Ist Milch, die fair heißt, wirklich fair?

Beim Bauern kommt mehr Geld an als gewöhnlich – das verspricht Milch, die sich als fair bezeichnet. Wir baten zwei Anbieter – Sternenfair und Die faire Milch – ihre Konzepte zu erläutern und zu belegen.
Geringe Milchpreise vernichten Existenzen
36 Cent – so lautete diesen Juli der Grundpreis für das Kilogramm Rohmilch. Es ist der höchste Stand seit Langem. Hinter den Milchbauern liegen schwere Jahre: 2015 war die Milchquote in der EU abgeschafft worden. Infolge stieg die Produktion an, die Preise fielen in den Keller– teils unter 20 Cent. Davon kann kein Milchbauer leben. Allein seit Ende 2016 gaben 1855 Betriebe auf, die meisten davon in Bayern. Als Minimum gelten Kilopreise zwischen 35 und 40 Cent.
Zwei Konzepte unter der Lupe
„Faire“ Milch wirbt damit, Bauern einen Mindestpreis zu zahlen. Lohnt es, zu solchen Produkten zu greifen? Im Rahmen des Nachhaltigkeitstests von Milch baten wir die Anbieter von Sternenfair und Die faire Milch, ihre Konzepte und Auszahlungsmechanismen zu erläutern und zu belegen. Teil des aktuellen Waren- und CSR-Tests waren sie nicht. Der Grund: Beide werden als H-Milch, Sternenfair auch als traditionell hergestellte Frischmilch angeboten. Im Test stand aber länger haltbare Vollmilch.
Sternenfair überzeugte mit guten Belegen
Sternenfair wird in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen angeboten. Um sich beteiligen zu können, müssen Landwirte einen Vertrag mit der MVS Milchvermarktungs-GmbH abschließen und bestimmte Kriterien erfüllen: So müssen ihre Kühe Zugang zur Weide haben, gentechnikfreies Futter bekommen; der Kraftfutteranteil wird auf 30 Prozent beschränkt und muss aus der EU stammen. Ihr Konzept belegte die MVS gut: Bauern erhalten pro Kilo Rohmilch mindestens 40 Cent, indem sie die Differenz zum regulären Milchpreis ausgezahlt bekommen. Die Krux: Nur ein Teil der Milch, die Vertragsbauern an die Molkerei liefern, wird von MVS als Sternenfair vermarktet. Übers Jahr gesehen erhalten sie also nur etwas mehr Geld als Konkurrenten.
Die faire Milch entpuppte sich als schwer durchschaubar
Die faire Milch ist landesweit verfügbar. Sie ist eine Initiative des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM). Dieser bewirbt sie so: „Faire Milch ist ein Schluck bessere Zukunft. Der faire Milchpreis trägt dazu bei, dass die Milchwirtschaft gerechter wird.“ Um das zu erreichen, legt der BDM in seiner Kostenkalkulation einen Grundpreis von 45 Cent pro Kilo zugrunde. Teilnehmen können BDM-Mitglieder, die Genossenschaftsanteile kaufen und deren Milch weitere Kriterien erfüllt: Futter aus Übersee zum Beispiel ist nicht erlaubt, für den Futteranbau sind nur bestimmte Pflanzenschutzmittel zugelassen. Landwirte müssen sich außerdem an einem Tierschutz- oder Umweltprojekt beteiligen. Der Auszahlungsmechanismus funktioniert anders als Käufer erwarten. Er entpuppte sich als kompliziert und wurde zudem nur lückenhaft belegt: Vertragsbauern werden nicht nach verkaufter Menge bezahlt. Sie erhalten pro Jahr gemessen an der Höhe ihrer Genossenschaftsanteile eine Gewinnausschüttung. Wie hoch diese ausfällt – dazu sahen die Tester keine Belege.
Test-Fazit
Beide Milchen sind Nischenprodukte: Hinter Sternenfair stehen 100, hinter der fairen Milch rund 70 Landwirte. Wer sie kauft, gibt vor allem konventionellen Bauern in Zeiten niedriger Milchpreise Sicherheit. Kontinuierlich hohe Einnahmen garantieren beide Konzepte aber nicht. Dazu müssten sie ihren Vertrags-Landwirten höhere Mengen Milch abkaufen. Bis heute können ihre Landwirte nur einen Teil der erzeugten Milchmengen als fair absetzen. Ob das übers Gesamtjahr gesehen zu einem angemessenen Einkommen beiträgt, bleibt schwer zu beurteilen.