Die Deutschen essen reichlich Fleisch – 170 Gramm am Tag waren es 2011, ähnlich viel wie in den Vorjahren. Doch immer mehr Verbraucher fragen nach den Produktionsbedingungen: Hat das Hühnchen Antibiotika bekommen? Durfte das Schwein seinen Spieltrieb ausleben? Stand das Rind viel auf der Weide? test.de vergleicht Standards, die hinter Tierschutzsiegeln stehen mit denen der konventionellen Landwirtschaft und bietet dafür tabellarische Übersichten für Mastschweine, Masthähnchen und Mastrinder.
Für die meisten Verbraucher ist artgerechte Tierhaltung wichtig


BSE-Krise, Maul- und Klauenseuche, Gammelfleisch, massenweise Antibiotika in der Hähnchenzucht – Medienberichte über Skandale aus der Massentierhaltung haben bei vielen Verbrauchern ein Unbehagen gegenüber dem Fleischverzehr ausgelöst. Auch hat die Umfrage „Consumers’ Choice 11“ der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie ergeben, dass 75 Prozent der Befragten Wert auf Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung legen. Doch beim Einkauf solcher Lebensmittel stoßen Verbraucher oft an Grenzen: Das meiste Fleisch im Handel liefert über das Etikett keine Informationen darüber, wie stark sich ein Landwirt für das Tierwohl engagiert hat. Jetzt ist mehr Transparenz in Sicht: Seit Januar liegt Geflügel- und Schweinefleisch mit dem Tierschutz-Label in einigen Supermärkten. Das Geflügelfleisch gibt es bundesweit bei Edeka sowie in Filialen von Dohle, Famila, Hit, Netto, Karstadt, Real. Nur in Berlin ist zurzeit Schweinefleisch mit dem Tierschutz-Label erhältlich bei Kaiser’s Tengelmann und Reichelt. Das Fleisch stammt auch von den Großproduzenten Wiesenhof und Vion. Noch 2011 war das Unternehmen Wiesenhof stark in die Kritik geraten, weil ihm Medien Tierquälerei von Hühnern vorgeworfen hatten. In Sachen Tierschutz-Versprechen ergänzt das neue Tierschutz-Label das Angebot von Bio-Anbietern und von Markenfleischprogrammen wie Neuland, die schon vor vielen Jahren ein Tierschutz- und Kontrollsystem festgelegt haben.
Dafür stehen die Logos
Die Vorgaben, die hinter allen Logos stehen, gehen beim Tierschutz deutlich über die Richtlinien und Verordnungen für die konventionelle Nutztierhaltung hinaus. So dürfen sich zum Beispiel in konventionell geführten Ställen bis zu 25 Hühner auf einen Quadratmeter drängeln, dagegen sind es in tiergerechter Produktion etwa die Hälfte – auf Biohöfen maximal zehn. Auch Schweine und Rinder haben bei den Alternativ-Programmen mehr Platz – bei Schweinen beträgt das Plus gut ein Drittel, bei Rindern zum Teil mehr als das Doppelte. Die Bio- und Neuland-Vorgaben sind in mancherlei Hinsicht strenger als die des Tierschutz-Labels:
- detailliertere Angaben zum Einsatz von Arzneimitteln
- Naturheilmittel haben Vorrang vor Antibiotika und chemisch-synthetisch allopathischen Medikamenten
- Auslauf im Freien
- Verbot körperlicher Eingriffe wie z.B. das Stutzen von Hühnerschnäbeln
Das neue Tierschutz-Label setzt bewusst niedrigere Standards – das Einstiegs-Label steht schon dem Namen nach dafür, konventionellen Züchtern den Einstieg in eine tiergerechtere Produktion durch pragmatische Vorgaben zu erleichtern. Genauer informieren die Tabellen zu Mastschweinen, Masthähnchen und Mastrindern. Die Herausforderung ist groß, vor allem wenn viele Tiere in riesigen Ställen gehalten werden: In Deutschland steht inzwischen fast die Hälfte der Schweine in Beständen mit mehr als 1 000 Tieren und fast Dreiviertel der Masthühner in Beständen mit mehr als 50 000 Tieren, so das Statistische Bundesamt.
Massentierhaltung im Aufwind
Industrielle Produktionssysteme haben die traditionelle bäuerliche Tierhaltung vielerorts verdrängt. Die Gründe sind vielfältig: Die Nachfrage nach Fleisch wächst weltweit, vor allem in Asien. Deutschland reagiert darauf mit Exporten. So legte zum Beispiel die Ausfuhr von Schweinefleisch von 2007 bis 2011 um 40 Prozent zu. Neue Technologien in der Tierzucht, der Tierhaltung und Schlachtung lassen ein rationelleres Arbeiten zu. Das Futter stammt oft nicht mehr von hofeigenen Wiesen und Feldern, sondern aus Übersee-Importen wie das weit verbreitete Soja-Schrot. Dazu gewinnt die so genannte Vertragslandwirtschaft an Bedeutung, bei der größere Unternehmen den Landwirten Produktionsmittel zur Verfügung stellen und so unternehmerische Entscheidungen verändern. Zudem konzentrieren sich die großen Zuchtbetriebe in bestimmten Regionen, allen voran in Niedersachsen. Die Haltung von Nutztieren hat eine enorme Bedeutung für die Landwirtschaft: Sie macht rund 60 Prozent der Erlöse aus.
Das Tier bleibt auf der Strecke
Die gängige konventionelle Mast zielt auf die „rationelle Entwicklung und Erzeugung“, wie es die EU etwa in der Richtlinie über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen schreibt. Sie räumt ein: „Wegen akuten Platzmangels findet in den derzeitigen Haltungssystemen keine artgerechte Haltung der Schweine statt.“ Die Produktionsverfahren orientieren sich zurzeit noch nicht unbedingt am Wohlergehen der Tiere, oft müssen sich die Tiere den Produktionsbedingungen unterordnen. Wenn zum Beispiel Tiere auf wenig Raum in einer zu großen Gruppe leben, löst das Stress und aggressives Verhalten bis hin zu Kannibalismus aus. Das Schnabelstutzen bei Hühnern und das Schwanzkupieren bei Schweinen soll in solchen Fällen vor Verletzungen schützen. Auch kritisch: die sogenannte Qualzucht. Sie betrifft zum Beispiel Puten mit extrem viel Brustfleisch. Das überstrapaziert zum Beispiel die Wirbelsäule, Bewegungsstörungen und Schmerzen sind die Folgen.
Kleine stabile Gruppe fördert das Tierwohl
Auch Wissenschaftler prangern an, dass die Verhaltensansprüche der Tiere unzureichend berücksichtigt werden. Sie forschen zurzeit viel, etwa über die Hackordnung unter Hühnern, Rangkämpfe bei Schweinen, die Bedeutung kleiner, stabiler Gruppen sowie positive Effekte von Tageslicht, Beschäftigungsmaterial und Ausläufen. So nehmen zum Beispiel Masthühner den Grünauslauf oft nur an, wenn Unterstände vorhanden sind und so die natürliche Angst vor Greifvögeln nicht zum Tragen kommt. Raufutter, also Gras und Heu, sorgt bei Kühen, Schweinen und Hühnern für Abwechslung. All das könnte das Tierwohl stärken und zum Teil auch die Tiergesundheit, zumindest den Bewegungs- und Atmungsapparat. Das legt eine Studie der Bundesanstalt für Fleischforschung nahe. Allerdings stellten sie bei ökologisch gehaltenen Rindern mehr Entzündungen und bei Schweinen mehr Parasiten fest – offenbar eine Folge des verminderten Arzneimitteleinsatzes und auch des Auslaufs im Freien.
Abfall und Salmonellen gefährden Umwelt, Tier und Mensch
Die derzeit gängige Massentierhaltung birgt aber noch weitere Risiken, zum Beispiel für die Umwelt: Auf verhältnismäßig kleinem Raum sammelt sich mehr Gülle an als die Landwirtschaft verwerten kann. Zudem entstehen Gase, die dem Klima schaden. Auch der Mensch kann gesundheitliche Probleme bekommen: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Schweine mit Salmonellen infizieren, soll in Betrieben mit mehr als 1 000 Mastschweinen fünfmal so hoch wie in Betrieben mit weniger als 100 Tieren sein, schreibt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in einem Gutachten. Experten verweisen darauf, dass sich auch andere Erreger wie Campylobacter in Mega-Ställen leichter ausbreiten könnten. Sie infizieren erst das Tier, dann über das Fleisch unter Umständen den Menschen.
Antibiotika für Menschen könnten versagen
Auch folgenreich für den Menschen: der massenweise Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht – 2012 waren es in Deutschland 1 734 Tonnen. Antibiotika wirken zwar zuverlässig gegen bestimmte Erreger, können aber bei anderer Anwendung auch das Wachstum von Nutztieren begünstigen. Seit 2006 verbietet die EU offiziell, Antibiotika als Wachstumsförderer zu nutzen. Trotzdem hat die Menge der eingesetzten Antibiotika seither nicht abgenommen. Bei Hühnern werden sie häufig ins Tränkwässer gegeben, so dass die ganze Herde behandelt wird und nicht gezielt die einzelnen, kranken Tiere. Dass dieses Vorgehen stark verbreitet ist, zeigt die Studie nordrhein-westfälischer Behörden. Das Problem: Krankheitserreger wie Salmonellen und Kolibakterien könnten resistent – also unempfindlich – gegenüber den Antibiotika werden, mit deren Wirkstoffe oft auch Menschen behandelt werden. Sie könnten beim Menschen im Notfall versagen – mit möglicherweise tödlichen Folgen. Sorgen bereiten auch die MRSA-Stämme (MRSA steht für Methicillin-resistent Staphylococcus aureus). Das sind antibiotika-resistente Krankheitserreger, die vom Nutztier auf den Menschen übergehen können. In erster Linie betrifft diese Gefahr aber nur Personen mit Direktkontakt zum Vieh. Mehr zum Thema Antibiotika: „Warum zu viel krank macht“.
Das plant die Politik
In Zukunft will auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestimmte Aspekte bei der Haltung von Nutztieren verbessern. Dazu gehört etwa die Novelle des Arzneimittelgesetzes, die den rechtlichen Einsatz für den Antibiotika-Einsatz in der Tierzucht verschärfen soll. Damit sollen Mastbetriebe voraussichtlich ab Frühjahr 2013 unter anderem verpflichtet werden, ihren Verbrauch zu melden. Zudem hat das Bundeskabinett einer Änderung des Tierschutzgesetzes zugestimmt. Sie sieht beispielsweise vor, das bestehende Qualzuchtverbot besser umzusetzen und bis 2017 aus der betäubungslosen Kastration von Ferkeln auszusteigen. Noch nicht geklärt: körperliche Eingriffe wie das Kupieren von Schweineschwänzen und Hühnerschnäbeln.
Schnitzel aus tiergerechter Produktion etwas teurer
Mehr Platz, langsam wachsende Rassen, kleinere Tiergruppen, mehr Einstreu und Auslauf – wenn Tiere artgerecht gehalten werden, steigt die Arbeit für die Landwirte und die Erträge sinken. Die Folge: Das Fleisch aus tierfreundlicher Produktion ist teurer als das aus konventioneller. Ein Testeinkauf in einem Berliner Supermarkt zeigt: 250 Gramm konventionelles Schnitzel kosten dort zurzeit 2,25 Euro. Für die gleiche Portion vom Tierschutz-Label sind 2,50 Euro fällig, aus Bioproduktion nach EU-Ökostandard sind es 3,72 Euro. 250 Gramm Neuland-Schweinschnitzel kosten 4,81 Euro. Verbraucher müssen also bereit sein, für Tierschutz auch zu bezahlen. Immer mehr sind das auch – so stieg die Nachfrage nach Biofleisch 2011 um 28 Prozent. Am gesamten Fleisch- und Wurstmarkt hat Biofleisch aber weiterhin nur einen kleinen Anteil: Der Umsatzanteil von Bio-Rind- und Schweinefleisch lag 2011 bei 4 Prozent.
Tester bestätigen Tierschutz in Biobetrieben
Die Vorgaben aus der Biobranche beim Tierschutz stehen nicht nur auf dem Papier. Tests der Stiftung Warentest von Hähnchenbrustfilets und Kochschinken bestätigen, dass Bioanbieter den Tier- und auch den Umweltschutz fast immer deutlich ernster nehmen als die konventionelle Konkurrenz. Die Tester ermitteln das in sogenannten CSR-Untersuchungen (CSR steht für Corporate Social Responsibility – auf deutsch: der Einsatz für Tier- und Umweltschutz sowie Soziales). Natürlich werden auch Tiere aus biologischer Haltung am Ende geschlachtet – Ängste bleiben ihnen nicht erspart. Wer das ausschließen möchte, kann gänzlich auf Fleisch verzichten. Mehr über vegetarische Ernährung erfahren Sie auf unserer Themenseite Vegetarisch und vegan essen.
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- Wie steht es um die Qualität von frischen Hähnchenschenkeln? Wie werden die Hühner gehalten? Das hat die Stiftung Warentest für 17 Hähnchenschenkel-Produkte untersucht.
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- Große oder kleine, aus Zucht oder Wildfang – der Test der Stiftung Warentest kürt die besten Garnelen und die vertrauenswürdigsten Siegel.
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- Tierwohlsiegel gibt es heute viele – schwer, da durchzublicken. Wir sagen, auf welchen Produkten sie zu finden sind und welche Kriterien dafür erfüllt sein müssen.
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... Tier leiden / getötet werden. Ich lebe vegan - meiner Gesundheit, den Menschen, den Tieren, dem Klima und der Umwelt zuliebe. Weitergehende Informationen: www.ProVegan.info und www.albert-schweitzer-stiftung.de.
... des 'Deutsches Tierschutzlabel' könnt ihr direkt unter
folgendem Link einsehen:
http://www.tierschutzlabel.info/home/
Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg’ auch keinem and’ren zu - dieser ‚Grund’-Satz ist sicherlich für viele Lebensbereiche eine gute Anleitung. Ihn in Bezug auf die Massentierhaltung gedanklich durchgespielt, von der Situation bei der Geburt, dem Aufwachsen, dem elenden ‚Dasein’ danach, dem Transport zum Schlachthof, der Angst und dem mitunter langen und elenden Tod führt unweigerlich zur vegetarischen und letztlich veganen Ernährung. Schon der Gedanke an ein Stück Fleisch im Mund, löst schließlich Brechreiz aus.
Sicherlich kommt demnächst das Schnellfraß – ‚Mc’Siegel, welches dabei hilft, den letzten Rest schlechten Gewissens zu verdrängen. Pro Übergewicht, -Schlaganfall und -Arthrose. Guten Appetit!
Wer den gestrigen Bericht des ARD-Magazines Report/Mainz "Greenwashing durch neues Label"
http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=10964152/pv=video/nid=233454/82ef1q/index.html
gesehen hat, der wird "Tierschutz-Logos im Vergleich" nur noch mit großer Skepsis lesen können. Schade, bislang hatte ich gedacht, dass die Tests doch sorgfältiger recherchiert werden. Schon allein die Tatsache, dass die Firmen "Wiesenhof" und "Vion" involviert sind, hätte zu großer Nachdenklichkeit und anderen Schlußfolgerungen führen müssen. Hier wurde Vertrauen leichtfertigt vertan.
Richtig, und nicht eines dieser Kinder, die am Hunger stirbt, stirbt, weil es irgend eine Knappheit von Nahrungsmittel gäbe. Es stirbt, weil korrupte Herrscher ihren Luxus finanzieren wollen und weil Grüne meinen, Mais müsse man verbrennen. Jetzt fehlt nur noch der Hinweis von ihnen, wir sollten Wasser sparen, damit in Afrika niemand verdurstet. Dan wäre es komplett lächerlich.