
Der bei Muskelverspannungen eingesetzte Wirkstoff Tetrazepam darf seit August 2013 EU-weit nicht mehr verschrieben werden. In der Folge sind tetrazepamhaltige Arzneimittel wie Musaril oder Tetramdura vom Markt verschwunden. Eine Neubewertung des Wirkstoffs hatte ergeben, dass dieser schwerwiegende Hautreaktionen auslösen kann, die lebensbedrohlich verlaufen können. Zudem ist der therapeutische Nutzen unklar. Je nach Beschwerden gibt es aber verschiedene Alternativen.
Im Einsatz bei Muskelverspannung und Spastik
Bisher verschrieben Ärzte Tetrazepam, um Patienten mit schmerzhaften Muskelverspannungen oder Spastiken zu behandeln. Der Wirkstoff gehört zu den sogenannten Benzodiazepinen – einer Gruppe von Arzneistoffen, die wegen ihrer beruhigenden Wirkung auch zur Behandlung von Schlafstörungen, Angst und Erregung zum Einsatz kommen. In Deutschland waren tetrazepamhaltige Medikamente verschiedener Hersteller zugelassen, darunter Musaril, Tetramdura, Tetrazepam 1A Pharma, Tetrazepam-ratiopharm und Tetrazepam Stada. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ordnete 2013 in einem Bescheid das Ruhen der Zulassungen in Deutschland an. Seither dürfen tetrazepamhaltige Arzneimittel hierzulande nicht mehr verschrieben und gehandelt werden. Das Verbot galt zunächst bis 2015, wurde aber inzwischen um weitere zwei Jahre verlängert. Das bestätigte ein BfArM-Sprecher auf Nachfrage von test.de. Eine Wiederzulassung nach 2017 hielt er für äußerst unwahrscheinlich.
Erhöhtes Risiko für entzündliche Hauterkrankungen
Grund für das Aus war eine Neubewertung von Tetrazepam durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA. Sie hatte ergeben, dass der therapeutische Nutzen des Stoffs nicht gesichert ist und sein Risiko-Nutzen-Verhältnis ungünstig ausfällt. Vor allem kann Tetrazepam seltene, aber schwere entzündliche Hauterkrankungen wie das Stevens-Johnson- oder das Lyell-Syndrom auslösen. Bei diesen verwandten Krankheitsbildern bildet die Haut oft Blasen; im schlimmsten Fall reißt sie und stirbt ab. Die Reaktionen können sogar lebensbedrohlich verlaufen, sind nicht vorhersehbar und zu jedem Zeitpunkt der Therapie möglich.
Diazepam gilt als geeignete Alternative
Die Stiftung Warentest hat die Angaben zu Tetrazepam in ihrer Datenbank Medikamente im Test entsprechend angepasst. Die Arzneimittel-Experten schreiben, dass den gefährlichen Nebenwirkungen dieses Wirkstoffs kein spezieller Nutzen gegenübersteht, zumal Tetrazepam nicht wirksamer ist als andere Benzodiazepine wie zum Beispiel Diazepam. Der Wirkstoff Diazepam kann nach Meinung unserer Arzneimittelexperten vorübergehend eingesetzt werden, um Muskelverspannungen zu mildern. Von einer längeren Einnahmedauer raten wir indes ab, da sich sonst eine Abhängigkeit entwickeln kann. Das gilt übrigens für alle Benzodiazepine, also auch für Tetrazepam.
Auch andere Wirkstoffe sind geeignet
Teils versuchen Ärzte auch, Tetrazepam anderweitig zu ersetzen. So lassen sich spastisch bedingte Muskelverspannungen, die etwa infolge von Rückenmarkerkrankungen oder Schlaganfall entstehen, auch mit den Wirkstoffen Baclofen oder Tizanidin behandeln. Die Stiftung Warentest bewertet sie als geeignet. Dantrolen ist nur mit Einschränkung geeignet. Beim Einsatz sind mögliche leberschädigende Nebenwirkungen zu bedenken. Es gibt auch noch weitere muskelrelaxierende Mittel wie Methocarbamol oder Tolperison. Bei ihnen fehlen jedoch aussagekräftige Nutzenbelege; daher gelten sie als wenig geeignet. Ein Therapieversuch damit ist vertretbar, wenn besser bewertete Mittel individuell nur unzureichend gewirkt haben oder nicht eingesetzt werden können. Teils helfen Patienten auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Physiotherapie. Wer trotz Therapie Beschwerden hat, sollte das unbedingt mit dem Arzt besprechen. Vielleicht lässt sich noch eine bessere Lösung finden.
Tipp: Bewertungen zu den obengenannten Wirkstoffen finden Sie in unserer Datenbank Medikamente im Test unter dem Stichwort Verspannungen.
* Diese Meldung ist erstmals am 3. Juli 2013 auf test.de erschienen. Sie wurde am 4. August 2016 aktualisiert.