
Ist das noch Wellness oder schon Medizin: Was bringt ein Besuch in der Therme? © plainpicture / Paulina Westerlind
28 Millionen Menschen gehen laut einer Allensbach-Umfrage in Deutschland ab und zu in eine Therme. Doch wie sieht es mit den gesundheitlichen Wirkungen aus? Was müssen Badende beachten? Rainer Stange, Internist und Experte für Naturheilverfahren an der Berliner Universitätsklinik Charité beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zu den heißen und mineralischen Bädern.
Mit Bedacht genießen
Thermalbäder zeichnen sich durch Heilwasser aus, das an der Quelle über 20 Grad warm und in der Regel reich an Mineralien beziehungsweise Salzen ist. „Der Wärmeeintrag allein lässt Gefäße erweitern und dadurch den Blutdruck sinken. Insbesondere Bikarbonat – im Umgangsdeutsch Kohlensäure – kann die Haut sehr leicht durchdringen, führt zu mehr Durchblutung, was ein ‚wohliges‘ Körpergefühl vermittelt“, sagt Internist Rainer Stange. Gäste sollten Hinweise zur Badedauer beachten. „Schwer Herzschwache müssen vorab mit einem in Bäderheilkunde qualifizierten Arzt sprechen.“ Mehrpersonen-Bäder seien nichts für Immunschwache, bei salzhaltigen Bädern müssten Patienten mit Nierenschwäche vorsichtig sein. Thermalbaden gilt als wirksam gegen Arthrose und Rheuma, es kurbelt den Kreislauf an.
“Thermalbäder hellen die Stimmung auf“

Rainer Stange © Privat
test.de: Was ist denn ein Thermalbad?
Rainer Stange: Der Begriff des Thermalbads ist nicht gesetzlich geschützt. Die Interessensverbände der Heilbäder verstehen darunter eine natürliche Quelle, deren Wasser beim Austritt aus dem Boden mindestens 20 Grad Celsius warm ist. Dadurch sind im Wasser mehr Stoffe gelöst als in Oberflächengewässern. Das können Mineralien wie Eisen, Schwefel, Natrium, Kalium und Kalzium sein, aber vor allem auch Kohlensäure.
Wozu sind Thermalbäder gut?
Die Wärme geht vom Wasser in den Körper über. Das erweitert die Gefäße, senkt den Blutdruck und kann Körper und Geist entspannen. Thermalbäder hellen auch die Stimmung auf, vermutlich weil sie im Körper die Produktion des wichtigen Botenstoffes Serotonin anregen. Besonders kohlensäurehaltige Bäder sorgen zudem für ein wohliges Körpergefühl. Das klappt, weil Kohlensäure die Haut leicht durchdringen kann und so die Durchblutung anregt und den Kreislauf ankurbelt.
Haben Thermalbäder denn auch einen medizinischen Nutzen?
Thermalbäder gelten traditionell als wirksam bei Arthrose und chronischen Rückenschmerzen, neuerdings auch bei Angst und Depression.
Viele können profitieren, doch ein paar Regeln sind zu beachten
Wenn ein Heilmittel wirkt, hat es oft Nebenwirkungen. Welche Personen sollten mit Thermalbädern vorsichtig sein?
Es gibt kaum Risikogruppen und unerwünschte Wirkungen. Was die Wirkung heißen Wassers angeht, haben wir von der japanischen Forschung gelernt, dass Patienten mit vielen Herz-Kreislauf-Beschwerden sogar von Thermalbädern profitieren können. Früher wurde solchen Patienten vom Besuch von Thermalbädern oft abgeraten. Wichtig ist in jedem Fall, die Hinweise der Bäderbetriebe zu beachten und nicht zu lange im Wasser zu bleiben. Das gilt besonders für Eltern mit Kleinkindern. Kleinkinder dürften mit ins Thermalwasser, doch die Eltern sollten bei geringsten Anzeichen von Überhitzung wie einer Rötung der Haut oder Apathie mit ihren Kindern aus dem Wasser gehen. Personen mit geschwächtem Immunsystem sollten wegen des Risikos einer Infektion Mehrpersonenbäder meiden. Zur Vorsicht rate ich Patienten mit fortgeschrittener Nierenschwäche bei stark salzhaltigen Bädern. Wer sich unsicher ist, ob ein Thermalbad gut tut, kann vorab mit einem in Bäderheilkunde qualifizierten Arzt sprechen.
Übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen ganz oder teilweise Kosten für Thermalbadbehandlungen?
Wenn Thermalbäder im Rahmen einer Reha angeboten werden, zahlt der Kostenträger, in den meisten Fällen also ein gesetzlicher Renten- oder Krankenversicherer. Darüber hinaus kann man relativ unbürokratisch einen Zuschuss im Rahmen einer sogenannten offenen Badekur erhalten.
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