 20 000 Lebensmittelmärkte ihre Geflügelfleischprodukte mit dem Siegel gekennzeichnet – mehr als 80 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels. Die Kriterien der Brancheninitiative liegen über den gesetzlichen Standards, aber weit unter den Ansprüchen für Bio-Fleisch. Das Kennzeichungssystem der Supermarktketten sortiert Fleisch aus Betrieben der Initiative Tierwohl in Stufe 2 „Stallhaltung Plus“. Es gibt bestimmte Grundanforderungen und Pflichtkriterien, die jeder Tierhalter umsetzen muss – etwa die Teilnahme an einem Überwachungsprogramm zum Antibiotikaeinsatz. Außerdem können Betriebe, die Schweine halten, zusätzliche Wahlkriterien wählen.
Verbraucherschützer: Zu viele Fleisch-Siegel
Die Verbraucherzentralen und der BUND kritisieren, dass die diversen Tierwohl-Logos Verbraucher verwirren könnten. Ein Marktcheck der Verbraucherzentralen ergab, dass sie kaum Orientierung bieten. Neben den genannten Siegeln gibt es zum Beispiel noch das EU-Biosiegel, das Neuland-Logo und das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes (siehe Abschnitt „Weitere Fleisch-Label“). Zudem gibt es weitere Labels wie etwa die der Öko-Anbauverbände Demeter, Bioland und Naturland sowie das Label Tierschutz-kontrolliert der privaten Stiftung Vier Pfoten.
Informationsportal mit Übersicht
Wer sich für Details interessiert und die Kriterien der etablierten Label vergleichen möchten, findet eine übersichtliche Tabelle beim Informationsportal Tierwohl stärken des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Weitere Fleisch-Label
EU-Biosiegel – das grüne Blatt

Dieses Siegel muss seit 2012 auf allen Bio-Lebensmitteln stehen, die in der EU gehandelt werden – auch auf Fleisch und Wurst. In den EU-Vorschriften für den ökologischen Landbau sind strenge Kriterien zum Thema Tierschutz festgelegt. Sie umfassen die Herkunft der Tiere, die verwendeten Futtermittel, die Krankheitsvorsorge und die tierärztliche Behandlung sowie Vorschriften zur Reinigung der Ställe. Artgerechte Tierhaltung ist das Leitbild im ökologischen Landbau.
Tipp: Unsere Nachhaltigkeitstests zeigen, dass sich Bioanbieter oft stark für den Tierschutz einsetzen. Für Tierfreunde ist daher Biofleisch im Vergleich zu konventioneller Ware die bessere Wahl.
Das Neuland-Logo

Neuland ist ein Verein, der 1988 gegründet wurde. Landwirte, die ihre Tiere nach den Neuland-Richtlinien halten, produzieren kein bio-zertifiziertes Fleisch. Sie legen aber Wert auf eine besonders artgerechte Tierhaltung. Träger von Neuland sind der Deutsche Tierschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbunds

Das Tierschutzlabel gibt Verbrauchern seit Januar 2013 die Möglichkeit, Schweine- und Geflügelfleisch aus tiergerechter Produktion zu erkennen. 2016 wurde das Programm auf Legehennen und 2017 auf Milchkühe erweitert, es sind also auch Eier und Milch mit dem Tierschutzlabel erhältlich. Es gibt das Label in der Einstiegsstufe mit einem Sternchen sowie die strengere Premiumstufe mit zwei Sternchen. Träger ist der Deutsche Tierschutzbund.
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Dieses Special ist erstmals am 24. April 2018 auf test.de erschienen. Es wurde am 27. April 2019 aktualisiert.