
Vier gewinnt. Karotte, Pastinake, Rote Bete, Süßkartoffel – so ist das Siegerprodukt Seeberger gemischt. © iStockphoto, Stiftung Warentest (M)
Knabbern ohne Reue – auch mit Gemüsechips bleibt das ein Traum. Viele Produkte im Test sind echte Kalorienbomben, vier enthalten bedenkliche Mengen kritischer Stoffe.
Alle Testergebnisse für Gemüsechips 09/2017
Wie ein selbstständiges Wesen krabbelt die Hand im Flimmerlicht des Fernsehers in die Chipstüte. Immer wieder. Was bleibt, sind salzig-fettige Finger, eine leere Tüte und allzu oft ein schlechtes Gewissen. Reuelos knabbern – geht das mit Gemüsechips? 40 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage auf test.de halten sie für gesünder als Kartoffelchips, 47 Prozent für vergleichbar. Oft mit Scheibchen von Süßkartoffel, Pastinake, Karotte und Rote Bete befüllt, drängen Tüten mit Gemüsechips ins Knabbersortiment der Läden. Trotz gesalzener Preise.
Die Besten sind teuer
Im Test von 15 gesalzenen Gemüsechips-Mischungen haben wir jedoch nur 3 gute gefunden: die Chips von Seeberger, Funny Frisch und Trafo. Sie kosten 3,20 bis 4,15 Euro pro 100 Gramm. Am besten und gleichzeitig am teuersten ist das Produkt von Seeberger. Die Tester verleihen ihm die seltene sensorische Bestnote 1,0. Die einzelnen Gemüsesorten der Sieger-Chips unterscheiden sich durch einen kräftigen, aromatischen Eigengeschmack. Sie sind kaum fettig, aber dennoch knusprig. Die meisten anderen Gemüsechips sind mittelmäßig. Viele riechen und schmecken fettig. Oft sind sie brandig im Geschmack oder haben teils eine pappige Konsistenz.
Sehr viel Acrylamid und Nitrat
Vier Produkte schneiden sogar mangelhaft ab. Grund sind kritische Stoffe. Bedenkliche Mengen Acrylamid fanden wir in den Chips von Netto Marken-Discount, in den Svenska-Bio-LantChips und den Tegut-Gemüse-Kesselchips. Stark mit Nitrat belastet ist das Produkt von Tyrrells.
Unser Rat
Gesünder als Kartoffelchips sind die Chips aus Gemüse nicht, aber eine geschmackliche Abwechslung. Im Test siegt das teuerste Produkt, das 4,15 Euro pro 100 Gramm kostet: Seeberger Veggie Chips. Insgesamt auch gut sind die Gemüsechips Funny Frisch Veggie Chips gesalzen für 3,20 Euro und das Bioprodukt Vegetable Chips von Trafo für 3,70 Euro pro 100 Gramm.
Das Frittieren macht den Unterschied
Scheibchen schneiden, Gemüsesorten einzeln frittieren, mischen, salzen, abpacken: Der Weg des Gemüses in die Tüte ähnelt sich bei den getesteten Produkten. Dass die Chips von Seeberger, Funny Frisch und Trafo aromatischer und weniger fettig schmecken als die anderen, liegt vermutlich am Frittierverfahren, dem wichtigsten Herstellungsschritt. Das Wasser verdampft dabei aus den Chips, das Fett macht sie knusprig. Wie die Chips frittiert werden, erfragten wir jeweils bei den Anbietern. Auf den Verpackungen steht dazu nichts.
Die Hersteller nutzen unterschiedliche Verfahren. Häufig kommt die Batch-Fry-Methode zum Einsatz, das portionsweise Frittieren: In Kesseln brutzeln die Chips in Sonnenblumenöl bei bis zu 160 Grad. Die Anbieter der drei besten Produkte im Test frittieren das Gemüse im Vakuum. Sie minimieren den Luftdruck in der Fritteuse, der Siedepunkt sinkt. So verdampft das Wasser schon bei niedrigeren Temperaturen von maximal 130 Grad aus den Chips. Das soll Nährstoffe, den natürlichen Geschmack und das Aussehen des Gemüses schonen. Die Frittiertemperatur beeinflusst auch, wie viel Acrylamid entsteht.
Wieder mal Acrylamid
In Tierversuchen wirkte Acrylamid krebserregend und erbgutschädigend. Es bildet sich, wenn kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Kartoffeln oder Getreide geröstet, gebacken, gebraten oder frittiert werden. Kritisch sind insbesondere Temperaturen von deutlich über 120 Grad Celsius. In Kartoffelchips war Acrylamid lange ein Problem. Laut Bundesverband der Süßwarenindustrie konnten die Hersteller den Gehalt in den vergangenen Jahren stark senken, auf im Schnitt weniger als 500 Mikrogramm Acrylamid pro Kilo Chips. Der EU-Richtwert, an dem sich die Chips-Macher orientieren, liegt aktuell noch bei 1 000 Mikrogramm.
Weniger ist möglich
Für Gemüsechips gibt es keinen solchen Richtwert, weil sie noch vergleichsweise neu auf dem Markt sind. Unsere Bewertung orientiert sich daher am Richtwert für Kartoffelchips. Die Gemüsechips von Svenska LantChips, Netto Marken-Discount und Tegut enthalten weit mehr als 1 000 Mikrogramm je Kilo. Aus unserer Sicht sind sie damit mangelhaft, denn technisch ist weit weniger möglich. Das beweist die Konkurrenz im Test. Die Gemüsechips von Funny Frisch und Trafo enthalten zum Beispiel um die 400 Mikrogramm pro Kilogramm.
Rote Bete bringt Nitrat in die Tüte
Mit mangelhaft bewerten wir auch die Chips von Tyrrells. Die Rote Bete in den untersuchten Tüten war stark mit Nitrat belastet. Nitrat ist für Erwachsene relativ unbedenklich, es kann im Körper aber zu Nitrit und dann unter anderem zu Nitrosaminen reagieren. Viele dieser Verbindungen wirkten im Tierversuch krebserregend. Die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, hält die Aufnahme von 3,7 Milligramm Nitrat pro Kilo Körpergewicht am Tag für sicher. Futtert eine 60 Kilogramm schwere Person nur die Rote-Bete-Chips einer Tyrrells-Tüte, hat sie den Wert um fast das Doppelte überschritten.
In den guten Bio-Chips von Trafo wiesen wir geringe Mengen eines Pflanzenschutzmittels nach, das im Bioanbau nicht zugelassen ist. Der Anbieter teilte mit, er könne sich den Fund nicht erklären und werde der Sache nachgehen. Die Trafo-Chips enthalten, ebenso wie die guten Chips von Seeberger und Funny Frisch, auch geringe Mengen Blei. Für die Gesundheit sind die gefundenen Mengen unbedenklich.
Hoffnung auf Gesundes
Laut unserer Umfrage erwarten viele Knabberfans von den Chips mehr, als dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Sie hoffen auf eine gesunde Alternative zu Kartoffelchips, auf weniger Salz und Kalorien. Ein Teilnehmer geht weiter: „Wir möchten, dass unsere Enkel möglichst wenig Zucker und Fett essen. Da bieten sich Gemüsechips als Abwechslung zu rohen Gemüsesticks an.“
Natürlichkeit täuscht
In einem Expertengespräch der Stiftung Warentest merkten einige Anbieter an, Gemüsechips nicht als gesunde Knabberei offerieren zu wollen. Die Firma Kühne teilte uns schriftlich mit, ihr Produkt nicht als gesund, sondern als „spannenden Knabberspaß“ positionieren zu wollen. In der Tat stehen auf keinem Produkt im Test konkrete Gesundheitsversprechen.
Und doch nehmen viele Verbraucher sie als gesunde Knabberei wahr. Warum Gemüsechips solche Erwartungen bei Käufern wecken, erläutert Achim Spiller, Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Uni Göttingen: „Während Kartoffelchips-Tüten oft in kräftigen Farben wie Rot leuchten, sind die von Gemüsechips grünlastiger und zeigen häufig die Rohwaren – das wirkt natürlich.“ Natürlich wirkende Lebensmittel würden häufig auch als gesünder wahrgenommen als andere, so Spiller. Sind sie es tatsächlich?
Viel Zucker, Salz, Fett, Kalorien
Nicht nur für die mit kritischen Stoffen belasteten Gemüsechips lautet die Antwort: Nein. Alle anderen entzaubert allein schon ihr Energiegehalt: Die Tester ermittelten durchschnittlich 523 Kilokalorien pro 100 Gramm – etwa so viel wie in Kartoffelchips. Gemüsechips enthalten viel Fett, Salz und bestehen im Schnitt zu einem Viertel aus Zucker. Die üblicherweise von Anbietern genannte Portionsgröße von 25 oder 30 Gramm verharmlost das. Realistisch ist gut die doppelte Menge, wie eine Umfrage der Verbraucherzentralen für den Verzehr von Kartoffelchips ergab. Eine 60-Gramm-Portion Gemüsechips enthält im Durchschnitt knapp 15 Gramm Zucker. Zugesetzt ist davon nichts. Die Gemüsesorten sind von Natur aus deutlich zuckerreicher als Kartoffeln. Durchs Trocknen erhöht sich die Konzentration weiter.

© Stiftung Warentest

Nicht gesünder als Kartoffelchips
Der höhere Ballaststoffgehalt von Gemüsechips und möglicherweise noch enthaltene sekundäre Pflanzenstoffe reißen das auch nicht mehr raus. Eine gesündere Alternative zu Kartoffelchips sind sie nicht.
Das gilt auch für die drei guten Produkte. So enthalten 100 Gramm des Testsiegers Seeberger zwar relativ wenig Salz, doch mit 30 Gramm recht viel Zucker und einen Fettgehalt, der es mit Kartoffelchips aufnehmen kann. Eine geschmackliche Alternative sind sie aber allemal. Und optisch machen sie auch was her.
Übrigens: Wie Gemüsechips mit Geduld auch zu Hause gelingen, zeigt unser Rezept für Gemüsechips aus dem Ofen.
-
- Fruchtig-scharf, leicht süß, zitronig – die Ingwerknolle lockt mit exotischem Aromenmix. Frischer Ingwer enthält mehr Gingerole als getrockneter, zeigt ein Test.
-
- Zero Waste: Die gute alte Sitte, Nahrungsmittel abfallfrei zu verarbeiten, liegt wieder im Trend. Tipps für Spargelreste, welke Blätter und altes Brot.
-
- Bis zu jede dritte Krebserkrankung lässt sich auf ungünstige Ernährung und zu wenig Bewegung zurückführen, schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Übergewicht...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
hallo liebe tester und leser.
es gibt sogenannte OFEN CHIPS , bei denen sind die kartoffelscheiben nicht fritiert sondern nur im ofen mit wenig öl ( -nebel ) gebacken.
schade das es diese nur in der kartoffel variante gibt.
knabbereien mit wenig fett sind echt rar.
Ich habe die funny frisch veggie chips ausprobiert und mich haben sie leider geschmacklich nicht überzeugt. Deshalb werde ich wohl wieder "normale" Chips essen. Ein Versuch war es aber allemal wert.
@frigeb: Ihr Kommentar ist für unsere Arbeit von großem Wert, sind wir doch darauf angewiesen, die Erfahrungen und Wünsche unserer Leser möglichst genau zu kennen, um eine aktuelle und hilfreiche Zeitschrift bieten zu können. Zuschriften aus unserer Leserschaft geben uns in vielen Fällen wertvolle Anregungen, die in künftigen Veröffentlichungen berücksichtigt werden.
Bei unserer Testarbeit ist es natürlich hilfreich, wenn wir für unsere Veröffentlichungen Hinweise unserer Leser zugrunde legen können, da wir zwar umfangreiche Veröffentlichungen durchführen, diese naturgemäß aber auch nicht absolut jedes Detail abtasten können. Insofern sind Ihre Anregungen durchaus gern gesehen und willkommen. (SL)
4 Millionen Menschen sind nierenkrank oder herzkrank. Sie müssen oft Kalium, Salz und/oder Phosphate vermeiden. Kartoffeln liefern diese Stoffe zuhauf, da könnten Gemüsechips doch eine gesündere Alternative sein? Deshalb vermisse ich analytische Angaben zu den Inhaltsstoffen!
Zum Glück sind Kartoffeln auch Gemüse und Kartoffelchips = Gemüsechips ;)