Eine neue EU-Verordnung soll das Erbrecht harmonisieren. Testamente von Deutschen, die viel Zeit im Ausland verbringen, könnten künftig ins Leere laufen. Seit dem 17. August gilt bei Erbfällen mit Auslandsbezug EU-weit außer in Dänemark, Großbritannien und Irland, dass die Folgen des gesamten Erbfalls an das Recht jenes Staates geknüpft werden, in dem der Verstorbene vor seinem Tod „seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte“. Klingt kompliziert? Ist es auch.*
Ruhestand unter Palmen – für die Erben ein Problem
Das Gute mag so nahe liegen – in die Ferne schweifen die Deutschen dennoch: im Urlaub, zum Studium, zum Arbeiten. Selbst im Alter hält es die Menschen nicht in der Heimat: Rund 220 000 Personen beziehen ihre Rente im Ausland – fast doppelt so viele wie vor 20 Jahren, berichtet die Deutsche Rentenversicherung. Tatsächlich dürfte die Zahl der Auslandssenioren sogar noch größer sein: Pensionäre, Privatiers und Selbstständige, die ihren Ruhestand unter Palmen genießen, erfasst die Statistik nicht. Wer Deutschland den Rücken kehrt, hat künftig ein Problem, wenn er seine Familie auch über den Tod hinaus absichern will.
Neue Regel ab August
Seit dem 17. August greift bei Erbfällen mit Auslandsbezug eine neue EU-Verordnung. Sie gilt in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer in Dänemark, Großbritannien und Irland. Für Deutsche, die dauerhaft oder zeitweise im Ausland leben, hat das erhebliche Auswirkungen. Bislang gab es in der EU keine einheitliche Regelung, welches Landesrecht in grenzüberschreitenden Erbfällen gilt. Deutsche Staatsbürger wurden normalerweise nach deutschem Recht beerbt. Wo sie lebten und starben, war erst einmal egal. Kompliziert wurde es, wenn der Nachlass Immobilien enthielt. Dann konnte zusätzlich die Rechtsordnung eines anderen Landes zum Tragen kommen – je nachdem, wo sich Haus oder Wohnung befand.
„Nach spanischem Recht beerbt“
Das ändert sich nun bald. Die EU-Verordnung knüpft die Folgen des gesamten Erbfalls an das Recht jenes Staates, in dem der Verstorbene vor seinem Tod „seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte“. In welchem Ort oder Land er liegt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der „Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls“ abhängig. Der amtliche Wohnsitz ist dafür nur ein Indiz. „Ein Rentner, der die meiste Zeit des Jahres auf Mallorca verbringt und dort ein soziales Umfeld besitzt, wird künftig wohl selbst dann nach spanischem Recht beerbt, wenn er in seiner Heimat noch gemeldet ist“, warnt Julia Roglmeier, Fachanwältin für Erbrecht aus München. Dass er auf der Insel nur zur Miete wohnte, aber zwei Eigentumswohnungen in Münchner Bestlage hinterlässt, sei ebenso unerheblich wie seine deutsche Staatsangehörigkeit.
Berliner Testament in anderen EU-Ländern unbekannt
Selbst wer in der Heimat ein eindeutiges Testament erstellt und seine Lieben nach bestem Wissen und Gewissen abgesichert hat, muss fürchten, dass ausländische Behörden seinen letzten Willen nicht oder nicht vollständig umsetzen. Besondere Probleme bekommen Eheleute, die sich per Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die gemeinsamen Kinder vorläufig enterben.„Diese Form des Ehegattentestaments ist in Deutschland beliebt, weil sie den überlebenden Partner umfassend absichert“, sagt Hans H. Brecht, Rechtsanwalt und Notar in Siegen. Dummerweise sei der deutsche Klassiker in vielen anderen Ländern der Europäischen Union aber unbekannt – und laufe damit ins Leere. „Statt der maßgeschneiderten Vorgaben gelten dann doch wieder die spanischen oder französischen Standardregeln und die sind für Witwer oder Witwen nicht immer vorteilhaft.“ Vielfach werden Ehegatten mit einer Art Nutzungsrecht am Nachlass abgespeist.
Rechtswahlklausel einbauen
Ehepaare, die auf Nummer sicher gehen wollen, müssen neue Wege suchen. „Wer heute ein Testament erstellt, sollte eine Rechtswahlklausel einbauen“, rät Roglmeier. „Sie stellt sicher, dass die Staatsbürgerschaft auch künftig bestimmt, welches Erbrecht nach dem eigenen Tod greift.“ Nicht nur neue Testamente brauchen eine solche Klausel. Auch Alt-Verfügungen müssen für die Anerkennung im Ausland entsprechend überarbeitet werden. Immerhin: „Eine notarielle Beurkundung ist dafür nicht nötig“, sagt Experte Brecht. „Es genügt, den entsprechenden Passus handschriftlich zu ergänzen. Jedoch müssen ihn beide Partner unterschreiben.“
Extrakosten für Dolmetscher oder Gutachter
Ein Restrisiko bleibt. Grund: Per Rechtswahl lassen sich die Inhalte des Testaments deutschem Recht unterwerfen. Das Verfahren, nach dem der Nachlass abgewickelt wird, ist aber weiter in dem Land angesiedelt, in dem der Erblasser gestorben ist. Das kann Schwierigkeiten verursachen. „Wenn spanische Nachlassrichter nach deutschen Regeln einen Nachlass verteilen sollen, geht das nicht ohne Extrakosten für Dolmetscher oder Gutachter“, warnt Juristin Roglmeier. Sie empfiehlt, die Erben zusätzlich zu verpflichten, etwaige Streitigkeiten vor deutschen Gerichten auszutragen. „Zuwiderhandlungen lassen sich durch den Verlust von Privilegien sanktionieren, die ein im Testament benannter Vollstrecker überwacht.“
Steuerberater ins Boot holen
Gibt es größere Vermögen zu verteilen, sollte ein Steuerberater am Formulieren der Verfügung beteiligt sein. Denn die Erbschaftsteuer bleibt erst einmal Ländersache. Brecht: „Wer nicht will, dass seine Erben womöglich in mehreren Staaten zur Kasse gebeten werden, sollte sich auch in diesem Bereich beraten lassen.“
* Dieser Text erschien bereits am 25. Mai 2015. Er wurde anlässlich des Inkrafttretens der EU-Verordnung am 17. August 2015 ohne inhaltliche Änderungen wiederveröffentlicht.
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