Das sagen Experten zum Tierversuchsverbot für Kosmetika
Experten | Sind Kosmetika unsicherer geworden, seit es keine Tierversuche mehr geben darf? | Führt das Verbot von Tierversuchen für Kosmetika jetzt zu „Menschenversuchen“? | Schränkt das Verbot die Entwicklung von Produktinnovationen ein? | Welche Bedeutung hat Werbung mit der Aussage „Ohne Tierversuche“? | Können Kosmetikhersteller das Tierversuchsverbot umgehen? | |
Experten | Sind Kosmetika unsicherer geworden, seit es keine Tierversuche mehr geben darf? | Führt das Verbot von Tierversuchen für Kosmetika jetzt zu „Menschenversuchen“? | Schränkt das Verbot die Entwicklung von Produktinnovationen ein? | Welche Bedeutung hat Werbung mit der Aussage „Ohne Tierversuche“? | Können Kosmetikhersteller das Tierversuchsverbot umgehen? | |
Roman Kolar. | Kann ein Hersteller mit den geltenden Vorgaben die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Kosmetika nicht gewährleisten, darf er diese nicht auf den Markt bringen. Zudem gilt das Tierversuchsverbot nur für Inhaltsstoffe, die neu zugelassen werden. Die Sicherheit bereits zugelassener Inhaltsstoffe oder Produkte ist davon nicht betroffen. | Studien belegen, dass Tierversuche unzuverlässige, oft falsche Ergebnisse liefern und keinen verlässlichen Maßstab für die Verbrauchersicherheit darstellen. Alternativmethoden werden umfangreich geprüft. Sie tragen zum verbesserten Verbraucherschutz bei. Meist werden Kosmetika vor der Vermarktung an freiwilligen Probanden getestet. | Wir gehen nicht davon aus, dass durch das Verbot die Innovationskraft eingeschränkt wird. Die Ankündigung des Tierversuchsverbots hat dazu geführt, dass innerhalb weniger Jahre verschiedene hochmoderne Testmethoden entwickelt wurden, mit denen neue Inhaltsstoffe sicherer und ohne Tierleid geprüft werden können. | Diese Werbung ist laut Gerichtsurteil irreführend. Für den Verbraucher muss konkret nachvollziehbar sein, ob das Unternehmen selbst keine Tierversuche durchführt, keine in Auftrag gibt und vor allem auf Inhaltsstoffe verzichtet, die neu oder ab einem bestimmten Stichtag in Tierversuchen getestet wurden. | Leider gilt das Tierversuchsverbot nur für Inhaltsstoffe, die ausschließlich in Kosmetika verwendet werden. Da die meisten Inhaltsstoffe jedoch auch in anderen Produkten eingesetzt werden, können auch zukünftig Substanzen, die vorher im Tierversuch getestet wurden, in Kosmetikprodukten landen. | |
Dr. Uwe Rossow. | Keineswegs. Kosmetika, die gemäß dem EU-Kosmetikrecht für den Verkauf zugelassen sind, sind und bleiben sicher. Dies wird durch umfangreiche Tests und Sicherheitsbewertungen aufseiten der Hersteller und in enger Abstimmung mit den Behörden gewährleistet. Das Tierversuchsverbot hat keine Auswirkungen auf die Produktsicherheit. | Nein. Nur Produkte, deren Inhaltsstoffe umfangreich abgesichert wurden, dürfen verkauft werden. Die Kosmetikindustrie belegt, wo möglich, die Sicherheit der Inhaltsstoffe durch vorhandene Daten oder vom Gesetzgeber anerkannte alternative Testmethoden. Die Sicherheit der Verbraucher ist zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. | Die Entwicklung neuer Inhaltsstoffe, etwa Konservierungsstoffe oder UV-Filter, ist seit März 2013 schwieriger. Noch für längere Zeit werden für einige wichtige Sicherheitsaspekte keine Alternativmethoden zur Verfügung stehen. Weitere Forschung und vor allem die Freigabe alternativer Testmethoden durch den Gesetzgeber sind erforderlich. | Alle Inhaltsstoffe müssen nach den rechtlichen Vorgaben abgesichert werden. Nahezu jeder Inhaltsstoff wurde im Laufe der Jahre mindestens einmal im Tierversuch getestet. Der Claim „Ohne Tierversuche“ ist somit irreführend, denn alle Kosmetikprodukte sind entsprechend der gültigen Gesetzeslage nicht „tierversuchsfrei“. | Die Gesetzgebung gibt vor, dass alle Inhaltsstoffe grundsätzlich nach chemikalienrechtlichen Vorgaben abgesichert sein müssen – unabhängig davon, ob sie letztlich in kosmetischen Mitteln, Arzneimitteln oder anderen Produkten Verwendung finden. Dies dient der Sicherheit der Verbraucher, nicht der Kosmetikindustrie. | |
Prof. Dr. Gilbert Schönfelder. | Nein, warum denn? Kosmetische Mittel unterliegen gesetzlichen Bestimmungen – siehe die EU-Kosmetik-Verordnung. Es gilt nach wie vor, dass die Hersteller kosmetischer Mittel die Unbedenklichkeit ihrer Produkte garantieren müssen. | Das Verbot von Tierversuchen für Kosmetika führt nicht zu mehr „Menschenversuchen“. Allerdings ist die Entwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch weiterhin von großer Bedeutung. Alternativen können erforderlich sein, um zum Beispiel die künftige Risikobewertung von zulassungspflichtigen Stoffen zu ermöglichen. | Die Frage sollte von den Vertretern aus der Industrie beantwortet werden. | Kein Kommentar, weil wir für den Bereich nicht zuständig sind. | Die Hersteller von Kosmetika dürfen auch zukünftig weiterhin chemische Substanzen in Kosmetika verwenden, die in anderen Erzeugnissen – zum Beispiel Arzneimitteln, Verpackungen und Farben – enthalten sind und im Rahmen der Reach-Verordnung3 bzw. des Arzneimittelrechts geprüft worden sind. | |
Prof. Dr. Axel Schnuch. | Sollten Kosmetikhersteller neue Rohstoffe einsetzen, deren Sicherheit lediglich mit noch nicht ausgereiften Alternativmethoden belegt ist, dann wären die Produkte „unsicherer“. Bisher werden sich die Hersteller kaum auf diese Methoden verlassen haben. Deshalb sind meines Erachtens die Kosmetika nicht unsicherer geworden. | Wenn die Sicherheit ausschließlich mit Alternativmethoden beurteilt werden wird – selbst wenn diese „validiert“ sein sollten –, fehlt der entscheidende Schritt: die Bestätigung der labortechnisch vorausgesagten Sicherheit durch die Beobachtung am Menschen. Das Labor sagt etwas voraus, die Gültigkeit wird am Menschen „ausprobiert“. | Können sich die Hersteller (noch) nicht auf die Sicherheit alternativer Methoden verlassen, setzen sie keine neuen Rohstoffe ein. Innovationen sind aber dringend erforderlich, etwa bei Konservierungsmitteln. Hier ist prinzipiell das Risiko einer Kontaktallergie gegeben, das es zu mindern gilt. Dies unterbleibt, zum Schaden des Verbrauchers. | Eine Werbung „ohne Tierversuche“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit wahrheitswidrig, denn die Sicherheit der allermeisten Rohstoffe wurde in der Vergangenheit auf der Basis von Tierversuchen ermittelt. Außerdem lehne ich eine solche Werbung ab: Sie suggeriert fälschlich, dass schon heute die Stoffe auch ohne Tierversuche sicher sind. | Nach dem Arzneimittel- und dem Chemikalienrecht sind Tierversuche weiterhin erlaubt. Dies wäre für die Kosmetikhersteller ein Weg. Tierversuche sind nicht erlaubt zum Zwecke der Erfüllung der EU-Kosmetikverordnung. Ob demnach die Nutzung der Daten aus anderen Quellen erlaubt ist, kann ich nicht beurteilen. |
- 1 ZEBET = Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch.
- 2 BfR = Bundesinstitut für Risikobewertung.
- 3 Reach-Verordnung = Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals).