Die Tage der Fahrkartenautomaten scheinen gezählt: Handys übernehmen nach und nach deren Arbeit. Wie gut sind die aktuellen Apps?
Testergebnisse für 16 Ticket-Apps 09/2014
Jeder Dritte würde Bus- und Bahnfahrkarten gern mit dem Smartphone kaufen. Das ergab eine Umfrage von TNS Infratest. Die regionalen Verkehrsunternehmen und die Deutsche Bahn haben auf diesen Wunsch reagiert, viele offerieren mittlerweile kostenlose Ticket-Apps.
Was taugen sie? Wir haben Apps von sieben exemplarisch ausgewählten Verkehrsverbünden und das Programm DB Navigator der Bahn geprüft, jeweils für die Betriebssysteme Android und iOS.
Deutliche Schwächen
Ergebnis: Das, was die Apps versprechen, funktioniert in der Praxis zwar oft recht gut. Das Angebot als solches ist aber noch ziemlich bescheiden. So gibt es generell keine Abos und häufig keine Mehrfachkarten per Smartphone, der Nutzer muss den für ihn günstigsten Tarif selbst wählen. Die Installation der Programme ist oft umständlich, sie stürzen mitunter ab, die Abrechnungen haben durchweg deutliche Schwächen. Alles in allem ein eher mittelmäßiger Service.
Dabei könnte alles so schön sein, wenn es den Anbietern gelänge, die technischen Möglichkeiten optimal zu nutzen. Dann sähe der Ticketkauf im Idealfall so aus: Der Kunde wählt aus mehreren Verbindungsvarianten die passende aus. Er bekommt automatisch den günstigsten Tarif genannt, erhält eine detaillierte Anzeige seiner Route und Informationen zu Verspätungen – in Echtzeit. Das Ticket erscheint als quadratischer Bildkode auf dem Display – wie auf dem Foto links. Abgerechnet wird per Bankeinzug oder Kreditkarte.
Von diesem Ideal sind die meisten Apps jedoch noch weit entfernt. Bislang sind alle untersuchten Ticket-Apps nur für Gelegenheitsfahrer und Touristen konzipiert, und das auch nur mit einer beschränkten Tarifauswahl. Zeitkarten hat keiner der Anbieter im Programm. Dafür ist das System noch zu unsicher, sagen sie. Insbesondere fehlt es an Möglichkeiten, den Missbrauch von Dauerkarten zu verhindern.
Weitere Mankos: Keine der Apps bietet eine Bestpreis-Berechnung. Keine fragt, wie viele Personen fahren wollen, ob die Passagiere Fahrräder oder Tiere dabeihaben oder ob zu einem späteren Zeitpunkt weitere Fahrten geplant sind. Die Nutzer müssen sich selbst erarbeiten, welches Ticket aus dem beschränkten Angebot das beste für sie ist.
(K)eine für alle

Verbindung. Die App der Münchner Verkehrsbetriebe zeigt Haltestellen auf einer Karte.
Dass der große Wurf bislang noch nicht gelungen ist, liegt auch an den Strukturen des öffentlichen Personennahverkehrs in Deutschland. Das System ist kompliziert, unübersichtlich und geprägt durch regionale Eigenbrötlerei. Die meisten der rund 500 Verkehrsunternehmen suchen erst einmal nach eigenen Lösungen für ihre Apps. Vielerorts steht der Kunde sogar vor der Wahl zwischen mehreren Programmen unterschiedlicher Anbieter.
Einen ersten Schritt zur Vereinheitlichung macht „Handyticket Deutschland“. An diesem Projekt sind derzeit 20 Verkehrsräume beteiligt – wenn auch mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Einige stützen sich ausschließlich auf das Gemeinschaftsprojekt, beispielsweise die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB). Andere fahren zweigleisig: Sie haben eine eigene App und verknüpfen ihr Angebot mit der überregionalen App. Bei den Verkehrsverbünden Rhein-Ruhr (VRR) und Rhein-Sieg (VRS) beispielsweise braucht man die Handyticket-Deutschland-App zusätzlich für den Ticketkauf.
Service geht anders
So einfach wie auf der Homepage von Handyticket Deutschland versprochen funktionierte der „persönliche Ticketautomat in der Hosentasche“ weder in der einen noch in der anderen Variante. Schon beim Registrieren gab es Fehlermeldungen, die eine Anmeldung über die App erschwerten. Die Tester haben sich schließlich per PC registriert. Und selbst damit ging nicht alles glatt: Obwohl als Zahlungsmöglichkeit auch Lastschrift und Kreditkarten angeboten waren, akzeptierte das System zeitweise nur Vorauszahlung (Prepaid).
Das Kundenkonto aufzuladen, erforderte viel Zeit. Erst nach einigen Tagen wurde das Guthaben angezeigt – oder auch nicht. Beim Verbund Rhein-Sieg haben wir im Mai 20 Euro aufgeladen, konnten sie aber nicht nutzen. Unsere Beschwerde hat der Verbund an den Kooperationspartner LogPay weitergeleitet – der sich aber nie meldete und auch per Hotline nicht erreichbar war. Das Geld tauchte dann plötzlich auf der Juni-Rechnung als Guthaben auf.
Unübersichtliche Abrechnung
Die Abrechnung von Handyticket Deutschland ist generell wenig erfreulich. Sie kommt monatlich als E-Mail im PDF-Format, ist durch die Vermischung der Verkehrsverbünde unübersichtlich, und die Beträge sind kaum nachzuvollziehen.
Mit diesen Mängeln steht Handyticket Deutschland nicht allein. Auch bei den anderen geprüften Apps ist die Abrechnung verbesserungsbedürftig. So kann die Abrechnung nicht in der App geprüft werden. Dazu muss man ins Internet gehen oder seine E-Mails checken. Mal fehlen Einzel-, mal Sammelrechnungen, nicht immer wird die Mehrwertsteuer ausgewiesen – und unübersichtlich sind alle Rechnungen.
Zwei Apps von der Bahn
Ähnlich sind die Ergebnisse im Fernverkehr. Neben Touch & Travel haben wir die DB-Navigator-App getestet. Wer Bahn fährt, kommt mit ihrer Hilfe zügig an umfangreiche Informationen. Zum Beispiel über den schnellsten Weg von A nach B, die aktuellen Abfahrts- und Ankunftszeiten und einen Routenplaner von Tür zu Tür, der aber nur funktioniert, wenn sich der Nutzer orten lässt. Man kann auch einen Verspätungsalarm einstellen. Der Kauf von Bahntickets, auch mit Sparpreisfinder, klappt mit DB Navigator befriedigend. Sich zum Lastschriftverfahren anzumelden, ist aber sehr umständlich.
Beim Nahverkehr muss die App weitgehend passen. Sie zeigt Verbindungen an, aber nicht den Preis – und kaufen kann man die Tickets per Smartphone auch nicht. Immerhin: BahnCard-Besitzer können ihre Fernreise-Handytickets in vielen Städten kostenlos als Nahverkehrs-Fahrschein nutzen (City-Ticket genannt).
Datenschutz meist unkritisch
In Sachen Datenschutz bereiten die getesteten Anwendungen nur wenige Probleme. Die meisten stuften wir als unkritisch ein. Kritisch sind jedoch die Android-Version von Handyticket Deutschland und die iOS-Apps MVV- und VRR-Companion. Sie senden die Gerätekennung, unverschlüsselte Routeninformationen oder Nutzungsstatistiken an Dritte. Das ist für die einwandfreie Funktion der App nicht notwendig.
Noch nicht ausgereift
Ticket-Apps sind noch längst nicht ausgereift. Bis sie Fahrkartenautomaten und Chipkarten ablösen können, wird wohl noch viel Zeit vergehen. Ein nächster Schritt in diese Richtung ist schon für das kommende Jahr angekündigt: 2015 sollen Handy-Ticketsysteme der Verkehrsverbünde noch stärker vernetzt werden.
Das Ziel: eine App, die es ermöglicht, mit nur einer Registrierung deutschlandweit Fahrscheine für den Nahverkehr per Handy zu kaufen. Der Name des neuen Standards lautet IPSI („Interoperables Produkt- und Service-Interface“).
Viele Verkehrsverbünde haben ihre Teilnahme bereits angekündigt. Tickets sollen sich damit weiterhin sowohl über die Verbindungsauskunft als auch direkt über die Tarifauswahl buchen lassen. Die Bedienung soll immer gleich sein, egal in welchem Verkehrsverbund sich der Nutzer aufhält. Zu wünschen ist, dass der Kunde mit IPSI alle Fahrscheinarten über sein Handy bekommen kann. Noch besser: Er erhält automatisch immer das für seinen Zweck günstigste Ticket.
Das größte Problem beim Handyticket ist der Ausfall von Netz oder Akku. Wenn bei einer Fahrscheinkontrolle das Handydisplay leer bleibt, haben Kunde und Kontrolleur ein Problem. Die derzeit einzige Lösung, die die Verkehrsunternehmen in diesem Fall anbieten können, ist Kulanz.
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Ich habe bei der Registrierung kapituliert, nachdem es mir weder möglich war, als Zahlungsverfahren Lastschrift (angeblich ungültige BIC) oder Kreditkarte (bitte wenden Sie sich an die Schufa) anzugeben. Es wurde mir dann über die telefonische Hotline empfohlen zunächst Prepaid einzustellen und danach zu wechseln, das führte allerdings zum gleichen Ergebnis.
Die BIC war übrigens richtig und die Schufa dürfte bei mir auch auf keine Auffälligkeiten stoßen, ich habe aber keine Lust, mich wegen Bagatellen von Pontius zu Pilatus verweisen zu lassen, dann kann ich die Tickets auch gleich konventionell besorgen.
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Unangemessener Umgangston
Nutze mind. seid letztem Jahr die App "Touch and Traval" die eine Reihe von Verbundsystemen und den Fernverkehr der deutschen Bahn vereint. Diese funktioniert ganz überwiegend einwandfrei. Preise werden automatisch nach Fahrtende berechnet. Es ist also nicht notwendig, vorher zu entscheiden, ob es Kurz- oder Normalstrecke braucht. Bei mehreren Einzelfahrten pro Tag wird irgendwann ein Tagesticket daraus gemacht (zumindest im Verbundsystem Berlin-Brandenburg). Ich kann BahnCard-Daten hinterlegen, so dass bei Fernstrecken automatisch der reduzierte Preis berechnet wird etc.
Die Kritik hier kann ich daher nicht ganz teilen. Es gibt sicher noch Verbesserungspotenzial (z.B. mehr Ticketvarianten). Mir hat die app auf jeden Fall schon viel Kleingeldfriemelei erspart. Nur auf den Akku muss ich achtgeben, da mein Handyakku nicht mehr der stärkste ist. Es ist mir also auch schon passiert, dass ich das Ticket nachträglich nachweisen musste inkl. einer kleinen Gebühr. Aber das ist nunmal auch kla
Beim Handy-Ticket Deutschland wählt man die Strecke, erhält das passende Ticketangebot und kann dann mehrere Tickets buchen. Was ist an dieser Reihenfolge zu beanstanden bzw. warum führt sie zu der Aussage, Mehrfachkauf ginge nicht?
Warum ich Dauerkarten per App mitschleppen sollte, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Zielgruppe sind doch wohl primär Gelegenheitsfahrer wie ich, die ansonsten ratlos an der Haltestelle stehen würden.
(Zwischenbemerkung: Ich orientiere mich seit vielen, vielen Jahren an den Untersuchungen der Stiftung Warentest, aber ich muss ehrlich gestehen, dass mir seit geraumer Zeit bei einigen Ihrer Tests echte Zweifel gekommen sind. Was ist los bei Ihnen?)
Ärgerlich ist hingegen, dass im VRR-Gebiet das Ticket für Kurzstrecken fehlt.
Richtig ist auch, dass die MwSt in der Abrechnung nicht ausgewiesen wird.
Ich nutze schon seit weit mehr als einem Jahr die rmv-app und bin sehr zufrieden damit. So muss ich nicht immer darauf achten, dass ich genügend Kleingeld für die Busfahrten dabei habe. Ich erhalte jeden Monat eine Rechnung, die nach kaufmännischen und steuerrechtlichen Grundsätzen okay ist. Die Mehrwertsteuer ist dabei immer richtig ausgewiesen. Außerdem kann ich auch den Kundendienst loben, den ich vor kurzem einmal kontaktieren musste, der sehr kulant war, obwohl mir ein Fehler passiert war.