
Gerhard Grüner ist seit 1999 als Rechtsanwalt in Wiesbaden tätig. © Privat
Rechtsanwalt Gerhard Grüner vertrat Enkel, die erst erben sollten, wenn sie ihren Großvater regelmäßig besuchten. Das Oberlandesgericht Frankfurt hielt diese Auflage für sittenwidrig. Im Gespräch mit test.de erklärt Grüner, wo die Testierfreiheit ihre Grenzen hat.
Bedingungen sind erlaubt ...
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte es im Februar 2019 mit der Verknüpfung von Erbenstellung und Besuchspflicht zu tun. Worum ging es?
Ein Erblasser hatte seine zwei Enkelkinder im Testament zu Erben bestimmt. Sie sollten jeweils ein Viertel seines Vermögens bekommen. Die Erbenstellung hatte der Erblasser aber an eine Bedingung geknüpft: Die damals minderjährigen Enkel sollten ihn innerhalb jedes Jahres sechs Mal besuchen. Der Errichtung des Testaments waren familiäre Unstimmigkeiten unmittelbar vorausgegangen.
Ist es denn nicht möglich, das Erbe an eine Bedingung zu knüpfen?
Doch. Es gilt Testierfreiheit. Jeder darf grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen. Das bedeutet auch, dass der Erblasser die Möglichkeit hat, eine Erbschaft an Bedingungen zu knüpfen und Wünsche zu äußern. Nur ausnahmsweise findet die Testierfreiheit eine Grenze, nämlich dann, wenn die Bedingung sittenwidrig ist.
... dürfen aber nicht sittenwidrig sein
Der Wunsch nach dem Besuch der Enkel ist doch nachvollziehbar. Warum hat das Gericht diese spezielle Regelung als sittenwidrig eingestuft?
Eine Regelung ist sittenwidrig, wenn sie mit der allgemeinen Rechtsordnung nicht vereinbar ist. Das Gericht nimmt in einem solchen Fall eine Interessenabwägung vor. Auf der einen Seite stand das Eigentumsrecht des Erblassers, auf der anderen Seite die persönliche Entscheidungsfreiheit der Erben. Die war zu weit eingeschränkt. Die Bedingung hatte einen nötigungsähnlichen Charakter.
Wie hätte der Großvater es besser gemacht?
Der Erblasser hätte keine konkreten Handlungen verlangen sollen, zum Beispiel keine konkreten Angaben machen zu Anzahl, Zeit und Art der Besuche. Das Gericht hat deutlich gemacht, dass dem potenziellen Erben ein größerer Handlungsspielraum bleiben muss. Er darf nicht in seiner Lebensführung beeinträchtigt werden.
Was raten Sie?
Ein Testament sollte jeder mit dem Kopf, nicht aus dem Bauch heraus machen.
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Der Erblasser hatte die Erbschaft mit der Verpflichtung verbunden, dass ihn seine Enkelkinder 6 mal im Jahr besuchen.
Aus dieser Besuchsanzahl (6 mal im Jahr !) eine Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit der Erben und einen nötigungsähnlichen Charakter der Erbbedingung herzuleiten, erscheint doch arg überzogen.
Allein Ostern, Pfingsten, Geburtstag und Weihnachten ergeben bereits 4 Besuche und für 2 weitere Termine sollte sich in den verbleibenden über 350 Tagen auch Zeit finden lassen (ohne dass die persönliche Entscheidungsfreiheit eingeschränkt erscheint).
Solche alltagsferne Urteile werden in der Bevölkerung nicht verstanden - da darf sich keiner wundern, wenn Rechtsverdrossenheit einsetzt.